Seehafen Lübeck

Seehafen LübeckOstseedrehscheibe nach SkandinavienDer Seehafen Lübeck ist der größte deutsche Ostseehafen. Zwar gab es 2012 leichte Einbußen. Langfristig ist aber nahezu eine Verdoppelung des Umschlagvolumens angestrebt. Dazu müssen entsprechende Investitionen in die Infra- struktur getätigt werden.So ganz zufrieden kann Heinrich Beckmann, Geschäftsführer der Lübecker Hafen-Gesellschaft (LHG), mit dem Umschlagergebnis für das Jahr 2012 nicht sein. 26,1 Millionen Tonnen wurden in den Lübecker Terminals umgeschlagen: 1,6 Prozent weniger im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Lübeck schneidet besser ab als Rostock Aber: „Im Vergleich mit anderen Ostseehäfen, die teilweise deutlich höhere Umschlagrückgänge zu verzeichnen haben, hat sich Lübeck im Jahr 2012 gut behauptet“, sagt Beckmann. Tatsächlich haben im vergangenen Jahr viele andere Ostseehäfen unter der weiter andauernden Wirtschaftskrise gelitten. So fiel das Umschlagvolumen im estnischen Tallinn um 19 Prozent auf 29,48 Millionen Tonnen. Mit dem Seehafen Rostock verlor auch der größte Rivale an der deutschen Ostseeküste stärker als Lübeck: An der Warnow ging die Umschlagmenge (siehe Teil 1 der Ostseehäfen-Serie) gegenüber 2011 um fünf Prozent auf 22,7 Millionen Tonnen zurück. Lübeck hat somit im vergangenen Jahr seine Position als größter deutscher Ostseehafen gefestigt. Aber nicht alle Ostseehäfen mussten 2012 Verluste hinnehmen. Das lettische Riga steigerte den Umschlag um 5,8 Prozent auf 36,05 Millionen Tonnen und auch der Lübecker Korrespondenzhafen Göteborg konnte die Umschlagleistung um ein Prozent auf 42 Millionen Tonnen steigern. Mittelfristig erwartet Lübeck ebenfalls Wachstum, so Beckmann: „Die Ostsee bleibt eine Boomregion, und Lübeck bleibt das zentrale Hub im Südwesten. Die Zahlen werden wieder steigen.“ Diese Einschätzung wird von einer aktuellen Studie gestützt, die Ende 2012 vorgestellt wurde. Im Auftrag der Industrie- und Handelskammer (IHK) Schleswig-Holstein und des Lübecker Hafens hat Uniconsult die wirtschaftliche Bedeutung des Hafens für die Region Lübeck untersucht. Die Wirtschaftsberatung prognostiziert bis zum Jahr 2025 einen Gesamtumschlag von 45 Millionen Tonnen. Laut Studie soll sich die Bruttowertschöpfung der hafenaffinen Wirtschaft im IHK-Bezirk von 704 Millionen Euro im Jahr 2010 auf 809 Millionen Euro im Jahr 2020 erhöhen. Eine große Bedeutung in Lübeck hat der Umschlag von LKW und Trailern. 2012 wurden 710.000 LKW und Trailer umgeschlagen (- 1,5 Prozent). Hanns Heinrich Conzen, Geschäftsführer des Fährunternehmens TT-Line sagt: „Lübeck/Travemünde ist der größte RoRo-Hafen in der Ostsee und das bedeutendste Hub für Fährverkehre nach Schweden, Finnland, Russland und ins Baltikum.“ TT-Line bietet sowohl aus Travemünde als auch aus Rostock tägliche Linienverkehre ins schwedische Trelleborg an. „Insbesondere Verkehre mit Ziel- beziehungsweise Quellgebiet Westdeutschland, Benelux, Frankreich und Spanien werden via Lübeck geroutet“, erklärt Conzen. Am Standort Lübeck schätze sein Unternehmen insbesondere die „hervorragende Hinterlandanbindung mit fast direktem Autobahnanschluss und exzellenten intermodalen Verbindungen.“ Bruhn Spedition mit Lob und Kritik Zu den in Lübeck ansässigen Logistikdienstleistern gehört die Bruhn Spedition. Das Unternehmen ist auf Containerverkehre für Schüttgut und Flüssigprodukte spezialisiert und im Ostseeraum neben Lübeck in Finnland, Russland und Lettland vertreten. Marco Lütz, Sprecher der Geschäftsführung, sagt: „Wir schätzen den Hafen Lübeck für die Qualität der Abfahrtsdichte im RoRo-Verkehr und damit die hohen Frequenzen der Seeverbindungen in unsere Zieldestinationen rund um die Ostsee.