Zeit frisst Geld

Dietmar Terakowski ist ein alter Hase. Seit über 30 Jahren ist der Spediteur im Geschäft. Dennoch musste sein Unternehmen, die TST-Logistik aus Medebach, vor rund drei Wochen Insolvenz anmelden. "Durch die schlechte Zahlungsmoral und Insolvenzen von Kunden haben wir massive Probleme bekommen und schreiben hohe Verluste ", sagt der Unternehmer, der für Auftraggeber aus der Automobil-, Getränke- und Holzindustrie transportiert. Terakowski musste sich bereits von Mitarbeitern und Fahrzeugen trennen. Dabei lässt er nichts unversucht. "Wir haben zunächst Forderungen von rund 54.000 Euro über die Forderungsbörse Debitos verkauft und uns damit Liquidität verschafft", sagt der Spediteur. Die Lage habe sich dadurch aber nur kurzzeitig entspannt. Das Grundproblem - die schlechte Zahlungsmoral seiner Auftraggeber - ließ sich nicht lösen. Auch der Verkauf offener Rechnungen an einen Factor brachte keinen durchschlagenden Erfolg. Wie es mit TST-Logistik weitergeht, ist offen. "Wir arbeiten mit Hochdruck an einer Sanierung." Einige Verlader lassen sich viel Zeit So wie Terakowski geht es vielen Transport-, Speditions- und Logistikdienstleistern. Einige Industrie- und Handelsunternehmen lassen sich immer mehr Zeit, ihre Rechnungen zu bezahlen - und polieren somit auf Kosten der Geschäftspartner ihre Bilanz auf: Dies stößt einen Dominoeffekt an, der die Existenz mancher Dienstleister bedroht. So fehlt Spediteuren mitunter das Geld, um eigenen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. "Sie sitzen oft zwischen den Stühlen und geben das schlechte Zahlungsverhalten ihrer Kunden weiter", erklärt Hubert Valder, Justiziar des Deutschen Speditions- und Logistikverbandes (DSLV). Letztes und schwächstes Glied in der Transportkette sind die Frachtführer. Die wenigsten von ihnen verfügen über das nötige Eigenkapital und das entsprechende Auftragsvolumen, um größere Durststrecken zu meistern. Die Folge: Der Gewinn sinkt, genauso die Zahlungsfähigkeit. Dies wirkt sich wiederum negativ auf das Bankenrating aus. Wie viele der Gewerbevertreter unter Zahlungsverzug oder Ausfall leiden, darüber gibt es keine Statistiken. Die Verbände vermuten aber, dass die Dunkelziffer deutlich höher ist als das, was ihnen oft nur unter dem Gebot der Verschwiegenheit berichtet wird. "Zahlungsziele von 30 bis 60 Tagen sind durchaus üblich", sagt Sebastian Lechner, Hauptgeschäftsführer des Landesverbandes Bayerischer Transport- und Logistikunternehmen (LBT). Es sei aber auch keine Seltenheit, dass ein Transportunternehmer 90 Tage nach getaner Arbeit noch auf sein Geld wartet. Und es geht noch dreister. Das weiß Norbert Voigt, Geschäftsführer des Landesverbandes des Verkehrsgewerbes von Mecklenburg-Vorpommern (LVMV): "Teilweise wird sogar erst 90 Tage nach Gutschrifterstellung gezahlt." Eine andere Masche: Zahlungen werden zurückgehalten, wenn nicht alle Belege vorhanden sind. "In den Verträgen ist oft festgelegt, dass die Zahlung nur gegen Vorlage der Original-Ablieferbelege erfolgt", sagt DSLV-Justiziar Valder. Es kommt auf Region und Branche an Geringe Transportentgelte und lange Zahlungsziele scheinen vor allem in strukturschwachen Regionen eines der Hauptprobleme zu sein. "Die Zahlungsziele werden von Jahr zu Jahr weiter