Trend zur Transparenz

Die Ansprüche der chemischen Industrie an ihre Dienstleister steigen stetig. "Ein Chemielogistiker muss alle Prozesse beherrschen, die mit Gefahrstoffen und Gefahrgut zu tun haben", erklärt Thomas Schmidt, Vorsitzender der Geschäftsführung von Infraserv Logistics im Industriepark Höchst bei Frankfurt. Die Prozesse in der Chemieindustrie sind eng verzahnt und Kontraktlogistiker sind ein wichtiges Bindeglied in der Wertschöpfungskette, deshalb müsse der Dienstleister an die IT des Kunden angebunden sein. Schmidt: "Es geht hier um die virtuelle Begleitung der Warenströme." Die für Transport und Lagerung erforderlichen Genehmigungen würden ohnehin vorausgesetzt. Zugleich haben sich die Strukturen der Branche verändert: Sendungen werden immer kleinteiliger, dynamischer und kurzfristiger. "Studien belegen, dass früher oder später das Packgut entscheiden wird, wann es sich bewegt", weiß Jochen Schmidt, wie sein Kollege Mitglied der Infraserv-Geschäftsführung. Und weiter: "Wir haben in der Chemie zwar noch keine Just-intime-Anlieferung wie im Automotivesektor, aber die Tendenzen dorthin spürt man. Ich gehe davon aus, die Logistik wird sich generell in Richtung Echtzeit bewegen." Die Vergabe von Dienstleistungen wird in der Chemiebranche schon immer gepflegt. "Der Klassiker Transport liegt dabei ganz vorne, dann kommt die Lagerung, dann die Kommissionierung", zählt Jochen Schmidt auf. Managementthemen wie etwa die Auftragssteuerung gibt ein Chemieproduzent seiner Erfahrung nach allerdings selten aus der Hand, weil diese eng mit der Produktionsplanung verknüpft ist. Frachten würden meist jährlich ausgeschrieben, bei Lagerung und Kommissionierung verfolge man eher einen Zwei- oder Drei-, manchmal einen Fünfjahresrhythmus. "Und auch das Abfüllen von Produkten traut man einem Dienstleister zu", sagt Schmidt. Konzentration auf wenige Anbieter Ein deutlicher Trend in der Chemie ist die Konzentration auf wenige Dienstleister. "Man versucht, Logistikpakete möglichst nur einem oder wenigen Unternehmen zu geben", erklärt Sven Frerick, Leiter Marketing und Vertrieb bei Infraserv Logistics. Allerdings wollen die Auftraggeber laut Frerick auch bei solchen Konzepten ein Mitspracherecht haben bis hin zum Durchgriff auf den Subunternehmer. Große Chemiefirmen, so der Experte weiter, teilen ihre Ausschreibungen eher in die Einzelbereiche Transport, Lager und Kommissionierung auf. Teilweise werde sogar nach Verkehrsträgern unterschieden. Dabei gehe es aber immer um große Volumina. Mittelständische Kunden forderten eher das komplette Paket. Infraserv Logistics biete alle Leistungen an, im Sammelgutbereich arbeite man allerdings mit Partnern. Ein Schwerpunkt des Dienstleisters ist der interne Transport im Industriepark. Frerick: "Wir haben hier inzwischen 90 Firmen, die wir beliefern oder entsorgen." Hohe Nachfrage nach Kesselwagen Die Chemie ist durchaus bemüht, mehr Güter auf die Schiene zu bekommen. "Wo es sich rechnet, haben wir eine hohe Anfrage für Bahnkesselwagen", sagt der Vertriebschef. Auf Kurzstrecken bleibe jedoch der LKW die günstigste Lösung. "Ganzzüge sind eine gute Alternative, aber erst ab Entfernungen von mindestens 250 Kilometern", weiß Frerick und ergänzt: "Der Einzelwaggonverkehr ist heute teilweise finanziell gar nicht mehr darstellbar." Bei großen Mengen nutze sein Unternehmen, das am Standort ein großes Tanklager betreibt, auch das Binnenschiff, weil im Industriepark ein trimodales Terminal vorhanden ist. Um die Anforderungen der Kunden zu erfüllen, setzt Infraserv unter anderem ein Monitoringsystem zur Überwachung ein. Mithilfe von Trackingpunkten wird erfasst, wann die Ware das Tor passiert hat, wann sie am Lager angekommen ist und wann sie eingelagert wurde. In der anderen Richtung zeigt die Erfassung, wann die Ware zur Kommissionierung bereit steht, wann sie versandfertig ist, wann das Fahrzeug beladen ist und wann es den Industriepark verlassen hat. Key Performance Indicators (KPI) geben vor, wie lange das Handling an den einzelnen Stationen dauern darf. Die Ergebnisse des Monitorings nutzen zum Teil auch die Auftraggeber. "Unser Kunde schickt seinem Kunden die Rechnung, sobald wir bestätigen, dass der Warenausgang erfolgt ist", gibt Sven Frerick ein Beispiel. Im Vor- und Nachlauf arbeitet Infraserv Logistics mit webbasierten Lösungen, um Logistikpartner besser einbinden zu können. Dieses Modul ist auch für den Kunden freigeschaltet, der somit immer sehen kann, wo sich seine Ware befindet. "Wir werden in der Organisation immer transparenter. Das fordern die Chemiekunden zunehmend in den letzten drei, vier Jahren", fasst Jochen Schmidt zusammen. Infraserv Logistics Die Infraserv Logistics GmbH ist als Tochterunternehmen der Infraserv-Höchst-Gruppe Anbieter von logistischen Dienstleistungen für die Chemie- und Pharmaindustrie. Die Kernkompetenzen liegen unter anderem in der Lagerung von Gefahrstoffen sowie im Handling pharmazeutischer Roh- und Wirkstoffe nach GMP-Richtlinien. Infraserv Logistics lagert, schlägt um, verlädt und erbringt administrative Dienste wie Auftragsbearbeitung, Disposition, Rechnungsprüfung, Zollabwicklung, Beratung und Schulungen. Der Industriepark Höchst ist angebunden an Schiene, Straße sowie Wasserstraße mit einer eigenen Hafenanlage. Im Bereich Lagerlogistik verfügt das Unternehmen über 300.000 Quadratmeter Lagerfläche beziehungsweise 180.000 Paletten-Lagerplätze sowie eine Lagermöglichkeit für etwa 560 TEU, davon 279 TEU für Gefahrgüter. gh