„Wir zahlen faire Löhne“

Interview „Wir zahlen faire Löhne“ Mit Schuhen, Mode und schrägen Werbespots stieg Zalando binnen kürzester Zeit zu einer der führenden Online-Marken Deutschlands auf. Im Interview mit der VerkehrsRundschau spricht Geschäftsführer und Logistikchef David Schröder über die Logistik des Unternehmens. Glückwunsch! Vor gerade einmal vier Jahren wurde Zalando gegründet. Heute ist das Unternehmen eine der führenden Marken im Online-Handel und erwirtschaftete letztes Jahr fast eine halbe Milliarde Euro Umsatz. Verraten Sie uns Ihr Erfolgsgeheimnis? Geheimnisse sollten Geheimnisse bleiben (lacht). Aber Spaß beiseite, wir konzentrieren uns darauf, jeden Tag Kunden von unserem Angebot und Service zu überzeugen. Mit der Größe wächst allerdings auch das Medieninteresse. Das haben Sie unlängst mit der ZDF-Reportage am eigenen Leib gespürt, in der die miesen Arbeitsbedingungen und die niedrigen Löhne von Zalando angeprangert wurden. Der TV-Bericht hat uns nicht gefreut. Das ist klar. Er entspricht auch nicht dem, was wir bei Zalando anstreben. Unsere Mission ist es, ein guter Arbeitgeber für unsere Mitarbeiter zu sein. Egal, wo sie arbeiten – ob bei uns oder bei einem Dienstleister, der für uns die Pakete packt. Deshalb sind wir sofort nach dem TV-Bericht in das betroffene Lager gefahren, um uns selbst ein Bild zu machen. Die im Fernsehen gezeigten Toiletten-Container im Lager haben wir umgehend grundlegend reinigen lassen und eine Trockenmauer darum ziehen lassen. Zudem planen wir zusätzliche Sozialflächen. Darüber verhandelt unser Dienstleister Docdata derzeit mit dem Vermieter des Lagers in Brieselang. Bestimmte Kritikpunkte in dem TV-Bericht halten wir aber auch für ungerechtfertigt. Warum soll man mit seinen Mitarbeitern nicht Produktivitätsvorgaben durchsprechen dürfen? Das machen viele Firmen. Kritisiert wurde auch, dass Zalando seinen Mitarbeitern im Lager nur 7,01 Euro Stundenlohn zahlt. Werden Sie da nachbessern? Der Deutsche Gewerkschaftsbund fordert einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro. Wir haben verschiedene Lagerstandorte in Brieselang, in Erfurt und eben in Großbeeren, über den es im TV-Bericht ging. Brieselang und Erfurt laufen in Eigenregie. Dort erhalten unsere Beschäftigen einen Einstiegs-Stundenlohn von 8,53 Euro. Großbeeren wird dagegen von unserem Logistikpartner Docdata betrieben. Diesem zahlen wir faire Entgelte für den Logistikservice, den er für uns erbringt, haben aber keinen direkten Einfluss auf die Personalpolitik. Zahlt Ihr Dienstleister Docdata faire Löhne? Den im TV-Bericht genannten Stundenlohn 7,01 Euro erhalten nur die Mitarbeiter von Zeitarbeitsfirmen, die Docdata in Großbeeren einsetzt. Docdata selbst zahlt seinen Mitarbeitern im Schnitt rund 15 Prozent mehr. Wobei ich die Debatte, die nun um die Entgelte geführt wird, nicht ganz nachvollziehen kann. Der gesetzliche Mindestlohn für Mitarbeiter in Zeitarbeitsfirmen liegt bei 7,01 Euro. Und dieser wurde so von den Gewerkschaften und den Zeitarbeitsfirmen ausgehandelt. Natürlich ist das kein Spitzenlohn, aber es ist ein Lohn in den marktüblichen und gesetzlichen Grenzen. Daher sehen wir hier weniger Handlungsbedarf. Kann sich Zalando überhaupt höhere Entgelte leisten? Angeblich soll Ihr Unternehmen rote Zahlen schreiben. Es ist richtig, dass wir in das internationale Wachstum unseres Geschäftes kräftig investieren und daher Anlaufverluste in Kauf nehmen. Dies geschieht jedoch stets aus dem Kalkül heraus, dass diese Investition langfristig Früchte trägt. Wir wollen aber nicht auf Kosten unserer Mitarbeiter wachsen. Daher zahlen wir an allen unseren Standorten in Berlin, Brieselang, Erfurt und Dortmund faire Löhne und werden dies auch weiterhin tun. Ihre Kunden achten ja nicht nur auf das Image Ihrer Marke, sondern auch auf das Thema