Von wegen Erholung

Normalerweise ist so eine Verkehrsprognose, wie sie das Bundesverkehrsministerium halbjährlich in Auftrag gibt, eher unspektakulär. Vor allem deshalb, weil sich innerhalb eines halben Jahres wenig tut. Die Veränderungen bei den Güterverkehrsleistungen sind gering. Zumeist ist es mehr oder minder eine Fortschreibung der Zahlen, die sechs Monate zuvor veröffentlicht wurden. Doch die gerade vorgelegten Zahlen von Intraplan unterscheiden sich von denen aus der Februarprognose in etwa so wie der Auftritt der deutschen Fußballnationalmannschaft bei der WM 2014 von dem Fiasko bei dem Turnier vier Jahre später. Als Beleg dafür reichen vier Zahlen aus dem umfangreichen Datenpaket aus: Anfang 2018 sagten die Experten für das laufende Jahr ein Wachstum bei der Güterverkehrsleistung in Höhe von 1,4 Prozent voraus. Die neue Prognose hingegen nennt 2,8 Prozent - mal eben eine Verdoppelung. Noch krasser ist der Unterschied für diesen Wert im Jahr 2019. Im Februar wurde noch fast mit einer Stagnation (+0,3 Prozent) gerechnet. Jetzt soll das Plus bei der Güterverkehrsleistung satte 3,0 Prozent betragen, über das sich die Transportbranche in Deutschland im nächsten Jahr freuen können soll. Wobei sich die Frage stellt, ob dies wirklich so positiv ist und eine Atempause angesichts knapper Kapazitäten nicht vorzuziehen wäre. Neuer Gutachter, neue Prognosewerte Doch wie kommen so große Unterschiede zustande? Und auf welche Entwicklung sollen sich die Unternehmen nun einstellen? Für die Antwort auf die erste Frage liegt die Vermutung nahe, dass ein Wechsel des Gutachters zu den unterschiedlichen Zahlen geführt hat. Die Frühjahrsanalyse stammte von SSP Consult. Im Herbst war Intraplan Consult für die Prognose verantwortlich. Und die jeweiligen Experten arbeiten in der Regel mit unterschiedlichen Analysemodellen. Allerdings ist das nach Aussage von Markus Schubert, Geschäftsführer von Intraplan, nicht der wesentliche Grund: "Die Annahmen für die Wirtschaftsentwicklung waren bei unserer Prognose besser." Wobei diese Zahlen sich nicht viel unterscheiden. Zudem, so Schubert, habe Intraplan die Rahmendaten und Brancheneinflussgrößen anders bewertet. Immerhin gesteht er zu, dass die Güterverkehrsprognose womöglich etwas zu positiv ausgefallen ist. Denn Grundlage war die Prognose des Bundeswirtschaftsministeriums. Die stammt jedoch aus dem April 2018 und muss "aus jetziger Sicht als optimistisch bezeichnet werden", heißt es auch in der Studie. So wird darin eine Zunahme des Bruttoinlandsproduktes in Höhe von 2,3 Prozent für 2018 vorhergesagt. Viele Wirtschaftsforschungsinstitute haben ihre Prognosen für das Wirtschaftswachstum hingegen mittlerweile nach unten korrigiert. "Würde man mit diesen Werten rechnen, würden die Werte in der Güterverkehrsprognose in der Tat etwas niedriger ausfallen", sagt Schubert. In welchem Ausmaß, das könne er nicht sagen, das müsse man neu berechnen. Eine Konstanz gegenüber den letzten Jahren ist bei der Entwicklung des Straßengüterverkehrs zu beobachten. Weiterhin nimmt die Verkehrsleistung per Lkw 2018 unter den Landverkehrsträgern mit 3,4 Prozent am stärksten zu (siehe Grafik Seite 18). Im darauffolgenden Jahr gelingt es der Bahn immerhin, mit dem Lkw gleichzuziehen (jeweils plus 3,4 Prozent). 2020 hingegen hat der Straßengüterverkehr wieder die Nase vorne mit einem Zuwachs von 3,1 Prozent (Bahn: 2,4 Prozent). Wesentliche Treiber im Straßengüterverkehr sind 2018 das Wirtschaftswachstum, der prosperierende Außenhandel und die Baukonjunktur. Letztere sorgt dafür, dass auch deutsche Lkw von dem Wachstum profitieren. Für deutsche Fahrzeuge sagen die Intraplan-Experten 2018 bei der Verkehrsleistung ein Plus von nur 1,3 Prozent voraus. An diesem bescheidenen Zuwachs hat die Baukonjunktur einen wichtigen Anteil, weil weiterhin viel gebaut wird und 95 Prozent der Baustofftransporte mit deutschen Fahrzeugen zurückgelegt werden. Ohne die gute Baukonjunktur würde bei den deutschen Transportunternehmen also womöglich nicht mal eine Eins vor dem Komma stehen beim Wachstum. Für 2019 und 2020 fällt der Zuwachs mit 1,5/1,2 Prozent nur geringfügig anders als in diesem Jahr aus. Im Nah- und vor allem im Regionalverkehr wird deutschen Lkw dabei ein deutlich höheres Plus zugetraut als im Fernverkehr, wo die Zunahme in den Jahren 2018 bis 2020 zwischen 0,6 und 1,0 Prozent schwankt. Bedeutung ausländischer Lkw wächst Die Treiber des Wachstums im Straßengüterverkehr sind und bleiben die ausländischen