"Wird Ihr Vater loslassen können?"

Sie waren gerade einmal 25 Jahre alt, Herr Rahmann, als Ihnen Herr Dahlmann Anteile an seinem Speditionsunternehmen ALS übertragen und Sie zum Prokuristen gemacht hat: Was hat Sie dazu bewogen, einen so großen Schritt in so jungen Jahren zu gehen? Tobias Rahmann: Ich war gleichermaßen stolz und dankbar für diese Riesenchance - gerade als Berufsanfänger. Ich hatte ja zu diesem Zeitpunkt gerade mein duales BWL-Studium abgeschlossen. Andererseits überlegt man sich auch die Folgen, auch in finanzieller Hinsicht. Aber ich wusste, auf was ich mich einlasse. Schon als 15-jähriger Schüler habe ich hier gejobbt und habe auch später die Entwicklung des Unternehmens immer verfolgt. Außerdem bin ich sehr heimatverbunden und schätze die Betriebsstruktur, vor allem den kurzen Dienstweg (lacht). Herr Dahlmann: Als Chef der Spedition ALS haben Sie mit 43 Jahren das Thema "Nachfolge" ebenfalls erstaunlich früh angepackt, als Sie Tobias Rahmann vor 14 Jahren in Ihr Unternehmen geholt haben. Warum so frühzeitig? Christoph Dahlmann: 2006 verstarb mein Geschäftsführer-Kollege Helmut Schulte, mit dem ich vor über 30 Jahren unsere Spedition gegründet und seitdem gemeinsam geführt hatte, völlig unerwartet an Herzversagen. Und im gleichen Jahr schieden zwei weitere langjährige Mitarbeiter aus - der eine krankheitsbedingt, der andere ging in Rente. Da machte ich mir natürlich Gedanken. Denn meine Tochter Christina und mein Sohn Michael waren damals 15 und zwölf Jahre alt. Außerdem habe ich als Firmenchef soziale Verantwortung meinen Mitarbeitern gegenüber. Daher entschied ich mich, jüngere Leute ins Unternehmen zu holen, die langfristig bei uns bleiben - auch im Hinblick auf meine eigene Nachfolge. Wie leicht war es für Sie, die passenden Mitarbeiter zu finden? Dahlmann: Von Speditionskollegen weiß ich, dass sich viele schwer damit tun, auch weil sich viele zu spät mit dem Thema Nachfolge befassen. Ich hatte aber das Glück, dass ich Ende 2006 Tobias' Vater getroffen habe, den ich persönlich kenne. Er erzählte mir, dass Tobias im März 2007 sein Studium beenden würde. So kam ein zielführendes Gespräch zustande. Und mehr oder minder zeitgleich holte ich Björn Stein als Disponent zu uns. Damals schon dachte ich über den Aufbau einer zweiten Führungsriege nach. Seit 2016 ist Ihre Tochter Christina Millentrup an Bord und kümmert sich um Personal und Marketing. Sie soll neben Rahmann und Stein künftig Ihre Geschäfte führen. Warum reichte Ihnen nicht ein Nachfolger? Dahlmann: Mir war es von Anfang an wichtig, die Unternehmens-Verantwortung auf mehreren Schultern zu verteilen. Einer alleine kann das nicht schultern. Unser speditionelles Geschäft ist sehr komplex, weil wir sehr kundenspezifische Lösungen entwickeln - mit einem sehr breiten Branchenmix und wir bieten ja Land-, See- und Lufttransporte. War es immer Ihr Traum, Ihrem Vater in der Spedition nachzufolgen, oder war da der Wunsch Ihres Vaters die treibende Kraft? Christina Millentrup: Also gedrängelt hat mich mein Vater nie. Im Gegenteil: Er hat immer betont, dass ich das machen soll, was mir Spaß macht. Und das war für mich nach meinem Abitur erst mal Mode und Design. Deshalb habe ich die Ausbildung zur Handelsfachwirtin absolviert, merkte aber schnell, dass Logistik viel spannender ist. Deshalb wechselte ich dann in unsere Spedition und studiere nun berufsbegleitend Logistik und Handel, mache aber in wenigen Tagen meinen Bachelor. Dahlmann: Schubsen lässt sich meine Tochter sowieso nicht (lacht)! Mein Sohn hat sich im Übrigen für einen anderen Weg entschieden. Er ist nach einer technischen Ausbildung bei einem Automobilzulieferer im Key Account tätig. Wenn er aber einmal zu uns wechseln will, wäre ich offen. Was haben Sie für den Übergabeprozess schon geregelt, und was steht da in