Vom Flickenteppich zum Mastermind

Im Endausbau werden wir mehrere Lkw einsparen", sagt Suat Ersoy, Leiter Lagerund Transportlogistik beim Baustoffhändler Linnenbecker. Und er meint damit nicht Fahrten, sondern Fahrzeuge. Am Ende des Projektes, Ende 2015, hat Ersoy die bislang dezentrale Disposition seiner 23 Standorte am Stammsitz in Bad Salzuflen zentralisiert. Aktuell betreibt das Unternehmen noch eine Flotte von 50 Lkw. Das für das Vorhaben nötige Tourenplanungssystem COSware liefert das Software- und Beratungshaus COS. Die Software verfügt über Schnittstellen zu dem von Linnenbecker eingesetzten ERP-System Gewis und dem Warehouse-Management-System Pro Store. "Die problemlose Integration in unsere IT-Landschaft war ein ganz wichtiges Argument", sagt Ersoy. Zudem sei COSware mandantenfähig und kann die verschiedenen Firmen innerhalb der Gruppe differenzieren. Unter den Standorten des Unternehmens befinden sich nämlich auch vier im Franchise betriebene Hagebaumärkte. Mandantenfähig ist eine Software, die auf demselben System oder Server mehrere Mandanten, beispielsweise Kunden, bedienen kann, ohne dass diese gegenseitig ihre Daten sehen oder ändern können. Braucht das System dazu für jeden Mandanten eine eigene Instanz (Kopie), dann ist es nicht mandantenfähig. Aktuell ist das System auf 13 Häuser ausgerollt. Diese beschäftigen nun keinen eigenen Disponenten mehr. Ihre Transportplanung übernehmen vier Kollegen in der Zentrale. Wenn alle Standorte angeschlossen sind, verstärkt ein fünfter Disponent das Team. Wenn Linnenbecker jetzt von Kunden einen Auftrag erhält, erzeugt das ERP-System einen sogenannten Packzettel. Der geht elektronisch an das Lagerverwaltungssystem und an die Tourenplanung. In der macht sich von da an die Zentralisierung bezahlt. Denn es gibt Gebiete, in denen die Niederlassungen weniger als 20 Kilometer voneinander entfernt sind - jede mit eigenem Disponenten. Der hat in der Regel nur die Lkw der eigenen Niederlassung disponiert und damit meist nicht ideal auslasten können. Zum anderen liefert Linnenbecker direkt an die Baustellen seiner Kunden. Hatte nun der Kunde einer Niederlassung eine Baustelle im Gebiet einer anderen Niederlassung, so wurde diese Baustelle mitunter von zwei Lkw angefahren. Von der Niederlassung, deren Kunde er war, und von der Niederlassung, in deren Gebiet die Baustelle liegt. Denn die hat dort unter Umständen noch ihre eigenen Kunden beliefert. "Damit hatten wir manchmal zwei nicht ordentlich ausgelastete Lkw gleichzeitig an einer Baustelle. Mit der zentralen Disposition können wir jetzt alle Baustellen gleichzeitig überwachen und jede gezielt nur noch mit einem Lkw anfahren", macht Ersoy deutlich. Fahrer arbeiten mit Mobilcomputern Weitere Vereinfachungen erzielt Linnenbecker mit den im Zuge des Projekts eingeführten einheitlichen Barcode-Etiketten, die jetzt an jeder Sendung angebracht sind. Diese werden nach der Ver- und Entladung von den Fahrern gescannt, die hierfür mit mobilen Handterminals ausgestattet wurden. Die Geräte vom Typ Motorola EP 10 verfügen ebenfalls über COS-ware und ersetzen die bisherigen Lieferscheine aus Papier. Tourdaten und Ladelisten werden aus der Disposition per Mobilfunk an die Terminals übertragen und am Empfangsort unterschreibt der Kunde auf dem Display. Der mit Quittung versehene Datensatz wird anschließend an die Zentrale gesendet, wo automatisch das Erstellen der Rechnung angestoßen wird. Neben dem Geldeingang beschleunigt und vereinfacht die mobile Lösung auch die Leergutverwaltung. Über ein Menü erfassen die Fahrer alle Paletten und Behälter direkt mit ihrem EP 10. In der letzten Ausbaustufe werden die Geräte zusätzlich auch noch als Navigationsgerät dienen. Ist die Dispo erst einmal zentralisiert, planen die Linnenbecker-Logistiker den nächsten Schritt. "Wenn Ende 2015 alle Standorte mit COSware ausgerüstet sind, werden wir die Lkw jeden Tag bedarfsweise auf alle Niederlassungen verteilen", erklärt Ersoy. Außerdem werde man innerhalb des Standort-Netzes eine neue Arbeitsteilung verwirklichen. "Kunden von Standort A mit Baustellen in der Nähe von Standort B werden dann direkt von B beliefert". Ab dann soll jede Niederlassung nur noch innerhalb des eigenen Liefergebiets transportieren und nicht den eigenen Kunden in die Liefergebiete anderer Standorte hinterherfahren. Allerdings kann nicht jeder Standort ständig das komplette Sortiment mit 200.000 Artikeln vorrätig haben. Daher setzt Linnenbecker einen Sattelzug für Shuttle-Verkehre ein, der im Rundlauf das fehlende Material nachliefert. Die Ausliefertouren werden von 18-Tonnern mit Ladekran übernommen. Nach Abschluss der noch bevorstehenden Projektschritte erwägt Linnenbecker die Einführung weiterer Module. "Mit einer integrierten Fuhrparkverwaltung könnten wir Verkäufern und Disponenten zu jedem erfassten Auftrag sofort die tatsächlichen Logistikkosten anzeigen lassen." Das Unternehmen verspricht sich davon ein höheres Kostenbewusstsein von seinen Mitarbeitern. Die Kosten für das Gesamtprojekt sollen sich laut Ersoy in "wenigen Jahren" amortisiert haben. Linnenbecker im Überblick 50 eigene Lkw für 3500 Aufträge pro Tag Die Linnenbecker-Gruppe ist mit 23 Standorten in den Bereichen Baustofffachhandel und Baumärkten aktiv. Das im 1928 gegründete Unternehmen beschäftigt gut 800 Mitarbeiter, die mit 200.000 lieferbaren Artikeln einen Jahresumsatz von 177 Millionen Euro erwirtschaften. Zum Fuhrpark gehören 50 eigene Lkw von Mercedes-Benz und MAN, die 3500 Aufträge pro Tag ausliefern. Linnenbecker lagert unter anderem über eine Million Quadratmeter Fliesen auf etwa 30.000 Paletten-Stellplätzen. Der größte Umsatzanteil wird an den 19 Fachhandelsstandorten für Baustoffe erzielt. Ein weiterer Teil der Erlöse stammt aus dem Fliesengroßhandel. Hier ist das Unternehmen nach eigenen Angaben die Nummer zwei in Deutschland. Zehn Prozent des Umsatzes wird durch vier im Franchise betriebene Hagebaumärkte generiert. sv