Serie „Krisen erfolgreich meistern“

Serie „Krisen erfolgreich meistern“Firmen, hört die Signale!Was Transport- und Speditionsbetriebe tun können, wenn die Ertragslage schwieriger wird. Unsere Serie zeigt Wege auf, wie sich Krisen erfolgreich meistern lassen und Firmenchefs der Turnaround gelingen kann. Teil 1: „Warnsignale frühzeitig erkennen“. Wann ist ein Unternehmen in der Krise? „Wenn die Standardaufträge ausbleiben oder zu schlechteren Konditionen ausgeführt werden, kurz, wenn man kein Geld mehr verdient“, bringt es Geschäftsführer Thomas Usinger der Spedition Usinger & Trombetta in Hamburg auf den Punkt. Eine Situation, die viele Transport- und Speditionsbetriebe mehr oder minder seit dem Jahr 2008 kennen. Anfang 2013 wies das Konjunkturbarometer des Bundesverbands Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) sogar die schlechtesten Werte seit dem Krisenjahr 2009 aus. Jeder zweite Betrieb vermeldete da laut dem BGL Umsatzeinbußen; die Gewinne sanken, die Kosten stiegen, die Pleiten nahmen zu. Seit wenigen Monaten ziehen die Frachtmengen zwar wieder an, die Auftragslage bessert sich. Noch ist aber nicht sicher, ob es sich um eine Trendwende handelt oder nur um Nachholeffekte, die durch das schlechte Frühjahr entstanden sind. Wie auch immer: Nach der Krise ist vor der Krise. Deshalb sollten Unternehmer jetzt handeln und ihre Firma fit machen. Wie, zeigt eine neue Serie (siehe Kasten). In den seltensten Fällen kommt eine Krise überraschend. Etwa wenn ein großer Kunde plötzlich Insolvenz anmeldet oder wenn ein wichtiger Mitarbeiter die Firma verlässt. Vielmehr kündigen sich die meisten Unternehmenskrisen lange vorher an. Sie kommen schleichend und Einflüsse von außen, wie die konjunkturelle Entwicklung, verschärfen nur die ohnehin vorhandenen und lange Zeit ignorierten Schwächen im Management oder in der Strategie der Firma. Verhängnisvolle Versäumnisse In der täglichen Praxis überhören allerdings die meisten Unternehmer die Signale. Dass die Firma in der Krise steckt, nehmen sie erst wahr, wenn sie sich in der Liquidität niederschlägt. Dann aber ist es oft schon zu spät, um zu reagieren. „Untersucht man jedoch die Ursachen der Krise, erkennt man häufig, dass der Liquiditätskrise bereits eine Erfolgs- sowie auch eine strategische Krise vorausgegangen sind, diese aber nicht oder nicht rechtzeitig erkannt wurden“, heißt es in einem Internetportal für Unternehmer des Bundeswirtschaftsministeriums. Eine strategische Krise beginnt demnach schon drei bis fünf Jahre vor der Insolvenz, die sogenannte „Erfolgskrise“ startet zwei bis drei Jahre und die „Liquiditätskrise“ etwa ein bis zwei Jahre vor der Pleite. „Bei manchen Firmen dauert die letzte Phase gar nur wenige Monate“, weiß Unternehmensberater Hans-Joachim Brüser aus Korschenbroich. Die strategische Krise ist am schwersten zu erkennen. In dieser Phase ändern sich die Märkte oder die Bedürfnisse der Kunden, neue Konkurrenten kommen auf den Markt und werden unterschätzt oder die Standortfaktoren verändern sich. Viele Unternehmer verfahren in dieser Phase, als wäre alles wie immer. Schuld daran ist das Tagesgeschäft, das so viel Aufmerksamkeit auf sich zieht, dass für die Marktbeobachtung oder für Gespräche mit Kunden keine Zeit bleibt. Dieser Krisenauslöser bleibt daher meist unbemerkt, weil er sich noch nicht auf den Umsatz oder in der Liquidität auswirkt. Dieser Krise entgegensteuern kann ein Unternehmer durch eine regelmäßige Marktbeobachtung und durch Gespräche mit Kunden, um Veränderungen in deren Wünschen frühzeitig zu erfahren. „Man muss in dieser Situation klären: Gibt es überhaupt eine Unternehmensstrategie, die verändert oder optimiert werden kann?