Vor der Zerreißprobe?

Lange Jahre war der Stückgutmarkt in Deutschland fest verteilt: Neben Unternehmen wie Dachser, DB Schenker und Deutsche Post DHL Group sind in diesem Geschäft nach wie vor etliche mittelständische Stückgutkooperationen, wie IDS Logistik, System Alliance und Cargoline tätig, um nur einige Beispiele zu nennen. Alibaba und Amazon sorgen für Unruhe Doch der Stückgutmarkt ist aktuell massiv in Bewegung. "Mittelständisch geprägte Speditionsnetzwerke bleiben weiterhin sehr instabil, eine Vielzahl an Partnern ist aus verschiedenen Gründen ausgeschieden und es wird zunehmend schwierig, wenn nicht gar unmöglich, weiter entstehende Lücken zu schließen", formuliert es Cornelius Geber, der geschäftsführende Gesellschafter von CG Beteiligungs- & Management GmbH in Hamburg und frühere Kühne + Nagel-Manager. "Der Markt wird folglich", fürchtet er, "eine Konsolidierung durch Zusammenschlüsse beziehungsweise eine Fusion von Netzwerken erfahren." Für Unruhe und neue Herausforderungen sorgen laut Geber aber auch Internethändler wie Alibaba und Amazon, die im Moment den Speditions- und Logistikmarkt aufrollen, weiß er. "Sie kommen zwar traditionell aus dem Internethandel, erweitern nun aber ihre Wertschöpfungskette auch um die Logistikkette", erklärt der Logistikexperte. "Und dies verschärft den Druck auf Spediteure zusätzlich." Dies sei auch deshalb für viele Betriebe gefährlich, weil trotz des momentanen Sendungsmengen-Booms die Renditen im Stückgutgeschäft nach wie vor oft nicht auskömmlich seien. Erschwerend komme hinzu, dass die Stückgutspediteure derzeit mit einem massiven Strukturwandel zu kämpfen haben. So werden die Sendungen, nicht zuletzt getrieben durch den E-Commerce, immer kleinteiliger. Das beobachtet Steffen Wagner, globaler Leiter Transport & Leisure der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG. Gleichzeitig würde die Anspruchshaltung der Auftraggeber, auch durch die Neuerungen im B2C-Segment verwöhnt, in puncto Service und Preisgestaltung weiter steigen. Auf der anderen Seite leiden die Dienstleister unter massivem Fahrer- und Laderaummangel. "Die Spediteure sind also zunehmend in der Zange", formuliert es Logistikexperte Wagner. "Sie müssen einerseits den steigenden Kundenbedürfnissen gerecht werden und andererseits ihre Probleme in der Produktion in den Griff bekommen." Von einer Zerreißprobe für die Unternehmen würde er zwar nicht sprechen, betont er, die Unternehmen stünden aber unter einem massivem Druck. Auch weil sich für sie der Produktivitätsdruck durch die neuen Internetplattformen weiter verschärfe. Immerhin, und das ist dieser Tage eine gute Nachricht: Die Stückgutkooperation System Alliance wird rechtzeitig zum Jahresende 2017 die Lücken in ihrem Netz schließen, die Noch-Gesellschafter Raben reißt, weil er Ende 2017 bei System Alliance als Gesellschafter aussteigt und zum 1. Januar 2018 in Deutschland sein eigenes Stückgutnetz plant (siehe Kasten Seiten 18). Mag sein, dass die Entscheidung für Raben genau der richtige Schritt ist, wie Logistikexperte Geber sagt, da im Stückgutmarkt nur ein Dienstleister mit eigenen Netzstrukturen dauerhaft bestehen könne. Aus Sicht der System Alliance war Rabens Beschluss aber vor allem höchst brisant. Denn durch Rabens Ausscheiden musste das Netz insgesamt sieben Standorte - konkret in Heilbronn, Mittenwalde bei Berlin, Mönchengladbach, Nürnberg, Prenzlau, Regensburg und Reichenberg (bei Würzburg) - neu besetzen. Diese Lücken erfolgreich zu schließen, dürfte für System-Alliance-Geschäftsführer Georg Köhler also eine Herkulesaufgabe gewesen sein, auch wenn er dies nicht so sagt (siehe Seite 18). Das Problem: Jedes Unternehmen, das Stückgut bietet, ist heute in der Regel auch für andere Speditionsverbünde tätig. Exklusive Partner für eine Kooperation zu finden, ist also fast unmöglich. "Und auf Sicht wird es noch schwieriger, systemfähige Partner zu