Zeit zum Handeln

Die Lkw-Maut zum 1. Januar 2019 ist eine Katastrophe", schimpft Stephan Gustke, Geschäftsführer der Spedition Heinrich Gustke in Rostock. "Wir haben ja noch nicht einmal vollumfänglich die Bundesstraßen-Maut durch. Und zum 1. Januar 2019 steht die nächste Mautsteigerung ins Haus, und die wird richtig kräftig ausfallen", klagt er. Unternehmern fehlt Planungssicherheit "Für einen Sattelzug bezahlen wir dann künftig statt 13,5 Cent 18,7 Cent pro gefahrenen Kilometer - das sind 38,5 Prozent höhere Mautgebühren als heute." Und für 2-Achs-Motorwägen und 2-Achs-Auflieger, die die Spedition etwa im Linienverkehr einsetzt, erwartet Gustke teilweise bis zu 60 Prozent höhere Mautkosten. Heute bezahlt er für solche 4-Achser 11,5 Cent pro gefahrenen Kilometer. Künftig sind es 18,7 Cent, weil es dann nur noch eine Mautklasse ab vier Achsen gibt. "Alles in allem werden wir durch die erhöhte Lkw-Maut jährlich 500.000 Euro Mehrkosten haben", rechnet der Spediteur, der deutschlandweit 110 eigene Fahrzeuge einsetzt - sowohl im Stückgut- als auch im Teil- und Komplettladungsverkehr. 10 bis 15 Prozent der gesamten Fahrzeugkosten machen die Mautkosten bei ihm im Schnitt aus. Ob dies tatsächlich zum 1. Januar 2019 kommt, weiß Gustke ebenso wenig wie seine Branchenkollegen. Denn noch ist das Bundesfernstraßenmautgesetz nicht verabschiedet. "Wir Unternehmer haben also gar keine Planungssicherheit", beklagt Daniel Hensel, Geschäftsführer der Hensel Spedition in Mainz. Die Zeit drängt. Bis zum 1. Januar 2019 sind es noch zehn Wochen: "Wir müssen ja alle unsere Mehrkosten ermitteln und insbesondere mit den Großkunden auch persönlich sprechen", erklärt der Spediteur. "Das ist ja in diesem Jahr keine normale Preiserhöhung. Und dafür haben wir nicht mehr viel Zeit." Über 100 Gespräche stünden allein für ihn in den kommenden Wochen an. "Davor graut mir schon etwas", gesteht der Firmenchef. Hensel ist zuversichtlich, dass seine Auftraggeber die höhere Lkw-Maut übernehmen werden. "Schwieriger wird es wohl, unseren Kunden die gestiegenen Fahrerlöhne und Dieselkosten zu verargumentieren. Wir brauchen im Stückgutmarkt zehn Prozent mehr. Diese Preissteigerung müssen wir durchbringen. Sonst geht es an die Substanz vieler Betriebe." Immerhin nannte bereits das im April 2018 veröffentlichte Wegekostengutachten, das eine Empfehlung an die Bundesregierung darstellt, die neuen Lkw-Mautsätze. "Das hat den Transport- und Speditionsbetrieben eine erste Kalkulationsgrundlage gegeben", bestätigt Thomas Reichardt, Berater von SVG Bundes-Zentralgenossenschaft Straßenverkehr in Frankfurt/Main. Was er allerdings nicht nachvollziehen könne, dass die neue Lkw-Maut künftig Firmen, die in Euro-6-Lkw investiert haben, also technologisch und ökologisch auf dem modernsten Stand sind, prozentual ungleich stärker in die Pflicht nimmt als die Betriebe mit niedrigeren Schadstoffklassen (siehe Seite 19). Außerdem entfällt zum 1. Januar 2019 der Mautvorteil für Unternehmen, die in Vier-Achs-Züge investiert haben und dadurch bislang 1,8 Cent weniger Maut pro Kilometer bezahlen mussten als Kollegen mit der Fünf-Achs-Zug-Variante. "Allein dadurch hat ein Transportunternehmen mit 20 Vier-Achs-Lkw und jährlich zwei Millionen Mautkilometern künftig im Jahr 36.000 Euro höhere Mautkosten", rechnet Reichardt vor. "Das Problem ist, dass etliche kleinere Transportbetriebe ihre Mautmehrkosten nicht einmal ermitteln, geschweige denn andere Mehrkosten wie die gestiegenen Fahrerlöhne, und darauf hoffen, dass ihre Transportpreise diese schon abdecken", sagt der SVG-Berater. "Das ist betriebswirtschaftlich höchst riskant." Im Transportgewerbe liege die