Von eins auf 2300 in neun Jahren

Der Start war ziemlich holprig. Im Herbst 2008 fuhr erstmals ein erster Blockzug beladen mit Containern von Peking nach Hamburg. Doch dabei blieb es zunächst. Angesichts der Wirtschaftskrise im Jahr 2008/2009 blies die Deutsche Bahn (DB) alle weiteren Pläne ab, eine Regelverbindung zwischen Europa und China aufzubauen. Von der Nische zum Wachstumsmarkt Was in den Anfängen kritisch beäugt, zum Teil sogar belächelt wurde und nicht so recht klappen wollte, ist mittlerweile Routine und vor allem ein Wachstumsmarkt, wie es nur wenige gibt. Immer mehr Bahnen, Operateure und Speditionen kommen auf die Idee, Züge zwischen China und Europa fahren zu lassen. Die Anzahl der Player ist kaum noch zu überblicken, was es erschwert, die Zahl der Containerzüge zu erfassen, die derzeit auf der Seidenstraße hin- und herpendeln. "Im letzten Jahr waren es etwa 1700 Züge westgehend sowie 600 ostgehend", so Daniel Wieland, Leiter multimodale Lösungen bei DB Schenker. Von eins auf 2300 in neun Jahren: eine Bilanz, die sich wahrlich sehen lassen kann. Zumal die regelmäßigen Züge zwischen Europa und China so richtig erst 2011 ins Rollen kamen. Wieland hat einen guten Einblick in den Markt. Denn DB Schenker beauftragt Bahnunternehmen mit dem Transport der Container. Etwa DB Cargo, ein Schwesterunternehmen, das viele dieser China-Züge in Europa befördert und eng mit weiteren Bahnen auf der Strecke zusammenarbeitet. Mittlerweile hat sich die Route fast zu einer Art Rennstrecke im Kombinierten Verkehr entwickelt. Gründe dafür gibt es viele. Einer der wichtigsten dürfte das Engagement verschiedener chinesischer Provinzen sein, die sich eine Art Wettstreit liefern, wer die meisten Verbindungen anbieten kann. Dazu gehören vor allem jene Regionen im Innern des viertgrößten Landes der Erde, die einen weiten Weg zu den großen Seehäfen haben. Es gibt noch weitere Günde für die Erfolgsstory auf der Route zwischen Europa und Fernost. "Mit der steigenden Zahl von Anbietern hat sich der Wettbewerb erhöht. Dadurch und aufgrund höherer Frequenz und damit einhergehender Optimierungen in der Transportlogistik sind die Preise auf dieser Route gesunken", sagt Wieland. Die Folge: Für immer mehr Güter kommt dieses Angebot infrage. "Die Bahn ist derzeit um etwa das Zweifache teurer als die Seefracht, je nach Relation", gibt Wieland das derzeitige Preisverhältnis wieder. In den ersten Jahren waren es vor allem die Autoindustrie und die Hersteller von High-Tech-Geräten, die sich auf die Züge wagten. "Bei ihnen machte sich der Laufzeitvorteil im Vergleich zur Seefracht am stärksten bemerkbar", sagt Wieland. Die kürzere Transportdauer im Vergleich zur Seefracht ist vor allem bei hohen Kapitalkosten für das zu transportierende Gut ein wichtiger Vorteil. Transportzeit auf 14 bis 16 Tage gesenkt Hinzu kommt, dass die Züge immer weniger Zeit für die bis zu 12.000 Kilometer langen Strecken benötigen: "Laut Fahrplan sind sie 14 bis 16 Tage unterwegs - und diese Fahrpläne werden fast immer eingehalten", sagt Wieland. Jedoch glaubt er nicht, dass sich diese Zeit jetzt noch deutlich verringern lässt. "Es passiert durchaus schon mal, dass ein Zug nach zwölf Tagen eintrifft. Aber dann muss alles optimal laufen", so der Schenker-Manager. Weil auch die Masse der Anbindungen zeigt, dass es kein Abenteuer mehr ist, Güter zwischen China und Europa auf die Bahn zu setzen, wird die Palette der transportierten Güter immer breiter. "Auf unseren Zügen zwischen Yiwu und Duisburg werden mittlerweile auch Kleinelektroartikel, kleinere metallische Produkte wie Schrauben und Textilien befördert", sagt eine Sprecherin der Duisburger Hafen AG. Zurück sind dann unter anderem Olivenöl oder Weine in den Boxen. Diese Entwicklung, dass immer mehr Güter per Bahn