Shanghai. Auf die Fracht-Airlines und deren Kunden, die Spediteure, rollt eine neue Klagewelle zu. Angekündigt wurde diese am Rande des World Cargo Symposiums der IATA in Shanghai von Joost van Doesburg, dem beim Dachverband European Shippers‘ Council (ESC) für Luftfracht zuständigen Managers. Er bezifferte die voraussichtliche Schadenssumme, um die es bei den bevorstehenden Gerichtsprozessen geht, auf rund fünf Milliarden Euro. Um diesen Betrag seien Versender durch wettbewerbsverzerrende Preisabsprachen von Fluggesellschaften bei Kerosin- und Sicherheitszuschlägen zwischen 1999 und 2006 geschädigt worden.
Aufgeflogen war der Betrug seinerzeit durch eine Selbstanzeige der Lufthansa Cargo in den USA, die die Kronzeugenregelung in Anspruch nahm. In der Folge wurde eine Vielzahl von Fluglinien wegen dieses Delikts von Gerichten in den USA, Kanada, Australien, Japan und weiteren Ländern zu teilweise hohen Geldbußen verurteilt. Die EU-Kommission hatte in der Summe Strafzahlungen von 800 Millionen Euro gegen Frachtfluglinien verhängt. Bei diesen Prozessen seien einzig und allein die jeweiligen Staaten durch Schadensersatzzahlungen begünstigt worden, während die Versender, als die finanziell eigentlich Geschädigten, keinen Cent an Kompensation erhalten hätten, so van Doesburg.
Anwaltskanzleien in mehreren Ländern bereiten Klagen vor
Seinen Angaben zufolge sind derzeit diverse Anwaltskanzleien in Irland, den USA, Großbritannien und den Niederlanden mit der Materie befasst, um Klagen vorzubereiten. Mit diesen sei für den Erfolgsfall ein Honorar in Höhe von 27,5 Prozent der kalkulierten Schadenssumme vereinbart worden. Dadurch erhöht sich die Gesamtforderung von Industrie und Anwälten an die Frachtfluggesellschaften auf über 6,5 Milliarden Euro, rechnet van Doesburg vor. Für den Fall aber, dass die Klagen vor Gericht scheitern, hätten die Rechtsanwälte das Nachsehen, da sie bei einer endgültigen Gerichtsentscheidung zu Ungunsten der Kläger das alleinige finanzielle Risiko trügen.
Namen von Airlines, die im Visier des European Shippers Council und deren Kanzleien stehen, nannte der Manager nicht. Hingegen deutete er an, dass sich vor allem in Europa beheimatete Versender sowie einige US-Industriefirmen an der Klage beteiligen würden, etwa Pharmaunternehmen und Firmen aus der IT-Branche. Zudem ließ er offen, ob deutsche ESC-Mitglieder wie etwa BASF, Siemens oder Continental zu den Klägern gehörten.
Der Manager kündigte weiterhin an, dass seine Vereinigung auch Spediteure belangen werde. Diesen seien als Ergebnis diverser Gerichtsprozesse, etwa in den USA, erhebliche Kompensationszahlungen zuerkannt worden. „Fakt ist, dass wir von diesem Geld nicht einen Cent gesehen haben, dabei sind wir als Auftraggeber der Transporte doch die eigentlich Geschädigten“, merkte van Doesburg an. Insofern verstehe er auch nicht die von Deutsche-Bahn-Tochter Schenker lautstark angekündigten Klagen gegen Frachtfluglinien in den USA und Deutschland und die dabei von Schenkers vorgerechneten hohen Kompensationsforderungen. „Die Preisabsprachen bei den Zuschlägen haben doch nicht die Spediteure geschädigt, sondern einzig und allein deren Auftraggeber, die versendende Industrie“, betonte der ESC-Manager. (hs)