durchschnittliche Umsatzrendite trotz der guten Auftragslage nach wie vor im Schnitt nur bei zwei bis drei Prozent. Fallweise sogar darunter. Die neue Maut zehrt die Marge auf "Wer also seine Kosten nicht auf Vollkostenrechnungs-Basis ermittelt - sowohl in der Vor- als auch in der Nachkalkulation -, zahlt drauf. Die neue Maut zehrt die ohnehin geringe Marge auf." Dabei gebe es einfache Unterstützung, zum Beispiel frei zugängliche Internet-Mautrechner der SVG (www.bundesstrassenmaut.de) und SVG-Mautex (svg.impargo.de). Zudem seien in der derzeitigen Marktsituation die Kunden weitgehend bereit, die Maut zu übernehmen - sowohl bei den Last- als auch Leerkilometern. Einfach wird die Kalkulation der Mehrkosten, vor allem die Verargumentierung der höheren Preise an die Kunden trotzdem nicht. Darauf verweist Spediteur Gustke: "Die Mehrkosten-Belastung durch die neuen Mautsätze für einen FTL-Transport ist ja noch recht einfach zu ermitteln und sehr gläsern." Dazu müsse man bei einer Sattelzugmaschine (Euro-6-Lkw) nur die gefahrene Transportstrecke mit dem Differenzbetrag des künftigen Mautsatzes (18,7 Cent) minus des bisherigen Mautsatzes (13,5 Cent) multiplizieren. Bei 600 Lastkilometern Entfernung mal 5,2 Cent sind das also 31,20 Euro, die ein Transporteur künftig mehr Maut bezahlen muss. "Das geht in der Regel jeder Kunde auch mit", meint er. Allerdings werde es schwierig, diesem die Maut bei den Leerkilometern, die durch die Anfahrt zur nächsten Beladestelle anfallen, zu verargumentieren, weiß Gustke aus eigener Erfahrung, der gerade in seiner Region Mecklenburg-Vorpommern oft weite Anfahrtskilometer zurücklegen muss, um Sendungen abzuholen oder auszuliefern. Von Einkäufern das Pokern lernen Wirklich problematisch wird es Gustke zufolge aber bei der Frage, wie er die Mautgebühren künftig bei Stückgut-Systemverkehren umlegen will. Darunter sind die Sendungen zu verstehen, die nicht im Direktverkehr, sondern über ein Stückgutsystem gehen, dort an zwei oder drei Schnittstellen umgeschlagen und dann ausgeliefert werden. "Auf welcher Kilometerbasis rechnet man da die Maut ab? Das führt in der Praxis bei Verladern oft zu Diskussionen", weiß Gustke. Damit nicht genug: Die so ermittelten Maut-Mehrkosten müssten dann noch anteilig auf die einzelne Stückgutsendung umgelegt werden, was wiederum letztlich vom Gewicht und Volumen der einzelnen Sendung sowie der Auslastung des jeweiligen Lkw abhängt. Und im Teilladungsgeschäft sind die Herausforderungen ähnlich. "Entscheidend ist, dass wir unsere Mehrkosten, die wir an den Staat abführen, mit unseren Preisen reinbekommen", betont der Unternehmer. "Da hilft rechnen, rechnen und mit dem Kunden sprechen." Denn was im Januar 2019 auf die Transporteure zukomme, sei gewaltig: "Da sprechen wir teilweise von bis zu 60 Prozent höheren Mautkosten, etwa bei Linienverkehren mit 2-Achs-Motorwagen und 2-Achs-Aufliegern." Heute bezahlt Gustke für solche 4-Achser 11,5 Cent pro gefahrenen Kilometer. Künftig sind es 18,7 Cent, weil es dann nur noch eine Mautklasse ab vier Achsen gebe, erklärt er. Viele Transportdienstleister wissen aber gar nicht, wie sie ihren Auftraggebern höhere Preise verkaufen können. "Statt mehr Geld zu fordern, übernehmen sie stillschweigend immer mehr Aufgaben für ihre Kunden, ohne die Preise entsprechend nach oben anzupassen", weiß Horst Bayer. Er war lange Einkaufschef in Industrieunternehmen und berät diese inzwischen in Sachen Vertrieb. Er weiß aber auch: "Heute sind Preisgespräche sehr viel diffiziler und in der Vorbereitung sehr viel aufwändiger als früher." Argumente mit Fakten untermauern Man braucht für jeden Auftraggeber eine eigene, individuelle