Berlin. Die Bundesregierung will die Lkw-Maut ab Juli 2018 auf alle 40.000 Kilometer Bundesstraßen ausweiten. Dadurch nimmt die Zahl der mautpflichtigen Fahrzeuge von zuletzt 1,6 Millionen voraussichtlich um etwa 130.000 zu – ein Plus von 8 Prozent. Das geht aus dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesfernstraßengesetzes, der der VerkehrsRundschau vorliegt, hervor.
Demnach soll die Erweiterung dem Staat – abhängig von der Höhe der Lkw-Maut-Sätze auf Bundesstraßen – bis zu 2 Milliarden Euro zusätzlich pro Jahr einbringen. Bislang betreibt Toll Collect das Lkw-Inkasso im Bundesauftrag auf Autobahnen und vierspurigen Bundesstraßen. 2014 kassierte das Unternehmen auf diese Weise rund 4,5 Milliarden Euro von der Transport- und Logistikbranche.
Diese Mehreinnahmen sollen gemäß dem Papier in Zukunft die Finanzierung der Bundesfernstraßen erleichtern und der Verkehrsinfrastruktur zugutekommen. Bisher erhebt der Staat die Maut bei Lkw ab 7,5 Tonnen auf rund 12.800 Kilometern Bundesautobahnen und auf etwa 2300 Kilometern autobahnähnlichen Bundesstraßen.
Die Lkw-Maut könnte in Zukunft deutlich höher ausfallen
Zur künftigen Höhe der Nutzungsgebühr macht der Gesetzentwurf keine Aussage, weil das neue Wegekostengutachten 2018-2022 noch aussteht, das die bereits durchgeführten Lkw-Maut-Änderungen im vergangenen Jahr berücksichtigt. Angesichts der kalkulierten Mehreinnahmen rechnen Experten aber auf Basis der bisherigen Wegekostenrechnungen mit einer um bis zu dreimal höherer Bundesstraßenmaut im Vergleich zur Autobahnmaut.
Auch der Bundesverband Möbelspedition und Logistik, der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung, der Bundesverband Wirtschaft, Verkehr und Logistik und der Deutsche Speditions- und Logistikverband fürchten, dass die Bundesstraße künftig mehr kosten könnte als die Autobahn. Sie warnen daher vor einer Differenzierung der Tarife nach der jeweiligen Art der Straße. Die Lkw-Maut würde so zum Wettbewerbsfaktor in Industrie und Handel, betonten sie.
Höhere Mautsätze für Bundesstraßen hätten verheerende Auswirkungen auf die regionale Wirtschaft in Deutschland. Verladende Unternehmen, die nicht in der Nähe einer Autobahn angesiedelt sind, würden durch eine Verteuerung der Transporte spürbare Nachteile erleiden, was zu Verlagerungen der Produktions- und Lagerstandorte sowie der dazugehörigen Arbeitsplätze in autobahnnahe Regionen und Ballungszentren führen könnte.
450 Millionen Euro für Mautharmonisierung weiterhin vorgesehen
In dem Gesetzentwurf sichert der Bund dem Güterverkehrsgewerbe als Entlastung für die gezahlte Lkw-Maut weiterhin bis zu 450 Millionen Euro jährlich für Beschäftigungs-, Qualifizierungs- sowie Umwelt- und Sicherheitsprogramme zu. Eine gesetzliche Klarstellung, welche Maßnahmen förderfähig sind, wie sie Branchenvertreter fordern, ist aber nicht vorgesehen. Genauso wenig ist der Vorschlag eingegangen, eine Zweckbindung zu verankern, falls das Geld nicht abgerufen wird.
Auch elektrisch betriebene Lkw sollen künftig in den Mautsätzen von Toll Collect Berücksichtigung finden. Sie stehen ab Sommer 2018 in Kategorie A neben Fahrzeugen der Schadstoffklasse S 6. Nach den aktuellen Mautsätzen würden Unternehmen für diese je nach Achsenzahl zwischen 8,1 und 13,5 Cent pro Kilometer zahlen. Allerdings ändern sich die Tarife mit dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung vermutlich.
Die On Board Units (OBU) in Lkw müssen Unternehmer, die bereits Maut zahlen, nicht austauschen. Ein Software-Update genügt. Diejenigen, die wegen der Lkw-Maut-Ausweitung nachrüsten müssen, haben hingegen einen gewissen Aufwand: Das Bundesverkehrsministerium rechnet damit, dass für diese Betriebe der Einbau und die Standzeit pro Fahrzeug rund 250 Euro kosten wird.
Weitere Gewichtsabsenkung bei Lkw-Maut möglich
In dem Gesetzentwurf lässt sich die Bundesregierung außerdem die Option offen, die Maut auf kleinere Lkw zwischen 3,5 und 7,5 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht und auf Fernbusse auszudehnen sowie die Lärmkosten bei deren Berechnung einzubeziehen. Bis Ende 2017 soll geprüft werden, inwiefern dies möglich ist.
Dies sorgt in Berlin für Diskussionen: Eine Ausweitung der Maut auf alle Lkw ab 3,5 Tonnen nur als Prüfauftrag ins Gesetz zu schreiben, sei „absurd”, sagte der stellvertretende Grünen-Fraktionschef Oliver Krischer am Wochenende der Nachrichtenagentur „dpa”. Lkw seien zu über 90 Prozent für den Verschleiß von Straßen und Brücken verantwortlich, daher müssten sie auch zuvorderst den Erhalt finanzieren.
Der verkehrspolitische Sprecher der SPD, Sören Bartol, forderte, das Kabinett müsse zügig den Gesetzentwurf beschließen. „Nur so kann der Start für 2018 rechtssicher technisch vorbereitet werden.“ Er stellte in diesem Zusammenhang aber gleich klar: „Eine Handwerkermaut für Fahrzeuge ab 3,5 Tonnen wird es mit der SPD nicht geben.“ (ag)
Konrad M