Hamburg. „Unterm Strich mehr Schaden als Nutzen" wird die international zum 1. Januar 2015 beschlossene Einführung neuer Schwefelbelastungs-Obergrenzen beim Schweröl in der Ost- und Nordsee nach sich ziehen. Davor warnt Bernd Bertram, Deutschland-Chef der dänischen Unifeeder-Gruppe, dem Marktführer bei den Shortsea- und Feeder-Verkehren in der Nord- und Ostsee. Der Däne Bertram nutzte die am Mittwoch in Hamburg abgehaltene Eröffnungskonferenz des seitens der EU geförderten Logistikprojektes Amber Coast Logistics (ACL), um erneut auf die drohenden Gefahren für die Reedereien und die Häfen in Nordwesteuropa hinzuweisen. Die Federführung für das 2013 auslaufende EU-Programm, bei des um die weitere Förderung der Wirtschafts- und Logistikbeziehungen im Ostseeraum geht, liegt bei der Hafen Hamburg Marketing (HHM).
Bestandsschiffe kann man nicht einfach mit Scrubbern nachrüsten
Die Maßnahme werde Seetransporte in der Ost- und Nordsee erheblich verteuern, was wiederum zu einer Rückverlagerung von Ladung vom Schiff auf die Straße führen werde. Bertream nannte die Anzahl von rund 800.000 Frachteinheiten, die auf Jahresbasis vom Schiff an den LKW verloren würden. Und das in einer Zeit, da die Straßeninfrastruktur schon heute in weiten Teilen Europas durch den LKW-Verkehr überlastet sei. Die Rücknahme der Entscheidung sei auch deshalb vertretbar, weil ja andere Seegebiete, zum Beispiel das ebenfalls zur EU gehörende Mittelmeer oder das Schwarze Meer, erst Jahre später mit verschärften Schwefelobergrenzen konfrontiert würden. Die „Atempause" benötige die Schifffahrtsindustrie, um in Ruhe ausgereifte Alternativtechnik prüfen und dann auch bestellen zu können. Dazu gehöre LNG-Antrieb (Flüssigerdgas) für Schiffe ebenso wie die Abgasreinigung (Scrubber). Bertram wies darauf hin, dass diese Scrubber nicht mal so aus dem Stand heraus in einem bereits in Fahrt befindlichen Schiff einzubauen sind. Immerhin gehe es dabei um Technik mit einem erheblichen Eigengewicht und zudem Raumanspruch.
Auch im Ostsee-Feeder-Verkehr wird der Trend zu größeren Schiffen anhalten. So setze Unifeeder mittlerweile auch Schiffe mit einer TEU-Kapazität (Standardcontainer) von um die 1600 TEU. Zu den zahlreichen Herausforderungen der Ostsee-Feeder-Schifffahrt gehöre auch der Klimawandel. Das werde man vor allem in den Häfen im östlichen Bereich der Ostsee merken.
Unverständlich, wie Deutschland seinen Nord-Ostseekanal (NOK) wertschätzt
Erhebliche Kritik richtete Bertram an das Bundesverkehrsministerium, weil es den Ernst der Lage auf dem in seine Obhut fallenden NOK immer noch nicht erkannt habe. Vor allem der Zustand der maroden Schleusen, die so alt seien wie der NOK selbst (Inbetriebnahme 1895, d. Red.). Bertram zufolge schwinde bei den Reedereien die Bereitschaft und das Verständnis dafür, die operativen Schwierigkeiten im Schleusenbetrieb des NOK weiter klaglos hinzunehmen. Die Tatsache, dass der Schleusenkomplex in Brunsbüttel schon seit langem „nur noch im Notbetrieb erfolgen kann, ist für die Reeder eine Zumutung und nicht mehr länger akzeptabel", betonte Bertram.
Der Unifeeder-Deutschland-Chef sagte weiter, Deutschland, auf dessen Staatsgebiet der 1895 in Betrieb genommene Kanal verlaufe, müsse doch ein ureigenes Interesse an einer leistungsfähigen Wasserstraße haben. Für ihn, als Dänen, sei es geradezu „paradox", mit welcher Wertschätzung diese auch für die internationale Schifffahrt wichtige Wasserstraße durch die deutsche Politik sowie das Bundesverkehrsministerium behandelt würde. Neben der raschen Ertüchtigung der vorhandenen Schleusen in Brunsbüttel sowie in Kiel-Holtenau müsse auf der Elbe-Seite des Kanals endlich die seit Jahren in Aussicht gestellte weitere Schleusenkammer gebaut werden.
Ohne leistungsfähigen NOK haben deutsche Häfen das Nachsehen
Sein Unternehmen gehöre zu den nachgewiesenen Vielnutzern des NOK. Allein im 1. Halbjahr 2011 habe Unifeeder 1060 Kanalpassagen gehabt. Aufgrund des eingeschränkten Schleusenbetriebs zumal in Brunsbüttel schwebe über jeder Passage die Angst, dass es eines Tages einmal zu einer Totalblockade kommt, bei der dann für die Schifffahrt gar nichts mehr gehe. Er wolle sich lieber nicht ausmalen, was dann mit der Ladung auf den Schiffen passieren soll, die dann im NOK festsitzen. Bertram: „Schon in meiner Ausbildung habe ich gelernt, das ein System, das ohne eine zuverlässig Absicherung arbeitet, am Ende kein gutes System sein kann." Genauso verhalte es sich gegenwärtig mit dem NOK. Dass die Schleusen immerhin seit mehr als 100 Jahren noch irgendwie funktionierten, „dafür kann man dem Kaiser Wilhelm eigentlich noch nachträglich herzlich danken", merkte der Däne zynisch an.
Allein Unifeeder habe in diesem Jahr bereits zehn volle Arbeitstage als Wartezeit vor den NOK-Schleusen angesammelt. „Und das sind Kosten, die uns keiner erstattet, vom Ärger gar nicht gesprochen", sagte Bertram weiter. Wenn sich bei den Reedereien erst einmal der Eindruck festsetze, der NOK sei nicht mehr berechenbar, dann könnte dieser Weg eben auch ganz gestrichen und statt dessen der zwar längere, aber berechenbare Weg über das Kap Skagen genommen werden. Das Nachsehen habe nicht nur der Bund, weil die Kanalabgaben entfallen, sondern auch die auf den NOK stark angewiesenen deutschen Nordseehäfen wie Hamburg oder Bremerhaven. (eha)
Dietmar Oeliger