"Wie kleine Götter"

Rote Rüschenjacke, offenherzig getragenes schwarzes Kleid, High Heels: So tauchte Dorothee Bär bei ihrem Besuch der Redaktion der VerkehrsRundschau im Verlag Heinrich Vogel auf. Ihre Weiblichkeit trägt die parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesverkehrsminister wie immer selbstbewusst zur Schau und bewegt sich damit souverän in gleich zwei Männerwelten: als Logistikbeauftragte in der Transportbranche und als Politikerin in der CSU. Auf Einladung der Chefredaktion schaute Bär Mitte Juli in den Münchner Redaktionsräumen der Schwesternzeitschriften VerkehrsRundschau und Trucker vorbei, um sich ein Bild davon zu machen, wie die Magazine entstehen, die die Verkehrspolitikerin berufsbedingt natürlich liest, wie sie bei dem Besuch versicherte. Welche Titelbilder sich auf dem Trucker am besten verkaufen, fragt Bär und stößt sich auch nicht an der eher scherzhaft gemeinten Antwort, dass es wohl nach wie vor leicht bekleidete Frauen seien. Sie sei schließlich in der CSU sozialisiert. Aber nicht nur Bär durfte ihre Fragen zu den Zeitschriften loswerden. Ihrem Berufsethos entsprechend, nutzten die Redakteure die Gelegenheit, um Fragen zur aktuellen verkehrspolitischen Situation loszuwerden. Im Zentrum des Interesses: die Ausweitung der Lkw-Maut und die Arbeit mit den Verbänden. Maut: Einheitliche Tarife Die Nutzung von Bundesstraßen soll Güterverkehrsunternehmen ab 1. Juli 2018 nicht mehr kosten als die Nutzung von Bundesautobahnen. Bei der Lkw-Maut werde es nach der geplanten Ausweitung keine Differenzierung geben, versprach Bär während des Redaktionsbesuchs. Das Ziel des Bundesverkehrsministeriums seien einheitliche Mautsätze für alle Straßen, sagte sie. "Wir wollen Speditions-, Transport- und Logistikbetriebe nicht unnötig belasten". Bei der Ausgestaltung der künftigen Infrastrukturfinanzierung sei es ihrem Ressortchef Alexander Dobrindt (CSU) wichtig, dass sie niemanden benachteiligten und dass sie Akzeptanz fänden. Nach der Rechnung des Bundesverbandes Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) müsste die Lkw-Maut für Bundesstraßen jedoch bis zu drei Mal höher ausfallen als die für Bundesautobahnen. Auch der Deutsche Speditionsund Logistikverband (DSLV) hatte nach dem Beschluss der Ausweitung im Frühjahr eindringlich vor unterschiedlichen Lkw-Maut-Sätzen gewarnt. Diese würden "zu einer Wettbewerbsverzerrung zwischen autobahnnah und autobahnfern angesiedelten Wirtschaftsräumen führen". Unternehmerische Standortentscheidungen für den ländlichen Raum würden damit infrage gestellt, hatte auch der Bundesverband Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL) moniert. Neue Wege bei Mautharmonisierung gehen Offen zeigte sich Bär für Gespräche, wie sich ein Teil der Mehreinnahmen durch die Lkw-Maut-Ausweitung in zusätzliche Förderprojekte für die Güterverkehrsbranche investieren lässt. Im Rahmen der Mautharmonisierung stehen derzeit bis zu 450 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung. "Wir hoffen auf Vorschläge von Speditions-, Transport- und Logistikunternehmen, wie man der Branche sinnvoll etwas von dem Geld zugutekommen lassen kann." Zwar werde es nicht einfacher, Programme auf den Weg zu bringen, weil die EU-Kommission in Brüssel und der Bundesrechnungshof in Bonn deren Ausgestaltung inzwischen kritisch begutachteten. "Wir erhalten aber auch wenige kreative Vorschläge für weitere Entlastungsmöglichkeiten", betonte Bär. Eine Anspielung auf die Arbeit der