“, rät Brüser. Die Spedition Usinger hat bereits vor Jahren ihre Strategie dem Markt angepasst. Angesichts der zunehmenden Konkurrenz und der austauschbaren Angebote verabschiedete sie sich von den klassischen A-B-Transporten und konzentrierte sich auf Lang- und Schwergut, während Lagerung und Baustellenlogistik nach wie vor zu den Geschäftsfeldern des Unternehmens gehören. „Lang, schwer und dreckig“, umreißt Usinger die Firmenstrategie. Viele Betriebe wachen zu spät auf Viele Unternehmer reagieren dagegen erst, wenn sie sich in einer Ertragskrise befinden. Sinkende Umsätze und Gewinne können dann nicht mehr ignoriert werden. Eine fatale Abwärtsspirale droht: Es steigt der Druck, über Preisnachlässe mehr Umsatz zu erzielen, das belastet das Ergebnis, die Kosten bleiben gleich oder steigen sogar, Verluste sind die Folge. Denn in der Krise schauen Kunden zwar auf den Preis, erwarten aber gleichbleibende Leistung. Das bedeutet weniger Gewinn. Der größte Fehler besteht darin, zu glauben, das sei nur eine vorübergehende Phase und es ginge schon wieder aufwärts. Viele Firmen versuchen, diese Phase mit Darlehen, dem Ausschöpfen der Kontokorrentkredite oder durch privates Geld zu überstehen. Am Ende haben sie meist nur höhere Schulden. In dieser Phase hilft nur eines: Ein Unternehmer muss sich seine betriebswirtschaftlichen Kennzahlen und Auswertungen (BWA) des Steuerberaters genau anschauen. Besondere Bedeutung kommt der Kennziffer Cashflow zu, der den aus der Geschäftstätigkeit erzielten Nettozufluss liquider Mittel während einer Periode darstellt. Auch den Auftragsbestand muss ein Unternehmer im Auge behalten. „In diesem Krisenstadium geht es schon um radikale Schnitte in dem Betrieb“, erklärt Berater Brüser. Spätestens dann muss ein Unternehmer prüfen, ob sein Geschäftsmodell noch funktioniert, wie er neue Kunden und Zielgruppen erschließen kann, mit welcher Kooperation er zusammenarbeiten und wo er Kosten sparen will. In dieser Phase können externe Berater hilfreich sein. „Manchmal ist man betriebsblind“, weiß Usinger. Jemand von außen erkenne leichter, ob man am Markt vorbei produziert oder zu hohe Kosten hat. Auch Usinger musste Mitarbeiter entlassen, konzentrierte sich aber zugleich auf neue Geschäftsfelder. Da die Konkurrenz im Fernverkehr durch neue Firmen und Fahrer aus dem Ausland stetig zunahm, entdeckte er den Nahverkehr für sich: „Das Geld wird heute in der Region verdient“, sagt er. Richtig sichtbar wird die Krise für die meisten Unternehmer erst, wenn sie sich in der Liquidität auswirkt: Wenn die Liquiditätskrise ausbricht, wird es richtig eng. „Dann befinden wir uns im Endstadium einer längeren Entwicklung“, führt Berater Brüser aus. Erst wenn das Konto dauerhaft im Minus ist, Rechnungen nicht mehr fristgerecht bezahlt werden können und erste Lastschriften mangels Deckung auf dem Konto zurückgehen, realisieren viele Unternehmer den Ernst der Lage. Über den Verkauf von Betriebsmitteln, etwa einem LKW, sollen dann schnell liquide Mittel generiert werden. Ohne drastische Einschnitte ist die Firma aber nicht mehr zu retten. Das ist schmerzhaft für Mitarbeiter und Unternehmer. Die privaten Entnahmen müssen zurückgestellt werden, die Kosten müssen runter, Außenstände konsequent eingetrieben werden. Spätestens jetzt muss das Gespräch mit den Gläubigern gesucht werden. Lassen sich Tilgungen