Start in die Zukunft

Nein, wir sehen hier nicht bereits das erste Facelift des schließlich erst im Sommer präsentierten Iveco S-Way. Obwohl der "Tre" gerade im Innenraum viele Details in sich trägt, die in Zukunft auch im S-Way zur Anwendung kommen könnten, wie die Iveco-Verantwortlichen vorsichtig andeuten. Die 4x2-Sattelzugmaschine, später soll eine dreiachsige Version mit 26 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht folgen, verkörpert vielmehr erste Ergebnisse der erst vor drei Monaten verkündeten Zusammenarbeit zwischen Iveco und dem US-Start-up Nikola. Der Tre wird nicht von Diesel oder Erdgas verbrennenden Sechszylindern angetrieben - mit denen sind die ehrgeizigen CO2-Ziele der Europäischen Union keinesfalls darstellbar. Deshalb rollt der Tre vollelektrisch, voraussichtlich ab 2021 zunächst als rein batteriebetriebene Version zum Kunden. Später, wohl ab 2023, soll dann eine Brennstoffzelle die neun im Unterboden der Zugmaschine verbauten acht 800-Volt-Akkupakete mit 720-kWh-Gesamtkapazität verbannen. Ein ehrgeiziger Plan, schließlich räumen sich die europäischen Wettbewerber deutlich längere Zeiträume bis zur Serienreife der Brennstoffzelle ein. Noch zu beweisen blieben ebenfalls die versprochenen 400 Kilometer Reichweite beim batteriebetriebenen Modell - selbstredend im beladenen Zustand. Der Stromvorrat soll sich übrigens in nur 120 Minuten wieder auffüllen lassen. Dem Antriebsstrang dürften selbst 40 Tonnen kaum mehr als ein müdes Lächeln entlocken. Dafür sorgen 480 Kilowatt oder altmodisch, aber für viele besser vorstellbar ausgedrückt, 653 PS sowie 1800 Newtonmeter Drehmoment. Erzeugt wird die Leistung von zwei an der Hinterachse angeflanschten Elektromotoren, bei deren Entwicklung Bosch mit im Boot sitzt. Der gleiche Antriebsstrang kommt beim Modell mit Brennstoffzelle zum Einsatz. Die Akkus verschwinden hier zugunsten eines bis zu 80 Kilogramm fassenden Wasserstofftanks, der laut Hersteller für bis zu 800 Kilometer genügen soll. Einmal Volltanken soll nach lediglich 15 Minuten erledigt sein, sofern der Fahrer denn eine Wasserstofftankstelle findet. Wasserstoff vor Ort herstellen Auch darum will sich Nikola kümmern. Ähnlich dem Wirken auf dem heimatlichen Markt, wo bereits einige der Nikola-Two-Modelle im Kundenversuch laufen, träumen die US-Amerikaner von einem lückenlosen Tankstellennetz, bei dem bis zu 17.000 Liter Wasserstoff vor Ort hergestellt werden. Natürlich zu 100 Prozent aus regenerativen Quellen, beispielsweise per Solaranlagen. Dafür würde es aber bis vier Hektar großer Flächen bedürfen - auf dem europäischen Kontinent vielerorts sicher nicht unproblematisch. Die Iveco-Verantwortlichen gehen in den ersten Jahren daher auch eher von einer externen Tankstellen-Versorgung aus. Um den Stromverbrauch im Rahmen zu halten, verfügt der Tre unter anderem über aerodynamisch optimierte Kamerasysteme anstatt Außenspiegel à la Mercedes-Benz Actros. Inspiration aus Wörth am Rhein scheinen sich die Designer auch im Innenraum geholt zu haben: Der Tre verfügt über ein ähnliches Bildschirm-Bediensystem wie der aktuelle Actros. Unkonkreter bleibt man bei der wichtigen Frage, was der Tre am Ende kosten könnte. Nikola verweist auf sein Geschäftsmodell für die USA. Dort setzt man auf ein Komplett-Leasing, in dem auch der Wasserstoff für 700.000 gefahrene Meilen in sieben Jahren inkludiert ist. Ob das so aber auch in Europa zur Anwendung kommen wird, ist noch ungeklärt. Aber bis 2023 bleibt ja noch etwas Zeit. Mehr zum Thema unter #HybridundElektroLkw www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Die Nikola Corporation entwickelt und fertigt nach eigener Aussage wasserstoffelektrische Fahrzeuge, Elektrofahrzeugantriebe, Fahrzeugbauteile, Energiespeichersysteme und Wasserstoffstationen.Das 2014 gegründete Unternehmen befindet sich in Privatbesitz und hat seinen Hauptsitz in Arizona, USA. Fazit - Ein optimistischer Plan In höchstens vier Jahren wollen Iveco und Nikola mit der Brennstoffzelle in die Serie starten. Klingt optimistisch, denn bislang handelt es sich bei dem gezeigten Tre nur um eine schicke Hülle ohne jeglichen Antriebsstrang. Und der Wettbewerb gibt unumwunden zu, für Ähnliches noch deutlich länger zu brauchen. Wichtige Fragen lässt Nikola zudem offen, beispielsweise wie die Kühlung des 700-bar-Systems in der kompakten 4x2-Sattelzugmaschine funktioniert und wie der hohe Strombedarf für die regenerative Wasserstofferzeugung gedeckt werden soll.Andererseits werden mutige Vorstöße in Zeiten des Klimawandels dringend benötigt und der Druck auf die Hersteller, die Klimaziele der EU einzuhalten, ist gewaltig. Insofern dürfte die Entwicklung nicht nur in Turin auf Hochtouren laufen.Jan Burgdorf Test-Redakteurjan.burgdorf@springernature.com

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