transportiert werden, ist noch lange nicht gestoppt. So hat die chinesische Betreibergesellschaft des Güterzuges zwischen Yiwu und Duisburg jetzt die Niederlassung Yixinou International Freight in Duisburg eröffnet. Sicher auch deshalb, um die Zahl der wöchentlich bislang 25 China-Züge in Duisburg zu steigern. Ein anderes Beispiel ist der Pkw-Hersteller Volvo. Automobilteile werden auf der Route zwar schon länger transportiert. So fährt im Auftrag von BMW zwei mal wöchentlich ein Zug zwischen den Werken Leipzig und Regensburg und Shenyang im Norden Chinas. Erstmals werden jedoch jetzt zwischen China und Europa komplette Fahrzeuge befördert (siehe Kasten unten). Auch bei der DB geht man von steigenden Volumina aus. "Mit über 40.000 Containern haben wir als DB 2016 das bislang größte Gütervolumen über die längste Eisenbahnstrecke der Welt bewegt", sagt Ronald Pofalla, Vorstand Infrastruktur bei der DB. Bis 2020 sollen es 100.000 Container sein, so Pofalla, die die DB von und nach China transportieren will. Womöglich könnten es noch mehr werden, wenn es nicht das Problem der Unpaarigkeit gäbe. "Die ist heute aber schon wesentlich besser als noch vor vier bis fünf Jahren", sagt Wieland. Der Manager gesteht, dass das nicht optimal ist, verweist aber darauf, dass die Seefracht mit dem gleichen Problem zu kämpfen hat. Und so würden dann auch mal Leer-Container per Seefracht nach China zurückgeführt. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier China www.verkehrsrundschau.de/dossiers Container ausgestattet mit besonderen Befestigungssystemen Volvo transportiert Pkw per Bahn auf der Seidenstraße Erstmals hat jetzt ein Pkw-Hersteller mehr als nur Autoteile oder Komponenten auf der Seidenstraße zwischen Europa und China transportiert. Im belgischen Seehafen Zeebrugge kam am 30. Juni ein Zug mit Fahrzeugen von Volvo an.Der schwedische Automobilhersteller produziert im Werk Daqing die Premiumfahrzeuge S 90. Volvo nennt als einen Grund für die Nutzung der Bahn, dass die Transportzeiten im Vergleich zur Schiffsroute um zwei Drittel kürzer sind."Kunden erhalten ihr Fahrzeug nach der Bestellung damit deutlich schneller als auf dem üblichen Seeweg", heißt es in einer Mitteilung. Neben den kürzeren Wartezeiten an den Grenzen wegen der schnelleren Verzollung hebt Volvo zudem hervor, dass auch die Umweltbilanz positiv ausfällt. Bei gleicher Entfernung würden die CO2-Emissionen pro Tonnenkilometer im Vergleich zum Schiffstransport um ein Drittel niedriger liegen. Da die Distanz über die Seidenstraße zudem deutlich kürzer ist als über den Seeweg, seien die Einsparungen sogar noch höher."Zu Anfang wird einmal die Woche ein Zug von Daqing abfahren", teilte ein Unternehmenssprecher von Volvo auf Anfrage der VerkehrsRundschau mit. Doch gibt es Überlegungen, mehr Züge auf die Strecke zu schicken:"Wir wollen die Frequenz in Abhängigkeit von dem Produktionsvolumen steigern", so der Volvo-Sprecher. Auf dem Zug werden etwa 120 Fahrzeuge in den 40 Containern befördert, die extra für die Anforderungen an einen sicheren Transport gebaut wurden. Um drei Fahrzeuge in den Boxen unterzubringen, wurden in den Containern besondere Befestigungsstellen installiert, sogenannte Rack-Systeme.Auf seiner Reise bis in den belgischen Hafen passiert der Zug in 18 bis 20 Tagen Russland, Weißrussland, Polen, Deutschland und Belgien. DB Cargo Logistics ist verantwortlich für die Züge ab der chinesisch-russischen Grenze bis nach Zeebrugge. Dabei arbeitet DB Cargo Logistics für den russischen Streckenabschnitt mit Far East Landbridge (FELB) zusammen. Die europäische Strecke ab der polnisch-weißrussischen Grenze in Brest wickeln die DB Cargo Landesgesellschaften in Polen und Deutschland ab. In Belgien übernimmt die Partnerbahn Lineas den Zug bis zum Entladeterminal. cd