vorübergehend aussetzen? Rückzahlungen stunden? Diese werden sich nur darauf einlassen, wenn das Unternehmen einen glaubhaften Plan hat, wie sich die Situation auf absehbare Zeit verbessern lässt. Mit einem „das wird schon wieder“ hat man wenig Chancen. Kleine und mittlere Betriebe können dabei auch externe Hilfe in Anspruch nehmen. So bietet die staatliche KfW-Bank eine Beratung von Firmen in Schwierigkeiten an (www.rp-suche.de). Ein Unternehmensberater erstellt eine Schwachstellen- und Betriebsanalyse und erarbeitet einen Lösungsvorschlag. Die Kosten trägt die KfW.Um gar nicht erst in diese Situation zu kommen, sollten Unternehmer sogenannte Frühwarnsysteme installieren (siehe Kasten Seite 27). Aktiengesellschaften sind dazu sogar verpflichtet. Mittelständische Firmen setzen solche Systeme aber eher selten ein. Vor allem Familienbetriebe verlassen sich lieber auf ihr Bauchgefühl. Doch Usinger weiß: „Wenn Sie sich auf ihr Bauchgefühl verlassen, ist es zu spät.“ Er setzt auf die Auswertung betriebswirtschaftlicher Zahlen. Insbesondere die Umsatzrentabilität und die Eigenkapitalquote sind gute Indikatoren, ob das Unternehmen noch gesund ist oder schon Probleme hat. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser Einige Krisenfrüherkennungssysteme lassen sich in das Rechnungswesen integrieren und weisen automatisch auf negative Entwicklungen hin. Die meisten dieser Systeme vergleichen in regelmäßigen Abständen bilanzielle Kennzahlen und schlagen Alarm, wenn bestimmte Werte unter- oder überschritten werden. Kleinbetriebe brauchen aber keine teuren IT-Lösungen. Für das Bundeswirtschaftsministerium ist das beste Krisenfrüherkennungssystem die sorgfältige Beobachtung, wie sich Umsatz und Kundenstruktur entwickeln, wie zufrieden die Mitarbeiter sind und wie viel Umsatz je Mitarbeiter erzielt wird. Ein solches Frühwarnsystem kann auch darin bestehen, dass regelmäßig mit Außendienstmitarbeitern oder den Fahrern gesprochen wird. Sie sind regelmäßig mit Kunden in Kontakt und wissen oder erspüren oftmals frühzeitig, dass etwas nicht in Ordnung ist. Laut Unternehmensberater Brüser reicht kleinen Firmen auch eine einfache Finanzplanung mit Excel. Darin werden alle monatlichen Kosten wie Personal, Versicherungen, Raummieten oder Fahrzeugkosten aufgelistet. „Dann kann man jederzeit kontrollieren, ob man im Plan ist oder nicht“, sagt er. Eine solche Aufstellung bieten auch viele Steuerberater an. „In vielen Firmen ist diese auch sorgfältig abgeheftet“, weiß Brüser. Nur schauen sich die wenigsten diese Aufstellungen auch an. ❙❚■ Alexander Heintze, freier Journalist Die Serie Unternehmenskrisen – erfolgreich meisternVR 39: Warnsignale frühzeitig erkennenVR 40: Höhere Erträge – welche Maßnahmen helfen VR 41: Neue Kunden gewinnen via Internet VR42: Die Effizienz von Mitarbeitern erfolgreich steigern Praxislösung Das Frühwarnsystem von Seifert Logistics Die Seifert Logistics Group (SLG) hat sich im harten Wettbewerb im Transport- und Speditionsgewerbe bislang gut behauptet. Allein im letzten Jahr schuf der Ulmer Dienstleister 164 neue Jobs. Der Umsatz wuchs um ein Fünftel auf 97 Millionen Euro. In diesem Jahr sollen es erstmals über 100 Millionen Euro werden. Einen Grund für den Erfolg sieht Geschäftsführer Günter Walser in der breiten Aufstellung des Unternehmens. Mit einem Anteil von einem Viertel am Umsatz ist die Automobilindustrie das wichtigste Segment, gefolgt von Chemie, Baustoffe, Papier, Handel und anderen Branchen. Um rechtzeitig auf drohende Krisen reagieren zu