Stuttgart. Will er Verkehrsminister bleiben - trotz alledem? Für Winfried Hermann (Grüne) ist das keine Frage. Er will weitermachen, sofern es Grün-Rot bei der Wahl am 13. März 2016 noch einmal an die Regierung schafft. „Wir haben in den fünf Jahren viel bewegt und viel Neues angestoßen und wollen das in Richtung Nachhaltigkeit weiterführen”, gibt er eine nüchterne Erklärung.
Dabei hat wohl kaum ein anderer Minister in der Landesregierung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) so viel einstecken müssen wie Hermann. Die Gegner des Bahnprojektes Stuttgart 21 bezeichneten ihn als Verräter, nachdem die Befürworter einen Volksentscheid für sich entschieden und Hermann das Projekt umsetzen muss, obwohl er selbst jahrelang dagegen war. Auch für die Opposition ist der 63-Jährige der Buhmann schlechthin. Angriffe auf Kretschmann kommen bei den Bürgern nicht gut an. Das hat die CDU schon lange erkannt und attackiert auch deswegen lieber den Verkehrsminister.
Bei Grünen-Parteitagen bekommt Hermann regelmäßig den stärksten Applaus unter den Ministern. Doch auch innerhalb der Landesregierung musste Hermann schon das eine oder andere Mal klein beigeben: Lange sperrte er sich gegen den auch von der baden-württembergischen Industrie favorisierten Feldversuch mit sogenannten Gigalinern. Ende März 2015 wurde dann doch eine Teilnahme beschlossen - auf Druck des wirtschaftsfreundlichen Ministerpräsidenten, wie es hieß.
Der einzig grüne Linke in der Landesregierung
Hermann, der für das Ministeramt sein Bundestagsmandat aufgab, ist der einzige grüne Linke in der Landesregierung, aber kein Rebell. „Mit der Regierungsübernahme war sowohl den Realos als auch den Linken klar, dass man die Verantwortung nur gemeinsam erfolgreich tragen kann”, deutet er die Zwänge an, denen er als Ressortchef unterworfen ist. Im Übrigen hätten sich die Linken bei den Grünen spätestens seit dem Parteiaustritt von Jutta Ditfurth 1991 auf einen pragmatischen Kurs verständigt. „Deswegen muss ich manchmal lachen, wenn jemand die Linken als Fundis bezeichnet”, sagt der frühere Lehrer mit dem Knopf im linken Ohrläppchen.
Seine Verkehrspolitik bezeichnet er als „extrem pragmatisch”. Im Autoland Baden-Württemberg haben die Grünen längst ihren Frieden mit der Autobranche gemacht. Hermann rühmt sich damit, den Sanierungsstau abgebaut und mehr Straßen gebaut zu haben als jeder CDU-Minister vor ihm, mit Ausnahme des Jahres 2009. Für eine Überraschung sorgte Hermann, als sein Ministerium die Deutsche Bahn bei der Ausschreibung für den Betrieb der durch Stuttgart führenden Schienennetze leer ausgehen ließ - wegen eines Verstoßes gegen die Mindestkriterien.
Ein Fehler hängt bis heute nach
Ein Fehler hängt ihm aber bis heute nach: Als Hermann Ende 2013 im Ausland weilte, behauptete die CDU, sein Haus habe rund 100 Millionen Euro an Bundesmitteln für den Straßenbau verschmäht. Die Nachricht fand weite Beachtung und nährte den ohnehin seit langem schwelenden Verdacht, dass der passionierte Radfahrer Hermann kein Faible für den Straßenbau habe. Sein Ministerium ließ die Behauptung lange unwidersprochen. Später räumte es ein, dass 15 Millionen nicht verbaut wurden und deshalb an den Bund zurückgegeben werden musste. Auch profitierte das Land damals nicht vom „Dezemberfieber-Geld”, das der Bund kurzfristig aus dem Topf ungenutzter Mittel verteilt.
Die CDU hält ihm das bis heute vor und lässt insgesamt kein gutes Haar an Hermann. Verkehrsexpertin Nicole Razavi meint zu seiner Bilanz: „Fortschritte gab es nur dort, wo der Bund entschieden und bezahlt hat, zum Beispiel beim Neubau der Bundesfernstraßen.” Und Fortschritte habe es allenfalls noch bei Projekten gegeben, die von der CDU-geführten Vorgängerregierung begonnen worden seien. Razavi wird nachgesagt, selbst auf den Ministerposten zu spekulieren - falls die CDU im März die Landtagswahl gewinnt. (dpa/sno)