den nächsten Jahren noch an? Dahlmann: Nach dem Tod meines Mitgesellschafters, Helmut Schulte, blieb seine Ehefrau, die seine Anteile geerbt hatte, bei uns noch drei Jahre Buchhalterin. Nach ihrem Ausscheiden mit 60 Jahren übernahm ich die Anteile. Und in 2015, kurz nach meinem 50. Geburtstag, entwickelte ich einen konkreten Übernahmeplan. Ich sah ja, dass sich Tobias und Björn gut entwickelten. Tobias hat ja schon Anteile am Unternehmen. Björn absolviert seit 2015 ein fünfjähriges Führungsprogramm, das Ende 2020 endet. Dann werde ich ihm fünf Prozent Anteil an der Spedition ALS übertragen - mit dem entsprechenden Gewinnanteil. Das haben wir alles klar notariell geregelt. Alle drei werden an die Führungsaufgaben sukzessive herangeführt, indem die Aufgaben- und Verantwortungsbereiche erweitert werden. Woher wussten Sie, dass Ihre Tochter, Björn Stein und Tobias Rahmann die Richtigen sind, Ihr Unternehmen fortzuführen? Dahlmann: Mir war es immer wichtig, Fachleute für unser Unternehmen zu verpflichten, die menschlich in unser Team passen. Und das passt bei allen dreien - fachlich und persönlich. Tobias kannte ich, wie gesagt, seit seiner Schulzeit. Für ihn sprach zudem sein duales BWL-Studium und dass er in einem Industriebetrieb gearbeitet hat. Er kennt die Kunden-Seite. Und für Björn sprach, dass er ausgebildeter Speditionskaufmann ist und in mehreren Speditionen gearbeitet hat. Entscheidend ist aber nicht nur, ob ein potenzieller Nachfolger Unternehmer sein kann, sondern es auch sein will. Immerhin übernehmen Sie viel Verantwortung. Wie bereiten Sie sich auf Ihre künftige Rolle vor? Björn Stein: Gegenfrage: Kann man sich auf die Rolle eines Chefs vorbereiten? Oder gibt es nicht sogar Leute, die sich zwar darauf vorbereitet haben, aber als Chef völlig ungeeignet sind? Ich sehe das Ganze eher als Entwicklungsprozess, in diese Rolle wächst man ein gutes Stück rein. Wobei Herr Dahlmann für mich da auch Vorbild ist, wie er Dinge vorlebt, zum Beispiel in puncto Arbeitseinstellung. Sie steigen damit aber auch vom Mitarbeiter zum Chef auf. Wie klappt das mit diesen? Stein: Hervorragend (lacht)! Aber im Ernst: das ist ein Prozess. Das passiert nicht von jetzt auf gleich. Das dauert einige Jahre, bis man sich in diese Rolle findet. Es mag die eine oder andere Situation geben, dass frühere Kollegen etwas anders mit einem umgehen. Hier bei uns ist es aber ein wenig wie Familie. Wir können streiten, ohne dass es zu Hass-Kommentaren kommt, und am Ende kommt - wenn jeder seine Meinung gesagt hat - etwas Gutes dabei heraus. Wie ist es, den eigenen Vater als Chef oder Vorgesetzten zu haben? Millentrup: Als ich noch zu Hause gewohnt habe, haben wir häufig über das Unternehmen gesprochen. Seit ich ausgezogen bin, ist die räumliche Trennung da. Wir haben aber kein Problem, bestimmte Themen oder Reibungspunkte offen anzusprechen. Da ist keiner beleidigt. Das ist bei uns positiv. Ansonsten ist unser Verhältnis nicht durch unseren Job negativ beeinflusst. Begegnen Sie sich auf Augenhöhe? Immerhin teilen Sie sich die Unternehmensführung bald mit der Tochter des Seniorchefs. Stein: Es gibt bei uns keine Bevorteilungen aufgrund von Familienzugehörigkeit. Punkt. Es gibt auch kein "hier der externe Mitarbeiter, dort das Familienmitglied". Wie wichtig sind überhaupt klare Regelungen zwischen dem Seniorchef und den Juniorchefs - gerade in der Übergangsphase? Rahmann: Solche klaren Absprachen sind elementar. Das gilt auch für die Trennung des Aufgabenbereichs, selbst wenn sich das in der Praxis manchmal überlappt. Trotzdem weiß jeder von uns um seine Stärken. Auf dieser Basis sprechen wir uns ab, und diese Absprachen werden eingehalten. Das ist auch Teil unseres Erfolgs, weil wir so kurzfristig, auf die Situation bezogen und schnell entscheiden können. Und wer hat, falls