Schnelligkeit. „Heute bestellt – morgen geliefert“ ist ja im Online-Geschäft heute ein Muss. Vor welche Herausforderungen stellt Sie das in der Logistik? Je größer wir werden, desto größer wird diese logistische Herausforderung für uns. Anfangs hatten wir noch zehn Bestellungen am Tag. Da ist es noch leicht, dem Kunden zu garantieren, dass er seine Pakete am Folgetag zugestellt bekommt. In dieser Größenordnung schafft man das zur Not noch selbst, und bei 20 Paketen hilft der Kollege. Schwieriger wird es, wenn es mehrere Zehntausend Pakete täglich werden. Dann kann man auf Schwankungen im Bestellverhalten nicht mehr so schnell reagieren. Unser Geschäft hängt eben extrem vom Wetter ab. Regnet es, haben wir mehr Bestellungen. Scheint die Sonne, gehen die Menschen lieber ins Schwimmbad oder shoppen. Und genau diese Schwankungen muss die Logistik ausgleichen können. Gleichzeitig müssen wir schnell lieferfähig sein. Wie schaffen Sie diesen Spagat in der Logistik? Es ist eine Mischung aus guten Prozessen und guter Organisation im operativen Geschäft. Über allem steht das Ziel, Prozesse so schnell wie möglich zu machen. Während manche Versandhändler nur einmal am Tag ihre Aufträge an ihr Lagersystem übermitteln, melden wir jeden Auftrag sofort live an unser Lagerverwaltungssystem. Sobald die Kundenbestellung in unserem System ist und der Kunde per Kreditkarte bezahlt hat, wird dieser Auftrag also an unser Lagersystem gesandt. So verschenken wir nicht unnötig Zeit. In unserem Lager wird die bestellte Ware sofort gepickt und zum Paket verpackt. Zudem haben wir in unserem Lager eine sehr cut-off-orientierte Steuerung. Die Länder, in denen Pakete schnell raus müssen, werden sofort abgearbeitet. Pakete für Deutschland müssen zum Beispiel spätestens bis 19 Uhr gepackt werden, nur dann kann DHL sie für uns am Folgetag deutschlandweit zustellen. Vormittags und nachts packen wir dagegen die Pakete ins Ausland. Durch diese Steuerung aller Kundenaufträge nach Cut-offs können wir für jedes Land die schnellstmögliche Auslieferung der Produkte sicherstellen. Wie läuft bei Zalando der typische Logistikprozess ab? Mehrere Monate vor der eigentlichen Saison bestellen wir die Ware bei unseren Lieferanten, die diese uns zu Saisonbeginn mit ihrer eigenen Logistik zustellen. Wir nehmen diese Produkte bei uns dann auf Lager und verkaufen zu über 95 Prozent Ware, die bei uns gelagert ist. Außerdem können seit einigen Monaten ausgewählte Lieferanten und Händlerpartner auf unserer Online-Plattform selbst ihre Produkte vertreiben. Diese Waren liefern sie dann nicht mehr zu uns aufs Lager, sondern versenden sie direkt an unsere Kunden. Dieses Partner-Programm befindet sich aber erst im Aufbau. Wie viele Artikel haben Sie auf Lager, und wie viele Pakete verlassen täglich Ihre Läger – in regulären und in Peak-Zeiten? Wir verschicken täglich mehrere Zehntausend Pakete. In Spitzenzeiten sind es doppelt so viele; in schwachen Zeiten, wie an heißen Sommertagen und zu Saisonbeginn, ist es weniger. Und pro Saison – das sind bei uns sechs Monate – haben wir über 100.000 unterschiedliche Artikel von über 1000 Marken in unserem Sortiment. Über eine solche Vielfalt verfügt kein stationärer Händler. Wie lange ist bei Ihnen im Schnitt die Lagerverweildauer, und welche Cut-off-Zeiten haben Sie? Die Lagerverweildauer ist unser Geschäftsgeheimnis (lacht). Dazu nur so viel: Wir drehen unseren Lagerbestand mehrmals in der Saison. Wir haben aber eine sehr kurze Lagerverweildauer. Unsere Cut-off-Zeiten sind unterschiedlich. In Deutschland können Kunden bis 14 Uhr bestellen, wir übergeben das Paket noch am selben Tag an Deutsche Post DHL, die es am Folgetag den Kunden zustellt – abgesehen von wenigen Ausnahmen im Süden Deutschlands. Dieser Service gelingt uns zwar nicht in Spitzenzeiten, aber unser Standardservice