Interessenverbände des deutschen Transport- und Logistikgewerbes? Als das Thema Verbände beim Besuch von Staatssekretärin Dorothee Bär bei der VR-Redaktionskonferenz auf die Agenda kommt, kann sie sich Kritik nicht verbeißen: "Manche der Herren fühlen sich wie kleine Götter ..." und weiter "... in hauptamtlichen Positionen mehr als in nebenamtlichen." Weiter spricht sie von einer "Sender-Empfänger-Problematik". Auf Nachfrage zeigen sich mehrere Aspekte, wie sie zu diesem nicht gerade positiven Urteil kommt. "Da wird viel hinten herum operiert", wie Dorothee Bär anmerkt. Dabei würden die handelnden Personen völlig vergessen, dass auch die Politiker miteinander sprächen, es also zwangsläufig offenbart werde, wenn man bei Gesprächspartner A eine andere Meinung oder Forderung vertrete als bei Gesprächspartner B - oder wenn zwei Verbandsvertreter gegenüber demselben Politiker unterschiedliche Meinungen zum gleichen Thema verträten. "Letztlich tut sich damit niemand einen Gefallen", wie Bär resümiert: Durch Querelen untereinander schwäche man die eigene Position und die Position des Gewerbes. Und am Ende verliere man massiv an Einfluss. Als Tipp gibt sie den Angesprochenen mit auf den Weg: "Der VDA ist ein Positivbeispiel. Da klappt das ganz gut. Da wird vorher überlegt, welches gemeinsame Ziel man verfolgt." Alles andere würde nach Ansicht der Staatssekretärin ohnehin nur unnötig Kraft kosten und man würde zu viel Zeit und Energie verschwenden. "Man sollte Eitelkeiten beiseitelassen, dann wäre man erfolgreicher." Den Verlust an Erfolg und Einflussnahme merkt vor allem der BGL gerade am eigenen Leib. Der nach eigenem Bekunden stärksten Interessenvertretung des Straßentransportgewerbes geht es derzeit wie Europa: Die Mitglieder oder besser gesagt die Mitgliedsverbände sind unzufrieden. Die Rolle der Briten in der EU übernahmen in der Verbandswelt jüngst unter anderem die Landesverbände von Schleswig-Holstein und Thüringen. Der Austritt des Verbandes Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (VGL) Schleswig Holstein ist schon einige Monate her, belegt aber die akuten Probleme. Vorausgegangen war dem Austritt eine vom BGL beschlossene Beitragserhöhung. Nun kann man trefflich darüber streiten, ob und warum Verbandsarbeit nicht auch mehr kosten darf. Aber offensichtlich haben die Mitglieder des VGL nicht das Gefühl, für ihren Beitrag ausreichend Gegenleistung zu bekommen - zumindest aber hatten sie das Gefühl, gegenüber Landesverbänden anderer Bundesländer benachteiligt zu werden. Also empfahl Peter Boyens, Vorsitzender des VGL-Vorstandes, seinen Mitgliedern den folgenschweren Schritt. "Unsere Entscheidung im Vorstand ist einstimmig beschlossen worden", kommentierte Boyens damals gegenüber der VerkehrsRundschau. BGL droht an Einfluss zu verlieren Die weißen Flecken in den Ländern nehmen zu: Schleswig-Holstein tat es Thüringen und Sachsen gleich, Sachsen Anhalt droht gerade, der nächste Landesverband zu sein, der austritt. Aus dem einst stolzen BGL ist ein Lobbyverein mit aktuell nur noch 7000 Mitgliedern geworden. Aber weniger Mitglieder heißt dann eben auch weniger Einfluss, Erfolg und damit auch weniger Bedeutung. Was aber in der Nachbetrachtung noch viel wesentlicher ist: Der damalige Vorschlag des VGL an den BGL sah auch strukturelle Veränderungen vor. So forderten die Schleswig-Holsteiner eine engere Zusammenarbeit mit anderen Bundesverbänden - etwa dem Deutschen Speditions- und Logistikverband (DSLV), um Synergien zu schöpfen