es hart auf hart kommt, den Hut auf? Sprich: Wer entscheidet? Dahlmann: Wenn eine unternehmerische Entscheidung wichtig ist, treffen wir diese immer gemeinsam, etwa bei Personal- und Investitionsthemen. Wir haben auch den Bau unseres neuen Lagers in Arnsberg-Voßwinkel gemeinsam entschieden. Für die speditionellen Themen sitzen wir meist vor dem eigentlichen Tagesgeschäft gegen 7.30 Uhr oder abends nach erledigter Arbeit zusammen, im Bedarfsfall auch auf Zuruf. Das ist keine Alleinstrategie. Man muss auch nicht immer einer Meinung sein. Das ist wie in der Ehe. Am Ende sollte man aber zu einem gemeinsamen Entschluss finden, der für das Team, die Kunden oder das Unternehmen der beste ist. Gab es schon Entscheidungen, bei denen Sie als Seniorchef lernen mussten, dass junge Leute anders entscheiden oder etwas anderes wollen als Sie? Dahlmann: Klar entscheiden junge Leute anders. Ich habe auch kein Problem, dass sie anders sind. Zumal ich immer Fußball gespielt und als Mitglied im Vereinsvorstand mit jungen Leuten zu tun habe. Klar, sind sie bei bestimmten Themen weiter als ich, etwa beim Computer. Aber man hilft sich gegenseitig. Und auf unsere Spedition bezogen, kann ich sagen: Letztlich haben wir alle das gleiche Ziel, wie wir sie nach vorne bringen und da die Mitarbeiter mitnehmen. Wir wollen ja weiter wachsen: Unser neues Logistikcenter, das in 2021 eröffnet wird, ist da ein wichtiger Schritt. Wie lange wollen Sie noch als Firmenchef an Bord bleiben? Dahlmann: Soeben habe ich meinen 56. Geburtstag gefeiert. Wenn es nach mir ginge, würde ich mit 60 Jahren kürzer treten. Dann kann ich auch mal Freizeit genießen. Natürlich stehe ich dann den jungen Leuten weiter beratend zur Verfügung, sofern sie es wünschen. Diese vier Jahre gehen aber schnell rum: Jetzt steht der Neubau unseres Lagers an, dann müssen wir noch gewisse Themen in der IT angehen. Und natürlich werden dann aus den vier Nachwuchsführungskräften Geschäftsführer. Das müssen wir auch regeln. Dann aber sind sie in der Verantwortung, und ich komme einmal in der Woche zum Kaffeetrinken (lacht). Wird Ihr Vater loslassen können? Millentrup: Ich denke schon, auch weil er das Ganze langfristig geplant hat. Er möchte ja die Verantwortung abgeben. Aber es sind noch viele Themen aus der allgemeinen Verwaltung, auf die ich mich jetzt sukzessive vorbereiten muss. Mehr zum Thema unter #Unternehmensführung" www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag Podcast In vielen Unternehmen und Familienbetrieben der Transport- und Logistikbranche steht in den nächsten Jahren ein Generationswechsel an. Doch viele Firmenchefs tun sich schwer, Nachfolger zu finden. Christoph Dahlmann, geschäftsführender Gesellschafter der Spedition ALS im südwestfälischen Arnsberg, hat sich für eine interessante Lösung entschieden: Er setzt nicht nur auf seine Tochter, sondern auch auf zwei langjährige Mitarbeiter. Mehr dazu im Podcast VerkehrsRundschau Funk.

Elektromobilität: Hamburg will Ladepunkte auf 10.000 erhöhen

Bürokratieentlastung: Bundesrat stimmt neuer Verordnung zu

Automobilzulieferer: Bosch will weitere Stellen streichen

A7 wird zeitweise gesperrt

Schwerpunktkontrollen: Viele Verstöße von Lkw und Bussen

Alle Schlagzeilen

"Wird Ihr Vater loslassen können?"

HASHTAG

#Unternehmensführung

Der Preis ist heiß

Wissen verbindet

Steuern sparen beim Stabwechsel

MEISTGELESEN

Emons Spedition siedelt sich am c-Port an

Duvenbeck übernimmt Sander Logistics

Who is Who Logistik: Themen und Trends für 2025

STELLENANGEBOTE

Koordinator (m/w/d) Intralogistik mit Teamleitungsfunktion

Head of Logistics (w/m/d) mit fundierter Erfahrung im internationalen Versand

Schichtleiter (w/m/d) Logistik - Warenausgang

Area HR Business Partner

Leiter (w/m/d) Logistik Teilbereich Warenausgang

WEITERLESEN

NEWSLETTER