sieht diesen Liefergrad vor. Im europäischen Ausland sind die Lieferzeiten aber meist länger. Welches Unternehmen in der Logistik ist Ihr Vorbild und warum? Wer setzt in der Logistik in Ihrer Branche die Standards? Amazon? Es gibt viele Unternehmen, von denen wir lernen. Diese stammen sowohl aus dem Handel als auch aus dem Automobilbau und Maschinenbau. Zudem lassen wir uns von unseren Lieferanten und Dienstleistungspartnern beraten. Wir sind immer bemüht, innovative Ideen aufzunehmen, ihr Potenzial für uns zu analysieren und – sofern sinnvoll und möglich – bei uns zu adaptieren. Gleichzeitig haben auch unsere Mitarbeiter in den vergangenen Jahren zahlreiche eigene Verbesserungsideen entwickelt, auf die wir sehr stolz sind. Zählt die Logistik überhaupt zur Kernkompetenz von Zalando? Auf jeden Fall! Das war aber nicht immer so. Als wir gestartet sind, haben wir relativ bald alle logistischen Aufgaben an Dienstleister übertragen, weil wir das dafür notwendige Know-how nicht hatten und die dafür nötige Infrastruktur nicht schnell genug aufbauen konnten. Inzwischen haben wir uns aber bewusst dafür entschieden, viele logistische Aufgaben wieder in Eigenregie zu machen. Wir betreiben zum Beispiel das Lager in Brieselang selbst und ab 2013 das Lager in Erfurt. Wenn Erfurt am Start ist, machen wir also 75 Prozent unserer Logistikaufgaben im Fulfillment-Bereich selbst, weil wir glauben, nur so unseren Kunden den bestmöglichen Service bieten zu können und gleichzeitig effizient zu wirtschaften. Welche Aufgaben vergibt Zalando an externe Logistikdienstleister und warum? Im Transportgeschäft haben wir überhaupt keine eigenen Ambitionen. Wir wollen kein Paketdienstleister werden. Da vertrauen wir DHL und anderen Postgesellschaften, mit denen wir international zusammenarbeiten. Die beherrschen das Geschäft seit vielen Jahren und verfügen über die notwendigen logistischen Netze. Zudem bewirtschaftet das Logistikunternehmen Docdata unser Lager in Großbeeren. Last but not least arbeiten wir mit der Fiege Gruppe. Fiege betreibt für uns mehrere Retouren-Standorte in Deutschland, Frankreich und der Schweiz. Insgesamt verfügen wir über sechs Retouren-Center – jeweils in Deutschland, Frankreich, England, Schweiz und in Italien. Apropos Retourenquote. Wie hoch ist die bei Ihnen? Das möchten alle gerne wissen, fällt aber unter die Kategorie Betriebsgeheimnis. Angeblich soll sie bei 70 Prozent liegen. Die genaue Zahl werden wir nicht nennen. Es ist aber kein Geheimnis, dass der Modebereich im Versandhandel die höchste Retourenquote hat. Wir sind davon genauso betroffen wie unsere Wettbewerber auch. Was bedeutet diese hohe Retourenquote für Sie logistisch? Man kann Retouren immer nur minimieren, nie vermeiden. Umso wichtiger ist es, dass wir die logistischen Prozesse der Retouren sauber hinbekommen. Sprich: unser Ziel ist es, die Retouren unserer Kunden möglichst schnell zu erfassen, die rückversandten Artikel wieder sauber aufzubereiten, damit wir diese schnellstmöglich wieder in den Verkauf bringen. Es gibt nichts Schlimmeres, als Ware nicht mehr weiter verkaufen zu können oder wenn diese lange in Prozessen hängt. Das alles drückt natürlich auf unseren Ertrag. Aber letztlich gehören Retouren zu unserem Geschäftsmodell – wie bei jedem Versandhändler. Diese Kosten kalkulieren wir entsprechend ein. Können Sie sich vorstellen, weitere logistische Services an Dritte outzusourcen? Im Gegenteil: Wir wollen mehr selbst machen! Logistik ist für uns wichtig. Das ist unser großer Wettbewerbsvorteil. Zudem stellten wir an unserem Logistikstandort Brieselang fest, dass wir dort erfolgreich arbeiten. Sowohl auf der Leistungs- als auch auf der Kostenseite. Jeder Dienstleister muss ja auch Geld verdienen. Wir dagegen wollen nichts mit unserer Logistik verdienen, sondern nur mit unserem