können, werden diese Branchen genau beobachtet. „Die intensive Analyse von Branchen ist das A und O“, sagt Walser. Halbjährlich werden dazu gesamtwirtschaftliche Indikatoren wie die Konjunkturentwicklung sowie Umsatz und Wachstum innerhalb einer Branche ausgewertet. Zudem setzt er auf direkte Gespräche mit den Firmen. In persönlichen Gesprächen mit Kunden ließen sich Stimmungen und Schwankungen frühzeitig erkennen. „Das Ergebnis mündet in eine Strategie, wie wir diese Branchen die nächsten sechs, neun Monate behandeln“, erklärt der Geschäftsführer. Derzeit beobachtet er, dass die Automobilproduktion in West- und Osteuropa sowie in Nordamerika zurückgeht. In Asien dagegen steigt sie an. „Also machen wir weniger Projekte in der Automobilindustrie“, führt Walser aus. Schon zu Beginn der Krise, 2008, half das dem Ulmer Logistiker. Der Umsatz brach 2009 in diesem Bereich um etwa 80 Prozent ein. Dafür verdoppelte sich das Volumen in der Boombranche Pharma. „Wir haben Mitarbeiter frühzeitig von der Autobranche in die Pharmabranche umgeschichtet“, sagt Walser. So musste niemand entlassen werden. Auch jetzt sieht er in der Pharmabranche Chancen. „Wir schauen auf die Ausschreibungen der Krankenkassen und gehen dann gezielt auf die Pharmaunternehmen zu.“ ah Die meisten Unternehmenskrisen künden sich erfahrungsgemäß lange vorher an Frühzeitig Warnsignale erkennen – die wichtigsten Kennzahlen Schon mit wenigen Kennzahlen kann ein Unternehmer frühzeitig Schieflagen erkennen – Stichwort Frühwarnsystem. Vor allem die Entwicklung der Rentabilität und des Cashflows senden frühzeitig Warnsignale aus. Kennzahl Aussage der Kennzahl Berechnung Mindestanforderung Liquiditätsreserve Sie gibt an, wie lange die finanziellen Mittel noch ausreichen, um Rechnungen zu begleichen. Summe aller Zahlungsreserven (Guthaben in der Kasse und auf dem Konto, kurzfristig verkaufbare Wertpapiere, Wechsel, Schecks sowie zugesagte, aber nicht in Anspruch genommene Kredite) Mindestens drei Monate Liquiditätsgrad Er gibt an, ob und in welchem Zeitraum das Unternehmen seine kurzfristigen Rechnungen fristgerecht bezahlen kann. Bei 100 Prozent kann das Unternehmen alle Forderungen begleichen. Barmittel + Forderungen + Wertpapiere kurzfristige Verbindlichkeiten 100 Prozent, besser mehr Eigenkapitalquote Sie gibt Auskunft darüber, ob das Unternehmen zu stark verschuldet ist. Eine hohe Eigenkapitalquote bedeutet hohe Unabhängigkeit und finanzielle Sicherheit. Eigenkapital x 100 Gesamtkapital (Bilanzsumme) 10 Prozent, besser mehr Cashflow (Liquiditätszufluss) Der Cashflow ist der Teil des Umsatzes, der im Unternehmen als Liquidität verbleibt und etwa für Investitionen, Schuldentilgung oder Gewinnausschüttung zur Verfügung steht. Für Banken ist er ein Indikator für die finanzielle Leistungsfähigkeit des Unternehmens. Gewinn vor Steuern + planmäßige Abschreibungen + Zunahme (- Abnahme) der langfristigen Rückstellungen - Steuern - Privatentnahmen +/- Rücklagenzuführung/-auflösung Umsatzrentabilität Die Umsatzrentabilität gibt Aufschluss über die Gewinnspanne und damit, wie anfällig die Firma etwa für Kostensteigerungen ist. Je höher diese Kennzahl ist, desto eher sind Preisrückgänge und Kostensteigerungen aufzufangen. Sie zeigt, wie viel Gewinn von einem Euro Umsatz hängen bleibt. (Gewinn vor Steuern x 100) Umsatz 4 Prozent, besser mehr Quelle: VR/Alexander Heintze Spätestens in der Ertragskrise muss eine Firma prüfen, ob ihr Geschäftsmodell noch funktioniert

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