"Wir müssen jetzt rechnen, viel rechnen"

Ende 2017 war die Welt für viele Stückgutspeditionen noch in Ordnung. Das abgelaufene Jahr war zwar umtriebig gewesen. Andererseits hatte der wirtschaftliche Boom den Unternehmen ordentlich Sendungsmengen in die Netze gespült. Und ein Ende dieses Aufschwungs war und ist nicht in Sicht. Mittlerweile herrscht in vielen Stückgutspeditionen aber blankes Entsetzen. Grund dafür ist eine dramatische Kostenwelle, die auf die Branche zurollt. So sind allein im zweiten Halbjahr 2017 die Kosten für die Abwicklung einer Stückgutsendung um 7,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gestiegen, zitiert Manuel Schwichtenberg, Projektleiter vom Steinbeis-Beratungszentrum Forwarding and Logistics Center (Forlogic) in Frankfurt am Main Zahlen aus dem jüngsten DSLV-Index, der im Mai veröffentlicht wurde. Größter Kostentreiber in den Unternehmen seien ganz klar die Personalkosten, sagt er, vor allem aufgrund des Mangels an qualifizierten Berufskraftfahrern sowohl im Fernverkehr als auch im regionalen Verteilerverkehr der Stückgutnetze. "Dies ist der bislang höchste Kostenanstieg seit Beginn der Erhebungen und der ersten Veröffentlichung des DSLV-Kostenindex im Herbst 2015", kommentiert Schwichtenberg die Zahlen. Er muss es wissen. Denn seit 2015 erstellen er und Professor Dirk Lohre im Auftrag des Deutschen Speditions- und Logistikverbandes (DSLV) den DSLV Kostenindex Sammelgutspedition, der die Entwicklungen sämtlicher Kostenarten für den Abwicklungsprozess einer Sammelgutsendung im Jahresvergleich abbildet. An den Daten-Erhebungen sind annähernd 100 Depots von Stückgutnetzen und Speditionskooperationen beteiligt. Namentlich zu nennen sind hier 24plus, CargoLine, Emons, Honold, IDS, ILN, Online Systemlogistik, Schenker Deutschland, VTL und Zufall. Kostendruck geht an die Substanz "So eine massive Kostenerhöhung wie im zweiten Halbjahr 2017 habe ich noch nicht erlebt", sagt auch Michael Bargl, Geschäftsführer der Stückgutkooperation IDS Logistik in Kleinostheim. Da sei sehr viel zusammen gekommen. So seien die Sendungsmengen in 2017 sehr hoch gewesen. Gleichzeitig hätten Kapazitäten gefehlt, weil etliche Betriebe aus dem Markt geschieden waren, und insbesondere der Fahrermangel habe vielerorts die Entgelte und damit die Kosten der Unternehmen deutlich erhöht, führt Bargl. aus. Und diese Entwicklung halte weiter an. "Wer darauf jetzt nicht reagiert und seine Preise entsprechend erhöht, lebt gefährlich. Das geht schnell an die Substanz einer Firma", warnt der IDS-Geschäftsführer. "Keiner kann sich acht Prozent Kostensteigerung leisten. Das geht nicht." Preisgespräche halten Branche in Atem Erschwerend kommt laut Bargl zum 1. Juli 2018 die Maut-Ausweitung auf Bundesstraßen hinzu. Allein dadurch erhöhen sich die mautpflichtigen Strecken von heute 15.000 auf 55.000 Kilometer. "Das ist mehr als 2,5 Mal so viel wie heute und trifft natürlich vorwiegend unseren Nahverkehr." Wie IDS diese Mehrkosten auf die Kunden umlegen wird, ermittelt die Stückgutkooperation derzeit. Fest steht bislang nur, dass insbesondere kleinere und niedrig-gewichtigere Sendungen, die vorwiegend im Wachstumsfeld B2C anzutreffen sind, anteilig stärker von der Mautausweitung betroffen sein werden, weil der Gesamterlös einer schwer-gewichtigeren Sendung höher und damit der Mautanteil geringer ist. Alles in allem rechnet laut Bargl durch die Mautausweitung zum 1. Juli 2018 mit 2,5 Prozent Mehrkosten. "Und mit diesem Angebot gehen die Vertriebsmitarbeiter unserer IDS-Partner an unsere Kunden - wir treiben mit der Maut ja quasi eine Steuer für den Bund ein", kündigt der IDS-Geschäftsführer an. Lediglich das Thema steigende Dieselpreise sieht Bargl vorerst gelassen, da man hier mit fast allen Kunden Dieselfloater vereinbart habe: "Das ist eingepreist. Allerdings machen die steigenden Dieselpreise für uns die Suche nach Transportpartnern im Nahverkehr sicher nicht einfacher", fürchtet er. Bleibt schlussendlich die neue Lkw-Maut zum 1. Janaur 2019: "Wir haben also permanent Themen, die wir unseren Kunden verargumentieren müssen. Unser Vertrieb hat bei uns Hochkonjunktur." Die Stückgutkooperation ILN arbeitet ebenfalls an der Frage, wie man zum 1. Juli 2018 die anstehende Mautausweitung in allen 85.000 Postleitzahlengebieten in Deutschland einpreisen will, berichtet ILN-Geschäftsführer Alexander Bauz. Die von Forlogic ermittelten Zahlen mit durchschnittlich 205 Kilometer und 14 Stopps auf einer Nahverkehrs-Tour seien da nur eine erste Richtschnur, erklärt er. Denn letztlich hingen die tatsächlichen Mehrkosten durch die Mautausweitung stark vom Standort ab. "Hat ein Betrieb zum Beispiel 80 Kilometer Nachlauf, fährt er naturgemäß mehr und ist stärker von der Maut betroffen - bei gleichzeitig weniger Stopps", führt Bauz aus. Das treffe die großen Metropolen wie Berlin, Hamburg und München stärker. Hier setze ILN an und überarbeitet dafür seinen Vor- und Nachlauf-Tarif. "Anders können das unsere Partner im Nahverkehr nicht mehr stemmen, die hatten ja schon im vergangenen Jahr massive Mehrkosten durch die gestiegenen Fahrerlöhne zu verkraften", sagt Bauz. Der größte Kostenschub kommt noch Der weitaus größte Kostenschub sieht Bauz aber erst noch kommen: das sind die neuen Lkw-Mautsätze zum 1. Januar 2019. "Das wird für die Spediteure richtig heftig", meint er. Auch hier sei ILN wie im Moment jedes Unternehmen am Tüfteln, wie diese neuen Maut-Sätze künftig den Kunden eingepreist werden. "Um diese massiven Erhöhungen halbwegs aufzufangen, hilft nur eines: Wir müssen jetzt rechnen, viel rechnen und mit unseren Kunden sprechen", bringt Bauz die Stimmung im Gewerbe auf den Punkt. Noch steht bei ILN die konkrete Höhe der Preisanhebung nicht fest. Klar sei aber: "Die Preisgespräche mit unseren Kunden und Frachtführern werden unsere gesamte Branche in diesem Jahr massiv in Atem halten." Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Stückgut www.verkehrsrundschau.de/dossiers

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