Vierfüßler mit kurzen Beinen

Der Kundschaft die möglichst größte Auswahl bieten. Dieses Konzept, das Ford bereits beim Vorgänger verfolgte, führen die Kölner auch beim neuen Transit fort. Und dazu gehört zumindest bei den 3,5-Tonnern auch die freie Auswahl bei der Antriebsart. Neben Front- oder Heckantrieb steht mit dem 4x4 seit Kurzem auch die Kombination aus beidem in den Preislisten. Anders als die Allrad-Derivate des Mercedes Sprinter, VW Crafter oder des Trios Renault Master/Opel Movano/Nissan NV 400 macht der 4x4-Transit optisch keinerlei Aufsehen um seine Traktionsqualitäten. Die Karosse liegt auf gleichem Höhenniveau wie die des Hecktrieblers, auf dessen Grundkonzept der 4x4 auch aufbaut. Mehr Bodenfreiheit für etwaige Geländeausflüge bietet der Allradler damit also nicht. Soll er auch nicht. Denn den 4x4-Transit sieht Ford weniger als "Schlammwühler" als vielmehr als Traktionshilfe für Kunden, deren Transport- oder Handwerker-Alltag regelmäßig auf unbefestigte Wege führt. Und die dafür einen bezahlbaren Allradler mit großem "Kofferraum" benötigen. Vergleichsweise günstiger Preis Eine Lücke, die der Allrad-Transit füllt. In Kombination mit der 125 PS starken Einstellung des 2,2 Liter großen TDCI-Diesels und der 9,5 Kubik fassenden Kastenversion berechnen die Kölner 36.000 Euro. Satte 7000 Euro weniger als Renault für einen Allrad-Master verlangt, den die Franzosen vom Allradspezialisten Achleitner zukaufen. Der baut auch den VW Crafter zum - allerdings konsequenten - Allradler um, der dann aberwitzige 53.000 Euro kostet. Und auch der Mercedes Sprinter, der übrigens von Oberaigner zum "Vierfüßler" umgebaut wird, ist mit 44.600 Euro deutlich teurer. Beim Ford-Allrad handelt es sich dagegen um ein eigenentwickeltes Allradsystem, das per elektronischer Regelung unauffällig das entscheidende Plus an Traktion liefert. Eine zugeschneite, aufgeweichte Wiese abseits der Testrunde durchpflügte der 4x4 problemlos. Wofür der Fahrer nichts weiter tun muss, als beherzt auf dem Gaspedal zu bleiben. Den Rest regelt die Elektronik: Sobald die Hinterräder die Haftung verlieren, leiten sie die Antriebskraft harmonisch an die Vorderräder um, wenn nötig um bis zu 100 Prozent. Und sollte das noch nicht ausreichen, kann der Fahrer per Taster zusätzlich noch das Vorderachsdifferenzial dazu holen. Traktionsmäßig kann man dem Ford so einiges zumuten, Umsichtigkeit ist dennoch geboten. Der "nur" 32 Zentimeter hohe Schnee am Testtag scharrte bereits beunruhigend am Chassis, die Bodenfreiheit war in diesem Fall schon aufgebraucht. Unter dem tief hängenden Hinterachsdifferenzial bleiben sogar nur noch knapp 15 Zentimeter Platz. Mehr Luft zwischen Fahrgestell und "Buckel-Piste" bietet Ford übrigens auch gegen Aufpreis nicht an. Der Allradler soll seine guten Straßeneigenschaften nicht verlieren, heißt es als Begründung aus der Ford-Zentrale. Wobei das ebenfalls nur bedingt gelingt. Den größten Anteil daran nimmt die deutlich kürzere Übersetzung gegenüber dem Normal-Modell ein. Im ersten Gang lässt es sich auf schwierigem Untergrund oder im Zugbetrieb so zwar kupplungsschonend anfahren, auf befestigten Wegen sogar locker im Zweiten. Hohes Drehzahlniveau auf der Autobahn Sollte der 4x4 aber doch mal einen Ausflug auf die Autobahn unternehmen, bleibt vom hohen Komfort der front- oder heckgetriebenen Geschwister allerdings nicht mehr viel übrig. Der TDCI rumort schon bei gemäßigten 120 km/h jenseits der 3000-Touren-Marke. Zum Vergleich: Ein vergleichbarer Fronttriebler (siehe VR 38/2014) säuselte bei gleichem Tempo mit entspannten 2000/min und bei leisen 65 dB(A). Satte sieben dB(A) mehr dringen im 4x4 ans Fahrerohr. Weshalb man instinktiv nochmals zum Schalthebel greifen möchte, auf der Suche nach einem eventuellen siebten Gang. Zusätzlich trägt noch das bei hohem Tempo laut singende Vorderachsdifferenzial seinen Teil zur Geräuschkulisse bei. Im Überlandbetrieb bringt die kurze Getriebeabstufung dagegen Vorteile. Den Griff zum immerhin 750 Euro teureren Topdiesel mit 155 PS kann man sich getrost sparen, die getestete 125-PS-Version setzt ihre 350 Newtonmeter Drehmoment spürbar agiler in Szene, als man es von den lang übersetzten Normal-Modellen kennt. So nimmt der TDCI auch steilere Berge problemlos ohne Rückschaltung. Die 4x2-Modelle bieten dafür das ausgewogenere Fahrwerk. Der 4x4 liegt bei höherem Tempo nervöser auf der Straße, häufige Lenkkorrekturen sind die Folge. Und auch an der Tankstelle muss man deutlich mehr einplanen: Inklusive 800 Kilo Testballast gönnte sich der 5,53 Meter kurze Kastenwagen 10,5 l/100 km. Womit der Allradler zwar nicht allzu weit von den angegebenen 9,7 l/100 km entfernt die VR-Testrunde absolvierte. Er gönnte sich aber eben satte 1,5 Liter mehr als der im Vorfeld getestete Fronttriebler mit gleicher Karosserieversion (VR 38/2014). Der durfte übrigens auch 120 Kilo mehr zuladen als der naturgemäß schwerer wiegende Allradler. Maximal 2,8 Tonnen Anhängelast Genau im Vorfeld die technischen Daten studieren sollte zudem, wer die Beförderung von schweren Anhängern plant. Denn der 4x4 bietet einerseits mit maximal 2800 Kilogramm nicht mehr als die Hecktriebler-Modelle. Und andererseits ist das Geamtzuggewicht auf 5,5 Tonnen begrenzt, während die Hecktriebler+ Anhänger-Kombination teilweise bis zu 800 Kilo mehr auf die Waage bringen darf. Womit als Fazit bleibt, was für (fast) jedes Allrad-Fahrzeug gilt. Nur wer regelmäßig die Traktionsvorteile des 4x4 nutzen muss, sollte zum Allrad-Transit greifen. Ansonsten ist man mit den 4x2-Versionen deutlich besser beraten. Nicht nur deswegen, weil Ford auch hier, wie eingangs beschrieben, überdurchschnittlich viele Wahlmöglichkeiten bietet.

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