"Sicherheit ist das heiße Thema"

Am 16. September war es wieder soweit: Die Türen aller Apple-Läden weltweit öffneten sich und die Fans stürmten hinein, um als Erste das neue IPhone 7 in den Händen zu halten. In diesem Jahr war das Interesse sogar so groß, dass man das Gerät im Internet vorbestellen musste, nur um einen Platz in der Warteschlange vor dem Geschäft zu bekommen. Nicht zuletzt dank dieser Maßnahme lief der Marktstart reibungslos. Glücklich waren aber nicht nur jene Apple-Fans, die mit einem kleinen weißen Karton nach Hause gehen konnten, sondern auch zahllose Logistiker rund um die Welt: Denn die Premiere eines neuen Smartphones ist ein Großprojekt, das von allen Beteiligten Höchstleistungen erfordert. In dieser Nische sind Sicherheitseskorten, Tarnverpackungen und Verschwiegenheitsklauseln an der Tagesordnung - und viel technischer Aufwand. Doch der lohnt sich: Wer sich als Dienstleister in der Smartphone-Logistik etabliert hat, kann mit regelmäßigen Aufträgen rechnen - schließlich bringen die Hersteller alle 24 Monate ein neues Modell heraus. "Sicherheit ist das heiße Thema", sagt Scott Allison, Senior Vice President bei DHL und für den Technologiesektor in Nordund Südamerika verantwortlich. Die Post-Tochter organisiert für viele namhafte Handykonzerne weltweit die Distributionslogistik. "Entscheidend ist die Startphase", so Allison. Der Hintergrund: Ein neues Modell darf vor dem ersten Verkaufstag unter keinen Umständen an die Öffentlichkeit gelangen. Das wäre ein Fest für die Ingenieure der Konkurrenz - und für den schuldigen Logistiker vermutlich der letzte Auftrag. Aber auch danach bleibt die Lage angespannt. Denn bei der Premiere eines neuen Handys sind die ersten 30 Tage entscheidend. In dieser Zeit muss der Hersteller möglichst viele Exemplare absetzen, weil danach die ersten Preisabschläge kommen. "Dann normalisiert sich die Lage - natürlich bei gleichbleibend hohen Sicherheitsanforderungen", weiß Allison. Produktspione und Frachtdiebe Entlang der Transportkette stellen aber nicht nur Produktspione eine Gefahr dar, sondern vor allem Frachtdiebe. Seit den Geräten keine gedruckten Anleitungen mehr beiliegen und die mitgelieferten Netzteile geschrumpft sind, passen nicht mehr 200, sondern bis zu 800 Stück auf eine Palette. So kann eine komplette Lkw-Ladung leicht einen Wert von mehreren Millionen Euro erreichen. Außerdem lassen sich Smartphones leicht weiterverkaufen, was sie für Diebe zusätzlich interessant macht. Entsprechend ausgefeilt sind die Methoden, mit denen sie zu Werke gehen: Erst im September haben Diebe in den Niederlanden eine ganze Palette mit Smartphones aus einem Lkw entwendet - während der Fahrt! Sie nutzen eine kleine Sicherheitslücke aus. Da das Heckschloss klemmte, hatte es der Fahrer durch ein einfaches Bügelschloss ersetzt. Das knackten die Diebe mit einem Bolzenschneider, stiegen in den Laderaum und reichten die erbeuteten Telefone an ein verfolgendes Fahrzeug weiter. Mobiltelefone - stets mit zwei Fahrern Um solche Fehler zu verhindern, gilt bei Mobilgeräten entlang der gesamten Lieferkette Sicherheitsstufe eins. Ware lagert ausschließlich in bewachten Hallen, Transporte werden zum Teil eskortiert, neutrale Umverpackungen sollen dafür sorgen, dass die wertvolle Fracht nicht sofort zu erkennen ist. Viel verraten die Logistiker indes nicht über ihre Sicherheitsmaßnahmen. Man wolle Kriminelle nicht auf Ideen bringen, so das nachvollziehbare Argument. DHL gibt lediglich an, dass alle externen Dienstleister nach den Sicherheitsanforderungen des Branchenverbandes Tapa (Transported Asset Protection Association) arbeiten müssen. Sie verlangen unter anderem eine umfangreiche Ausstattung der Fahrzeuge (siehe Kasten Seite 23). Technik allein ist ohnehin erst der Anfang. "Wir fahren Mobiltelefone grundsätzlich mit zwei Fahrern, um seltener halten zu müssen", erklärt Markus Prinz, Qualitäts- und Sicherheitsmanager bei Time Shuttle, einen mittelständischen Dienstleister aus Aachen, der sich auf wertvolle Fracht spezialisiert hat und auch regelmäßig Mobiltelefone transportiert. Müsse der Lkw dennoch einen Stopp einlegen, werde grundsätzlich ein umzäunter und bewachter Parkplatz angesteuert, so Prinz. "Wir erfüllen alle Sicherheitsanforderungen - auch bei Teilladungen." Grundsätzlich beginnt die Transportkette