finden", befürchtet Köhler. Die Frage sei deshalb, "ob und wie lange überhaupt die Mittelstandskooperationen ihr heutiges Korsett auch künftig beibehalten können". "Wir müssen uns da alle ein gutes Stück weiter öffnen - anders denken, anders arbeiten", appelliert der Geschäftsführer an seine Branchenkollegen. So gebe es heute noch viele "Flaschenhälse", etwa die Größe von Anlagen, die Zahl der Kraftfahrer, der verfügbare Laderaum. "Diese Optimierungsmöglichkeiten müssen wir gemeinsam erschließen", fordert der Geschäftsführer. "Nur dann bleiben wir zukunftsfähig." Saisonzuschlag für die kurzen Wochen Auf operativer Ebene tun einige Cargolineund System-Alliance-Betriebe dies im Übrigen heute schon. So arbeiten an einigen Standorten System-Alliance-Partner operativ mit Cargoline zusammen und umgekehrt. Für Jörg-Peter Struck, Geschäftsführer von Cargoline, ist dies auch so in Ordnung, sagt er. Eine Kooperation beider Kooperationen oder gar eine Fusion beider Systemzentralen - nach dem Vorbild der Kooperationen ILN, Star und VTL - schließen Struck und Köhler aber aus. Zumal Cargoline-Geschäftsführer Struck im Moment, wie alle seine Branchenkollegen, andere Probleme drücken: Das sind die weiter steigenden Sendungsmengen, obwohl sich die Cargoline-Kooperationspartner laut Struck auf das Herbst- und Vorweihnachtsgeschäft gut vorbereitet hätten. "Natürlich freuen wir uns alle über die Sendungsmengen", betont der Geschäftsführer. "Vor allem weil die Preise im Stückgut- und Teilladungsgeschäft endlich ebenfalls nach oben gehen - fallweise jetzt schon, spätestens aber zum Jahresanfang 2018." Doch wenn Struck auf die kommenden Wochen blickt, wird ihm trotzdem bange zumute: "Es gibt momentan keine Nahverkehrs-Autos. Es fehlen schlichtweg die Fahrer dafür. Der Markt ist wie leer gefegt." "Wir müssen deshalb alle umdenken", räumt auch Michael Bargl, Geschäftsführer der Stückgutkooperation IDS Logistik, ein. So hätten sich die IDS-Partner bislang die Transportkapazitäten immer kurzfristig gesichert. "Aufgrund des Laderaummangels müssen wir uns diese Kapazitäten aber langfristig vorher sichern", betont er. IDS werde daher als eine der ersten Stückgutspeditionen intern ab Anfang 2018 einen neuen "Saisonzuschlag" für die sieben kurzen Wochen im ersten Halbjahr einführen, kündigt er an. Sprich: In kurzen Wochen würden die IDS-Versandbetriebe den IDS-Empfangspartnern preislich etwas mehr bezahlen und würden dies in gewisser Form auch an die Kunden weitergeben. Alles das zeigt, die Lage im Stückgutmarkt ist ernst, aber nicht hoffnungslos. "Stückgut bleibt auch in Zukunft ein interessantes Geschäft - auch für Mittelständler", betont Logistikberater Geber. Dafür gebe es im Markt genügend erfolgreiche Beispiele - und diesen Unternehmen sei insbesondere eines gemein: Sie haben es geschafft, ihr Stückgutgeschäft mit anderen Geschäftsfeldern wie Logistik sowie Seeund Luftfracht erfolgreich zu verknüpfen - Stichwort "Cross-Fertilization". Sprich: Ihr Speditionsnetz fungiere quasi als Dienstleister für andere profitablere Geschäftsfelder. Darüber hinaus rät Geber mittelständischen Stückgutspediteuren, an folgenden Hebeln anzusetzen: "Schaffen Sie im Internet eigene Plattformen, um so eine möglichst hohe Kundenbindung zu erreichen", rät er. "Entwickeln Sie sich zum integrierten Dienstleister und bieten Sie Ihren Kunden integrierte Supply Chains." Und last but not least sollten sich Mittelständler starke Partner suchen, betont er, um mit diesen gemeinsam die Skaleneffekte zu erzielen, die sie brauchen, um profitabel arbeiten zu können. Vor allem aber sollten Stückgutspediteure an ihrem USP arbeiten. Geber wörtlich: "Arbeiten Sie an Differenzierungs-Merkmalen! Machen Sie Ihren Stückgutservice von anderen Anbietern unterscheidbar." Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Stückgut www.verkehrsrundschau.de/dossiers

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