Handelsgeschäft. Und im Handel sind die Gewinnmargen nicht so hoch wie in Technologiekonzernen. Daher muss man sich hier genau überlegen, auf welche Marge man verzichtet. Andererseits bleiben Sie auf den Fixkosten hängen, wenn Sie die Logistik in Eigenregie erbringen. Gerade in Ihrem schwankungsreichen Geschäft ist das nicht von Vorteil. Das ist klar! Andererseits erbringen Logistikdienstleister diese Flexibilität auch nicht kostenlos. Wenn ein Dienstleister rechnen kann, wird er uns diese Flexibilität nicht günstiger anbieten können als wir diese selbst schaffen. Denn ab einer bestimmten Größenordnung des Auftraggebers stößt auch ein Dienstleister da an seine Grenzen. Wie soll er für uns Kostenvorteile herausholen, wenn er unsere Mengen im Lagergeschäft nicht mit den Mengen anderer Kunden bündeln und kombinieren kann? Und das kann er deshalb nicht, weil wir zu viel Mengenvolumen haben. Zumindest nicht zu dem Preis, den wir bereit sind, zu zahlen. Also machen wir die Logistik selbst. Was ist für Sie da der wichtigste logistische Trend? Das E-Commerce-Geschäftsmodell wird immer paneuropäischer. Sprich: Immer mehr Versand- und Onlinehändler fokussieren nicht mehr nur auf Deutschland, sondern auf ganz Europa. Hier wird sich die Spreu vom Weizen trennen. Nur wem es im Onlinehandel gelingt, europaweit ein tragfähiges Geschäftsmodell aufzubauen, hat eine Zukunft – natürlich mit entsprechenden Herausforderungen in der Logistik. Haben Sie schon eine Idee, wie Ihr Logistiknetz in Europa aussehen wird, um dieses Geschäftsmodell zu realisieren? Das zentrale Hub unseres Europanetzes wird auf jeden Fall unser neues Logistikzentrum in Erfurt, das 2013 ans Netz gehen soll. Von dort aus können wir dann in 14 europäische Länder in 24 bis 48 Stunden verschicken. Zudem ist das zentrale Luftfracht-Hub von DHL in Leipzig ganz in der Nähe. Von Erfurt können wir also auch internationalen Kunden künftig Express-Services anbieten. 2011 haben Sie einen Umsatz von 510 Millionen Euro erwirtschaftet. Werden Sie dieses Jahr die Umsatz-Milliarde knacken? Wir entwickeln uns weiter sehr positiv, aber den Umsatz kann ich heute unmöglich vorausahnen. ❙❚■ Eva Hassa Er managt das rasante Wachstum von Zalando im In- und Ausland logistisch: David Schröder Will die Logistik nicht outsourcen, sondern stärker insourcen: Zalando-Logistikchef David Schröder Interview Vita David Schröder David Schröder wurde 1982 in Frankfurt/Main geboren. Nach seinem Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Wissenschaftlichen Hochschule für Unternehmensführung (WHU) war er Fellow Senior Associate bei der Unternehmensberatung McKinsey. Seit Juli 2010 ist Schröder Geschäftsführer der My-Brands Zalando eLogistics GmbH in Berlin. eh Interview Daten + Fakten Zalando Zalando ist eine der führenden Marken im Onlinehandel und fokussiert sich auf den Vertrieb von Schuhen und Modeartikeln. Das Unternehmen wurde 2008 von David Schneider und Robert Gentz in Berlin mit Investorenkapital der drei Brüder Marc, Oliver und Alexander Samwer gegründet. Zehn Prozent der Anteile werden heute von Tengelmann Ventures gehalten. Im letzten Jahr erwirtschafteten über 1000 Mitarbeiter des Unternehmens einen Nettoumsatz von 510 Millionen Euro. Die Lagerstandorte liegen in Großbeeren (25.000 m²), Brieselang (25.000 m²), Erfurt (75.000 m²) plus Erweiterung (45.000 m²) und in Mönchengladbach (75.000 m²). Zalando verfügt pro Saison über mehr als 100.000 Produkte und arbeitet in der Regel im Zwei-Schicht-Betrieb, in Boomzeiten im Drei-Schicht-Betrieb. Aktuell ist Zalando in 14 Ländern tätig: Deutschland, Österreich, Niederlande, Frankreich, Italien, Großbritannien, Schweiz, Schweden, Belgien, Spanien, Dänemark, Finnland, Polen und Norwegen. eh Die Zentrale von Zalando in Berlin Interview

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