von Mobilgeräten meist am Flughafen. Die Geräte werden palettenweise aus Asien eingeflogen und noch auf den Luftfrachtblechen in Lkw verladen. Sie am Airport aufzubrechen wäre zu riskant. Hier gab es in der Vergangenheit schon häufig Pannen. Der Tapa ist zum Beispiel ein Fall bekannt, in dem Diebe noch auf dem Vorfeld des Flughafens die Mobiltelefone aus einer Palette entwendet haben - und zwar durch den Boden, damit von außen nichts zu erkennen war. Anstelle der Handys legten sie Wasserflaschen in die Palette und überlisteten auf diese Weise die anschließenden Gewichtskontrollen. Deshalb werden die Luftfrachtbleche erst in einem Umschlagzentrum unter Kameraaufsicht runtergebrochen. Die Sicherheit hat ihren Preis Dort überprüft die verladende Spedition Ware sowie Dokumentation und verteilt die einzelnen Chargen auf Lkw der Frachtführer. Zuvor findet allerdings eine erneute Kontrolle des Dienstleisters statt: Steht wirklich das angekündigte Fahrzeug an der Rampe mit dem avisierten Fahrer am Steuer? Und erfüllt der Lkw alle Sicherheitsanforderungen? Anhand einer Checkliste wird unter anderem geprüft, ob Boden, Dach und Seitenmaterial stabil genug sind. Erst nach diesen Tests reisen die Geräte weiter zu den Zentrallagern der Elektronikmärkte oder zu den Mobilfunkprovidern. So viel Sicherheit hat natürlich ihren Preis. Allein die Sicherheitsausstattung des Equipments und zusätzliche Prozeduren machen den Transport von Mobiltelefonen im Vergleich zu normaler Ladung um 15 bis 20 Prozent teurer, schätzen Profis - wenn der Frachtführer tatsächlich den Tapa-Standard TSR 1 erfüllt. Doch das tun freilich nicht alle. Wie überall gibt es auch hier schwarze Schafe: Sie versprechen in ihrem Angebot Hochsicherheit, schicken aber einen normalen Planen-Lkw los. Das Kalkül: Wenn 100 Transporte gut gehen und nur bei einem die Ladung verschwindet, lohnt sich das Geschäft immer noch, inklusive der Mehrkosten für die Versicherung. Eine Milchmädchenrechnung. Denn häufig ist danach nicht nur die Ladung weg, sondern auch das gute Image - und ein mittelständischer Betrieb kann dicht machen. Um die Sicherheitsanforderungen auch finanzieren zu können, setzt Time Shuttle auf Konsolidierung und Teilladungsgeschäft. "Wir haben viele Kunden aus der Elektronikbranche. Das heißt, Transporte gehen mit den gleichen Sicherheitsanforderungen in das gleiche Zielgebiet", erklärt Manager Prinz. Brandrisiko ist im Fokus Ein weiteres kritisches Thema sind die Akkus: Seit Samsung Mitte September seine Handys vom Typ Galaxy Note 7 zurückrufen musste, weil einige in Flammen aufgegangen waren, ist das Thema Brandrisiko wieder in aller Munde. In den USA weigern sich die Paketdienste FedEx und UPS aktuell sogar, Geräte dieses Typs zu befördern. Neu ist die Problematik nicht: Seit Februar dürfen Lithium-Ionen-Akkus als kommerzielle Fracht in Passagierflugzeugen mitttransportiert werden. Profis allerdings mahnen zur Ruhe. Sie weisen darauf hin, dass das Verbot nur für Akkus gilt, die separat ohne Endgeräte verschickt werden. Wenn sie einzeln in (ausgeschalteten) Geräten verbaut sind, dürfen sie weiterhin transportiert werden. Jede andere Regelung wäre auch fatal für die Smartphone-Logistik. Denn wenn das nächste Iphone mit dem Containerschiff aus Asien nach Deutschland reisen müsste, wäre es bei Ankunft vermutlich schon veraltet. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Kontraktlogistik www.verkehrsrundschau.de/dossiers VR-Checkliste Was Spediteure bieten müssen, um Smartphones zu transportieren Organisation- Hintergrundchecks für alle Mitarbeiter- Routen- und Stopp-Planung für jede Tour- Stopps nur auf umzäunten, beleuchteten und überwachten Parkplätzen- Fahrer muss bei allen Be- und Entladungen zugegen sein (falls dies der Versender zulässt)- Verlader wird bei Routenänderungen oder Verzögerungen sofort informiertFahrzeuge- Trailer und Zugmaschine sind GPS-überwacht (eigene Notstromversorgung)- Sensoren an Kupplung und Trailer-Tür, Zustandsänderungen werden automatisch an die Zentrale gemeldet- Aufschaltung auf eine Überwachungszentrale, die 24 Stunden am Tag besetzt ist- Stiller Alarm (Panikknopf) im Führerhaus der Lkw cgQuelle: Tapa (Transported Asset Protection Association), Trucking Security Requirements (TSR 1), Auszug

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