und Kosten zu sparen. Dass in dem Zusammenhang der DSLV nach Vorbild des von Dorothee Bär gelobten VDA eher mit einer Stimme spricht, liegt sicher an der Grundstruktur. Wobei man auch dort nicht ganz so flott vorankommt wie vielleicht erhofft. So sollte eine Fusion die Zahl der dort organisierten Landesverbände reduzieren, was aber wegen des Vetos von Hessen und Rheinland-Pfalz nicht geklappt hat. Dennoch scheinen sich die im DSLV vertretenen Mitglieder - aktuell rund 3000 unter anderem aus den Bereichen Wirtschaft, Verkehr, Logistik und KEP - eher grün zu sein, als es so manche im BGL organisierten Speditionen sind. Nun darf man allerdings nicht vergessen, dass auch der BGL seine Erfolge vorzuweisen hat. Ohne Karlheinz Schmidt und seine Mitstreiter stünde es äußert schlecht um die Themen Harmonisierung und Mautklage. Sich auf erworbenen Lorbeeren auszuruhen, kann sich der BGL allerdings nicht erlauben. In dem Sinne wollte die Redaktion der VerkehrsRundschau von Dorothee Bär wissen, was sie den Verbänden vorschlägt, um künftig erfolgreich "Politik zu machen". "Ich kann da keine schlauen Tipps geben, wer sich mit wem an den Tisch setzen sollte", reflektiert die Bundestagsabgeordnete. "Ich sähe es auch nicht gern, dass uns jemand sagt, wir sollen uns besser mit der CDU verstehen." Dennoch meint sie, dass gemeinsame Bullets schon mal ein erster Schritt wären. Zudem hätte sie in ihrer politischen Karriere gelernt, dass man es nie allen Recht machen könne. "Man kann höchstens versuchen es möglichst vielen Recht zu machen." Und als Rat schiebt sie ein bekanntes Sprichwort hinterher: "Das Kind, das am lautesten schreit, wird zuerst gefüttert." Von der Redaktion auf eine Verbandsfusion angesprochen, überlegt sie kurz und meint dann, dass sie es nicht schlimm fände, wenn Macht gebündelt wäre. "Macht ist per se nichts Schlechtes, wenn man sie gut nutzt!" Und auf die Frage, wie sie einen Artikel zum Thema Verbände und Fusionen ausrichten würde, kommt ein klares Statement: "Ich würde den Beitrag positiv aufsetzen. Was könnte man mit einem Superverband - wenn es denn einen gäbe - alles erreichen. Was wäre wenn? Man muss es nur so darstellen, dass Plus mal Plus ein Superplus ergäbe - und eben kein Minus". Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Dorothee Bär www.verkehrsrundschau.de/dossiers Redaktionskonferenz Dorothee Bär liefert Tipps "Das sind ja Sprüche wie im CSU-Parteivorstand", bemerkte Dorothee Bär beim Besuch der Redaktionskonferenz der VerkehrsRundschau. Marketing-Referentin Nadine Rummler hatte zwei Anzeigenmotive zum Best-Azubi-Wettbewerb zur Wahl gestellt, auf der jeweils ein männlicher Gewinner abgebildet war. Die Motive unterschieden sich lediglich am Hintergrund: Blümchentapete ja oder nein? - Bär fragte kritisch, ob es keine weibliche Version gebe, und erhielt vom stellvertretenden Chefredakteur Martin Orthuber die Antwort: "Das ist die mit der Tapete." Dabei bewegt sich Bär bei ihrem Redaktionsbesuch ausnahmsweise nicht in einer Männerdomäne wie sonst in der CSU und der Transportbranche: 70 Prozent der Belegschaft im Verlag Heinrich Vogel, in dem die VerkehrsRundschau erscheint, sind weiblich. Für den Verlag hat sich der Besuch der Staatssekretärin aber gelohnt. Tatsächlich hat sie auch sofort einen Vorschlag für eine Spedition parat, als es darum geht, im Rahmen der Nachwuchsinitiative "Hallo, Zukunft!" einen "Tag der offenen Tür" zu planen. mo/ks

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