Köln. Der Enthüllungsjournalist Günter Wallraff war undercover als Paketzusteller für den Paketdienstleister GLS unterwegs. Die Eindrücke seiner mehrmonatigen Recherche hat er in einem Fernsehbeitrag verarbeitet, der am Mittwochabend beim Sender RTL ausgestrahlt wurde. Außerdem erscheint der Erfahrungsbericht in der Magazinbeilage der Wochenzeitung „Die Zeit“.
Laut Wallraff arbeiten viele Fahrer unter sittenwidrigen Bedingungen: Berichte der Betroffenen und wissenschaftliche Studien gingen von Regelarbeitszeiten zwischen 12 bis 15 Stunden täglich aus. Bei einem Monatslohn zwischen 1.200 und 1.500 Euro netto ergeben sich damit Stundenlöhne für diese Paketauslieferer von unter 5 Euro, prangert Wallraff die Arbeitsbedingungen in der Branche an.
Dem Fernsehsender RTL lägen interne Unterlagen vor, die beweisen, dass eine Arbeitszeit von 12 Stunden täglich für Paketfahrer von Seiten des Konzerns GLS kalkuliert ist. Zwischen zwei Diensten seien die gesetzlich vorgeschriebenen 11 Stunden Ruhezeit oft nicht möglich. Auch Pausen seien häufig nicht zu schaffen. All dies verstoße gegen das deutsche Arbeitszeitgesetz, heißt es in einem Text zum Beitrag auf der Website des Senders. Die Fahrtenbücher der Fahrer über ihre Lenk- und Ruhezeiten seien „Makulatur“.
Wallraff prangert vor allem das System der in der Paketbranche üblichen Auslagerung an Subunternehmer an. „Um sich nicht verantworten zu müssen, schalten manche Konzerne – so auch GLS – Subunternehmer zwischen, die offiziell als Arbeitgeber der Fahrer agieren, meist selbst auch fahren und häufig ausschließlich für einen Konzern arbeiten“, schreibt Wallraff. Ermöglicht habe das „Preis- und Lohndumping“ der Gesetzgeber. „Die Gesetzesänderung zum Schutz vor Scheinselbständigkeit habe den selbstfahrenden Unternehmer in dieser Branche abgeschafft. An seine Stelle sei der ebenso scheinselbständige Subunternehmer mit einem oder mehreren Angestellten getreten“, ist bei RTL über die Wallraff-Enthüllungen zu lesen.
„GLS stellt die Fahrer nicht selbst ein, sondern schließt Verträge mit Subunternehmern, die wiederum die Fahrer anstellen. Damit kann GLS sämtliche Risiken auslagern“, kritisiert Wallraff.
Wallraff kritisiert zudem, dass GLS ein „komplettes Überwachungs- und Strafsystem“ konstruiert habe, mit denen Fahrer und Subunternehmer „schikaniert und ausgenommen werden.“
In einer offiziellen Stellungnahme von GLS zu den Beschuldigungen verweist das Unternehmen auf die Eigenverantwortung der Subunternehmer: „Die Transportunternehmen werden bei der Erledigung von Transportaufträgen von GLS zur Beschäftigung von Fahrern in rechtskonformen, sozialversicherungspflichtigen Anstellungsverhältnissen verpflichtet.“ Weiter betont GLS: „Wir legen Wert auf eine partnerschaftliche Zusammenarbeit, die im Rahmen der Gesetze gestaltet wird.“ Man bedaure „die einseitige und verkürzte Berichterstattung“ sehr. (diwi)
V 480 Truck
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