Paris. Ab März kommenden Jahres müssen sich drei Tochterunternehmen sowie sechs Führungskräfte der in Lyon ansässigen Spedition Norbert Dentressangle vor dem Tribunal Correctionnel in Valence wegen des Verdachts auf illegale Leiharbeit verantworten. Aus Brüsseler Sicht dreht es sich bei dem Verfahren um Sozialdumping-Praktiken innerhalb der EU, bei denen mit Subunternehmen aus Mitgliedsländern mit günstigeren finanziellen und sozialen Auflagen gearbeitet wird, schreibt die Pariser Les Echos dazu.
Im Falle Dentressangle sollen zwischen 2005 und 2012 rund 1500 portugiesische, rumänische und polnische Fahrer für internationale Transporte beschäftigt worden sein, und dies zu Bedingungen, deren Rechtmäßigkeit das Gericht in Zweifel zieht. Seine Untersuchungen hat es im Mai 2012 aufgrund einer Klage der christlichen Gewerkschaft CFTC gestartet.
Hintergrund ist die Frage, nach welchen gesetzlichen Vorgaben mobilen Arbeiter behandelt und entlohnt werden sollen. Hierüber geben die EU-Verordnungen offenbar keine klare Auskunft. Vor einem Jahr hatte Dentressangle-Chef Hervé Montjotin in einem Beitrag für Les Echos beklagt, dass es in der Gemeinschaft kein entsprechendes Berufsstatut gebe, mit dem man für solche Tätigkeiten gemeinsame und ebenso spezifische Bedingungen festlegen könnte. Zum bevorstehenden Verfahren in Valence erklärte jetzt die Pressestelle der Gruppe, ohne Rückgriff auf Subunternehmen könne sich Dentressangle auf dem internationalen Transportmarkt mit entsprechend wettbewerbsfähigen Angeboten nicht halten, - auch nicht die Position als privilegierter Partner seiner Kunden aus Industrie und Handel. Deshalb habe die Gruppe für ihre Agenturen in Osteuropa die Zusammenarbeit Subunternehmen „internalisiert“, und zwar nach den Qualitätsstandards „Norbert Dentressangle“.
Im Oktober hatte das Pariser Zentralbüro gegen illegale Arbeit (OCLTI) zwei solcher Dentressangle-Partner in Besançon durchsucht. Offiziell waren sie in Slowenien angemeldet. Sie sollen sieben Fahrer aus Bosnien für Transporte zwischen Frankreich und Deutschland eingesetzt haben, wobei fünf Fahrzeuge in Slowenien zugelassen waren und eines die Farben der Gruppe Dentressangle trug.
Nach Einschätzung der Pariser Fachanwältin Karine Bézille ist der im März vor Gericht zu verhandelnde Sachverhalt sehr komplex. Für Transporteure ergäben sich drei verschiedene Möglichkeiten. Die erste sei, alle in- und ausländischen Fahrer mit französischen Arbeitsverträgen auszustatten und ihnen damit den Zugang zur Sozialversicherung des Landes zu geben. Zweitens könne das Unternehmen mit internationalem Personal aus eigenen Tochterunternehmen arbeiten, dieses für Frankreich abstellen und nach der Sozialversicherung ihrer Heimatländer einstufen, sich bei den Löhnen und Arbeitszeiten jedoch nach den französischen Regeln richten. Fahrer, die in mehreren verschiedenen Ländern tätig sind, stellen laut Bézille einen dritten Fall dar. Für ihn lege die EU-Rechtsprechung fest, dass für diese jene Gesetze angewendet werden müssen, die in den Ländern gelten, in welchen die Beschäftigten gewöhnlich und hauptsächlich ihre Arbeit verrichten. Im Transportsektor heiße das, in welchem Land die jeweilige Be- und Entladung stattfindet und wo die verwendeten Fahrzeuge stationiert sind.
Dentressangle hat zu den demnächst verhandelten Vorwürfen erklärt, man habe niemals mit dafür abgestellten Fahrern aus Osteuropa gearbeitet, sondern sich immer strengstens an die EU-Auflagen gehalten. Deshalb sehe man dem Ausgang des Verfahrens und den Konsequenzen daraus mit Vertrauen entgegen. (jb)