Münster/Berlin. Die künftigen Fahrverbote werden die Luft in Berlin aus Sicht des Verkehrswissenschaftlers Gernot Sieg nicht sauberer machen. „Es ist anzunehmen, dass die Autofahrer andere Strecken nehmen, die nicht betroffen sind”, sagte der Professor der Uni Münster am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. Dadurch verlängerten sich Fahrten, und der Schadstoffausstoß insgesamt könne sogar leicht steigen, sagte Sieg. „An den Messstellen werden zwar die Grenzwerte erreicht, aber es wird einfach anders verteilt.”
Das Verwaltungsgericht Berlin hatte am Dienstag entschieden, dass in der Hauptstadt im Sommer 2019 mindestens elf Straßenabschnitte für Diesel der Abgasnormen Euro 1 bis 5 gesperrt werden. Einige Abschnitte sind sehr kurz, zum Beispiel ein rund 75 Meter langer Teil der Friedrichstraße. Geklagt hatte die Deutsche Umwelthilfe.
Das Münsteraner Institut für Verkehrswissenschaften hatte in einer Forschungsarbeit unter anderem belegt, dass Umweltzonen die Feinstaubbelastung deutlich gesenkt hätten. Viele Fahrer hätten ihre Autos nachgerüstet, sagte Sieg.
Ebenso hätte nach seinen Worten ein Diesel-Fahrverbot in der gesamten Berliner Umweltzone - wie es die Deutsche Umwelthilfe in ihrer Klage ursprünglich gefordert hatte - die Stickstoffdioxidbelastung gemindert. Für Autohalter fehlten aber preisgünstige Möglichkeiten zur Nachrüstung ihrer Fahrzeuge. „Ein flotter Austausch würde Autofahrern schwer fallen”, gab Sieg zu bedenken.
Auch der Berliner Grünen-Abgeordnete Harald Moritz warnte: „Streckenbezogene Fahrverbote werden Ausweichverkehr provozieren.” Anwohner in Nebenstraßen dürften nicht durch zusätzliche Verkehrsgifte belastet werden. „Wir brauchen Hardware-Nachrüstung auf Kosten der Auto-Konzerne und die Blaue Plakette, um die Gesundheit der betroffenen Anwohner zu schützen.” (dpa)