Preisstrategie und -taktik und eine gute Gesprächsvorbereitung. Die gute Nachricht ist: Preisanpassungs-Gespräche kann man lernen "Am besten, Sie gehen zu Einkäufer-Schulungen. Dort lernen Sie, wie Einkäufer ticken", empfiehlt er. Und das Ziel von Einkäufern sei es, die Argumente ihrer Dienstleister auseinanderzunehmen, um sie so zu niedrigeren Preisen zu bewegen. Die Aufgabe eines Dienstleisters ist es deshalb, dem Einkäufer Argumente zu liefern, mit denen dieser wiederum intern erklären kann, warum er sich für den teureren, aber letztendlich preiswerteren Transportdienstleister entschieden hat. "Sammeln Sie deshalb Argumente", rät Bayer, "warum Ihr Kunde durch die Zusammenarbeit mit Ihnen Vorteile hat." Außerdem sollten Dienstleister laut dem Vertriebsexperten: - Kunden klar aufzeigen, welchen Nutzen sie durch die Dienstleistung haben - neue Lösungsansätze konzipieren und darstellen - eine "gute Tatenliste" verwenden über besondere/nicht vereinbarte Leistungen wie Änderungen bei Verpackung/ Paletten, Ladungsträger, Behälter ... - eine Verlustbereitschaft des Auftrags in der Verhandlung zeigen - die Qualität der Leistungen mit entsprechenden Kennzahlen aufzeigen Entscheidend ist laut Bayer vor allem eines: "Transport- und Speditionsfirmen muss es gelingen, von ihren Kunden als Partner wahrgenommen zu werden. Dafür müssen sie auch lernen, professioneller zu agieren und ihre Forderungen mit Zahlen, Fakten und Argumenten zu untermauern", unterstreicht der Vertriebsexperte. "Wenn ihnen das aber gelingt", ist er sich sicher, "wird es ein Preisgespräch auf Augenhöhe zwischen Einkäufern und Dienstleistern geben. Und dann besteht eine reelle Chance auf höhere Preise." Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Lkw-Maut www.verkehrsrundschau.de/dossiers VR-Tipp Im Vergleich: die Mautrechner von Impargo/SVG und von Toll CollectDie VerkehrsRundschau hat die Mautrechner von Toll Collect und von Impargo/SVG miteinander verglichen.1. GenauigkeitBei beiden Rechnern muss der Fahrer vor Beginn der Fahrt Start und Ziel sowie verschiedene Angaben zum Fahrzeug eingeben. Hier kann der Rechner von Toll Collect seine Stärke ausspielen, denn er lässt deutlich mehr Eingabekriterien zu als der Rechner von Impargo. Bei diesem sind nur Achsenanzahl, Gesamtgewicht, Emissionsklasse und Zeitpunkt der Fahrt möglich. Beim Toll-Collect-Rechner können zusätzliche Angaben zu Abmessungen des Fahrzeugs oder Gefahrgut gemacht werden. 1:0 für den Mautrechner von Toll Collect2. BedienungBei der Bedienung hat die Anwendung von Impargo die Nase vorn. Auf der Startseite des Toll-Collect-Rechners angekommen, muss man sich durch etliche Unterseiten klicken, um die nötigen Informationen anzugeben. Beim Impargo-Rechner können alle Angaben auf nur einer Seite gemacht werden. Die Ergebnisse werden sofort am unteren Bildschirmrand angezeigt und ändern sich, sobald neue Werte eingegeben werden. Neuer Punktestand 1:13. KostenSowohl der Rechner von Toll Collect als auch der der SVG ist kostenfrei. Daher für beide Rechner einen Punkt. 2:24. RegistrierungFür den Impargo-Rechner ist eine einmalige Registrierung nötig. Der Rechner von Toll Collect kann dagegen ohne Registrierung genutzt werden. Ein Punkt für Toll Collect. Endstand 3:25. FazitKnapper Punktsieg für Toll Collect. Er ist genauer, benötigt keine Registrierung und ist auch als mobile App für Tablets und Smartphones verfügbar. Dennoch benötigt er wie der SVG-Rechner eine Internetverbindung. Und es bleibt das Problem: Wählt der Fahrer etwa aufgrund eines Staus eine andere Route, stimmt die Kalkulation nicht mehr. fa

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