Worms. Nach der Verkehrsministerkonferenz (VMK) der Länder und des Bundes vergangenen Donnerstag und Freitag in Worms deutet alles auf eine baldige Etablierung einer Bundesfernstraßengesellschaft hin. Diese soll für die Autobahnen zuständig sein, während die Länder im Rahmen der Auftragsverwaltung weiterhin die Planung und Finanzierung sowie den Erhalt der Bundesstraßen verantworten sollen. Erforderlich ist dafür eine Änderung des Grundgesetzes, der Bundestag und Bundesrat mit Zweidrittelmehrheiten zustimmen müssen. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte sich kürzlich optimistisch gezeigt, dass eine Verfassungsänderung noch in dieser Wahlperiode beschlossen werden könne.
Ausdrücklich heißt es im Beschluss der VMK: „Die Auftragsverwaltung hat sich bewährt. (…) Die Verkehrsministerkonferenz rät von vorschnellen Entscheidungen ab“. Die Länderressortchefs mahnen, Doppelstrukturen oder geteilte Zuständigkeiten bei der Bildung einer Bundesfernstraßengesellschaft und damit Mehrkosten zu vermeiden. Vielmehr müssten Synergieeffekte und Effizienzvorteile in allen Aufgabenbereichen der Straßenbauverwaltung genutzt werden, „die die Auftragsverwaltung durchaus bietet“. „Die Länder müssen auch künftig über regionale und lokale Belange bei Investitionsentscheidungen einbezogen werden“.
Klare Worte. Entsprechend offensiv fiel etwa die Reaktion des nordrhein-westfälischen Ressortchefs Michael Groschek aus. „Wenn der Bund eine eigene Autobahngesellschaft will, muss er erklären, wie er sich das vorstellt“, sagte der SPD-Politiker der „VerkehrsRundschau“. Der Staat dürfe sich nicht aus seiner Verantwortung für die Infrastruktur stehlen. Dobrindt unterstrich auf der zweitägigen Veranstaltung, dass er bei einer Zentralisierung von Aufgaben zunächst die Autobahnen im Blick habe. Die Bundesstraßen könnten im Rahmen der Auftragsverwaltung weiterhin von den Straßenbauverwaltungen der 16 Länder gebaut und betrieben werden. Diesen hatte Verkehrs-Staatssekretär Enak Ferlemann (CDU) kürzlich eine sehr unterschiedliche Qualität attestiert.
Bodewig-II-Kommission stellt Zwischenbericht vor
Als Gastredner zu diesem Tagesordnungspunkt war Dobrindts Amtsvorgänger Kurt Bodewig geladen, der seit Mitte Juli die Kommission „Bau und Unterhaltung des Verkehrsnetzes“ leitet und einen Zwischenbericht vorgelegte. Dieser sei von den Ministern positiv aufgenommen worden, sagte der SPD-Politiker auf Anfrage. Interessant ist vor allem der Vergleich mit den Nachbarländern Schweiz, Österreich, Frankreich und Dänemark dar. Fazit des Zwischenberichts, der der VerkehrsRundschau vorliegt: In keinem Land gibt es eine Auftragsverwaltung wie in Deutschland. Die Straßen werden entweder durch eine Behörde oder in privater Rechtsform verwaltet. Nach derzeitiger Planung will die Bodewig-II-Kommission im Februar 2016 ihren Abschlussbericht vorstellen.
Außerhalb der VMK stießen deren Überlegungen auf eine positive Resonanz: Die Verkehrsexpertin der Grünen-Bundestagsfraktion, Valerie Wilms, sicherte den Ländern die Zusammenarbeit zu und verwies auf ein unter ihrer Federführung erarbeitetes Konzept. Nötig sei eine akzeptable Lösung für alle Beteiligten. „Ich sehe, dass dies sehr gut möglich ist“. Da die Große Koalition im Bundesrat über keine Mehrheit verfügt, wäre für die Etablierung einer Bundesfernstraßengesellschaft die Zustimmung rot-grün regierter Länder erforderlich.
Die Straßenverkehrsinitiative Pro Mobilität plädiert gleichfalls für eine Bundesautobahngesellschaft ohne Zuständigkeit für die Bundesstraßen. Wichtig sei aber „als zweite Säule einer Reform“ eine Stärkung der Weisungsrechte des Bundes „bei nicht ausreichender Leistungsfähigkeit einer Verwaltung“, wenn die Länder weiterhin im Rahmen der Auftragsverwaltung für die Bundesstraßen zuständig blieben, betonte Geschäftsführer Stefan Gerwens auf Anfrage. (jök)