hinausgezögert," erzählt LVMV-Chef Voigt. Dienstleister müssten deshalb immer häufiger in Vorleistung treten. "Bei dauerhaften Geschäftsbeziehungen fällt das weniger auf, weil hier regelmäßig Geld in die Kasse fließt", sagt Voigt. "Das Problem wird allerdings bei Neukunden spürbar." Unterschiede sieht Lechner vom LBT auch zwischen dem nationalen und dem internationalen Güterverkehr. Nach der Schuldenkrise ist die Zahlungsmoral in Südeuropa besonders niedrig. Seine Erfahrungen decken sich mit dem European-Payment-Index-Report 2013 von Intrum Justitia. Daraus geht hervor, dass Unternehmen im Süden Europas erheblich später ihre Rechnungen begleichen als die in Mittel- und Nordeuropa (siehe Diagramm rechts). Im Vergleich zur Situation im Ausland begleichen deutsche Unternehmen ihre Rechnungen zwar relativ pünktlich. Allerdings schwankt die Zahlungsmoral bei uns je nach Wirtschaftszweig stark. Das zeigt eine branchenübergreifende Befragung von knapp 4000 Unternehmen zur Wirtschaftslage und Finanzierung im Mittelstand durch den Finanzdienstleister Creditreform. Demnach zahlen 10,5 Prozent der Möbelindustrieunternehmen erst nach über 90 Tagen, während 20 Prozent der Kunden aus dem Einzelhandel mit Verbrauchsgütern ihre Rechnungen bereits nach fünf Tagen bezahlen. Laut BGB sind Forderungen sofort fällig "Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) sieht in Paragraf 271 an sich vor, dass eine Rechnung sofort zu begleichen ist, sofern nicht durch Vertrag oder Gesetz etwas anderes geregelt ist", erklärt die Hamburger Rechtsanwältin Susanne Müller-Kraft. Eine ähnliche Regelung findet sich in den Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen und den Vertragsbedingungen für den Güterkraftverkehrs-, Speditions- und Logistikunternehmer. "Zahlungsziele sind also Vereinbarungssache", erläutert die Anwältin. Unlauter seien 90 Tage prinzipiell nicht. Aus Sicht von Lechner muss es deshalb das Ziel des Güterverkehrsunternehmens sein, die gesetzliche Regelung beziehungsweise die eigenen Geschäftsbedingungen im Vertrag festzuschreiben, um damit zu erreichen, dass der ausgemachte Frachtpreis sofort nach dem Transport fällig wird. Das ist jedoch nicht so einfach. Denn viele Auftraggeber nutzen ihre Marktmacht aus. Häufig hätten die Auftragnehmer keinen Verhandlungsspielraum, erklärt Voigt vom LVMV: "Wer nicht mitspielt, ist draußen." Bei Zweifeln lieber auf Vorkasse pochen Ein Ausweg aus dem Dilemma kann eine Kreditversicherung oder der Verkauf von Forderungen sein (mehr auf Seite 38). Beides verursacht jedoch Kosten. Valder rät hingegen dazu, unverhältnismäßige Zahlungsziele aus dem Transportauftrag herauszustreichen und das Dokument mit einem entsprechenden Vermerk an den Auftraggeber zurücksenden. Auch die Ausführung eines Auftrags nur gegen Vorkasse könne bei unbekannten Kunden oder bei Zweifeln an deren Zahlungsfähigkeit helfen. Müller-Kraft kennt ein weiteres Druckmittel: das Pfandrecht an Sachen, die man befördert oder einlagert. "In Insolvenzsituationen kommt es vor, dass sich der Frachtführer bei einer Dauergeschäftsbeziehung bewusst noch einmal beladen lässt, den Auftraggeber dann von unterwegs anruft und ihm klar macht, dass er nicht weiterfährt und ablädt, bis er sein Geld bekommen hat", erklärt die Anwältin. Das wirke.