Lkw. Ihre Verkehrsleistung nimmt 2018 um 6,3 Prozent zu und die beiden darauffolgenden Jahre um 5,9 und 5,5 Prozent. In absoluten Zahlen dominieren deutsche Lkw zwar weiterhin auf Deutschlands Straßen mit einer Verkehrsleistung von 294,8 Milliarden (Mrd.) Tonnenkilometer zu 213,0 Mrd. Tonnenkilometer. Allerdings schmilzt der Abstand von Jahr zu Jahr. Nicht ohne Folgen bleibt für den Straßengüterverkehr die Mautanhebung zum ersten Januar 2019. In den Segmenten, wo es Alternativen gibt (und das sind laut Studien vor allem die Lkw im Fernverkehr mit Euro-6-Motoren und größer 18 Tonnen), steigt die Maut laut Intraplan um gut fünf Cent (von 13,5 auf 18,7). Über alle Güterabteilungen gesehen rechnen die Experten aufgrund der mit der Maut verbundenen höheren Kosten mit einem Rückgang der Transportnachfrage um 0,2 Prozent (2019) beziehungsweise 0,3 Prozent (2020). Etwas überraschend ist, dass in der Prognose explizit der Fahrermangel als noch nicht relevant genannt wird. Zwar halten die Experten einen damit verbundenen weiteren Kosteneffekt für möglich, zumal sich der Fahrermangel verschärft. Aber zugleich wird diese Entwicklung als "derzeit noch wenig belastbar" eingeschätzt. Neben dem Schienengüterverkehr werden in der Intraplan-Analyse auch Vorhersagen zu den anderen Verkehrsträgern gemacht (zum Schienengüterverkehr siehe Kasten Seite 17). Für die Binnenschifffahrt wird 2018 mit einem Plus von 0,7 Prozent bei der Verkehrsleistung gerechnet. Begründet wird das mit den hohen Zuwachsraten in den ersten vier Monaten 2018 (+ 8,9 Prozent), die vor allem darauf beruhen, dass in dem Vorjahreszeitraum aufgrund von Niedrigwasser weniger transportiert wurde. Doch angesichts des seit dem Sommer fast durchgängig vorherrschenden Niedrigwassers ist kaum vorstellbar, dass es in der Binnenschifffahrt 2018 tatsächlich zu einem Wachstum kommt. Diese Unsicherheit wird von den Autoren auch explizit genannt. 2019 wird den Binnenschiffern dann ein Plus bei der Verkehrsleistung in Höhe von 1,2 Prozent vorhergesagt, auch deshalb, weil die Steinkohleimporte aufgrund der Schließung der letzten zwei Zechen in Deutschland steigen werden. Wachstumstreiber für den Transport in Deutschland war in der Vergangenheit der Seeverkehr. Doch 2018 soll er sich als einziger Verkehrsträger rückläufig entwickeln, wofür die Massengüter verantwortlich sind. Aber auch die Containertransporte nehmen längst nicht mehr so dynamisch zu wie in der Vergangenheit, was die Autoren unter anderem auf eine Verschiebung von Asien-Verkehren nach Antwerpen und Rotterdam zurückführen. Mehr zum Thema im Dossier Markt für Transporte www.verkehrsrundschau.de/dossiers Entwicklung im Schienengüterverkehr Rosige Aussichten für den Kombinierten VerkehrWas für den gesamten Güterverkehr gilt, das trifft auf den Schienengüterverkehr nochmals ganz besonders zu: Die Prognosen fallen deutlich besser aus als noch bei der letzten Erhebung im Frühjahr.Im Schienengüterverkehr kommt aber hinzu, dass es Probleme in der statistischen Erhebung gab und gibt und die Entwicklung auf der Bahn jahrelang unterschätzt wurde. Für 2017 hatte die Frühjahrsprognose ein Wachstum bei der Verkehrsleistung von nur 0,1 Prozent angegeben. Die aktuelle Erhebung geht von einem Plus in Höhe von 1,3 Prozent aus. Auch im laufenden Jahr soll ein ähnlich hohes Wachstum (+1,6 Prozent) erzielt werden. Treiber der Entwicklung ist der Kombinierte Verkehr (KV) mit einer Zunahme von 3,8 Prozent im Jahr 2018 bei der Verkehrsleistung. Zu den Bremsern gehören die Kohletransporte mit einem Verlust von zehn Prozent, was das gesamte Aufkommen um knapp ein Prozent verringert. Zudem sinken auch die Beförderungen von Kokerei- und Mineralölerzeugnissen, während bei alle anderen Güterbereichen mit einem Wachstum gerechnet wird. Die Schiene wird auch in den nächsten Jahren stark vom Aufwärtstrend im KV profitieren, dessen Verkehrsleistung 2019 um 5,2 Prozent zunehmen soll - in keinem anderen Segment wird ein höheres Plus erzielt. 2020 flacht das Wachstum etwas ab, ist aber mit 4,1 Prozent immer noch der am stärksten zunehmende Bereich im Güterverkehr. Ein Grund für den Boom im KV ist die Erhöhung der Lkw-Maut. Die Verteuerung des Straßengüterverkehrs führt zu einer Verlagerung von Transporten auf die Schiene. Nur geringe Impulse erwarten die Experten von der Trassenpreissenkung auf der Schiene, weil die Kostensenkung sich allenfalls zur Hälfte auf die Preise auswirken werde. cd

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