“ Positiv bewertet Lütz in diesem Zusammenhang die Anbindung der Bahn über das Kombiterminal am Skandinavienkai (siehe Kasten). Im Kombinierten Verkehr (KV) und via Straße seien insbesondere nach Finnland kurze Laufzeiten möglich. „Damit bietet Lübeck gegenüber anderen Ostseehäfen die besseren Möglichkeiten“, so der Bruhn-Geschäftsführer weiter, „vorausgesetzt, der Hafen bleibt zuverlässig und die Qualität leidet nicht – wie in der jüngeren Vergangenheit – durch wiederkehrende Tarifauseinandersetzungen und Streikaktionen.“ Ein Ärgernis sind für Bruhn-Geschäftsführer Lütz zudem „die ständigen Baustellen auf der A1 mit häufigen Staus und entsprechendem Verspätungspotenzial der Fahrzeuge, die via Land zum und vom Hafen fahren.“ Sie schmälern ihm zufolge „den Wettbewerbsvorteil eines schnellen Routings via Lübeck.“ Abhilfe schaffen könnten möglicherweise einige von der Hafenwirtschaft geforderte Infrastrukturprojekte. Die Studie „Die wirtschaftliche Bedeutung des Lübecker Hafens“ empfiehlt unter anderem den Weiterbau der A20 von Bad Segeberg bis über die Elbe im Westen Hamburgs, eine Ostumgehung der Metropole sowie die Stärkung der Schieneninfrastruktur und einen Ausbau des Elbe-Lübeck-Kanals. Probleme bereitet dem Lübecker Hafen das wichtige Geschäftsfeld Papier: Im vergangenen Jahr wurden in Lübeck drei Millionen Tonnen Papier umgeschlagen, zwei Prozent weniger als im Vorjahr. Die LHG geht davon aus, dass die Mengen aus strukturellen Gründen in den kommenden Jahren weiter zurückgehen werden. Mittelfristig könnte das Volumen auf 1,3 Millionen Tonnen sinken, erklärte LHG-Geschäftsführer Ulfbenno Krüger in einem Interview mit den Lübecker Nachrichten. Als Gründe führte er einen geringeren Papierverbrauch, Produktionsverlagerungen aus Skandinavien nach Kontinentaleuropa sowie steigende Importmengen aus Übersee an. Betroffen sei vor allem der Nordlandkai. Krüger sieht die im Vergleich zu Rostock deutlich höheren Lohnkosten in Lübeck als Nachteil und forderte die Gewerkschaft Verdi zu Zugeständnissen auf. Verdi seinerseits fordert in einem seit Juni 2012 schwelenden Tarifstreit aktuell 7,9 Prozent mehr Lohn für die Beschäftigten im Hafen. Hintergrund ist ein Streit mit der Stadtverwaltung um eine Beschäftigungssicherung, die im Zusammenhang mit dem Verkauf von LHG-Anteilen an den Infrastrukturfonds Rreef ausgehandelt wurde. Der Finanzinvestor hatte 2012 seine Beteiligung an der LHG um 12,4 Prozent auf nun 37,5 Prozent aufgestockt. Die Stadt verpflichtete sich als Mehrheitseigner, einen Teil des Erlöses für die Weiterbeschäftigung von gekündigten LHG-Mitarbeitern aufzuwenden. Um ihre diesbezüglichen Forderungen durchzusetzen, kündigte die Gewerkschaft jetzt einen bereits ausgehandelten Lohnkompromiss. Ein erster Warnstreik erfolgte am letzten Wochenende im Februar. Hoffnungen und Risiken für Lübeck Neben dem Kerngeschäft der RoRo-Ladungsverkehre hofft die LHG auch auf Impulse durch Mehrwertdienstleistungen wie Konsolidierung und Distribution von Umschlaggütern, Veredelung von Neufahrzeugen sowie Reparatur und Wartung von Bahnwaggons. Zudem werde der Umschlag von Schwergut bereits gut angenommen. In jüngerer Zeit wurden der LHG zufolge beispielsweise Transformatoren und Windenergieteile in Lübeck an Bord gehievt. Risiken für die zukünftige Umschlagentwicklung sieht die LHG zum einen in der geplanten Verschärfung der Umweltauflagen für die Schifffahrt. Das Vorhaben, den Schwefelgehalt im Schiffstreibstoff auf 0,1 Prozent zu reduzieren, verteuere den Seeweg und könnte zu einer Verlagerung von Transporten auf den Landweg führen (siehe VR 9, Seite 27). Zum anderen könnte nach Angaben der LHG durch eine feste Fehmarnbeltquerung bis zu zehn Prozent an Ladung verloren gehen. Andererseits kann aber auch nicht ausgeschlossen werden, dass in Lübeck Verkehre auf der Route von und nach Skandinavien gebrochen werden. Es bestehen also durchaus Chancen, dass Beckmann anlässlich künftiger Jahreszahlen wieder eine zufriedenstellende Bilanz ziehen kann. ❙❚■ Johannes Freytag, freier Journalist KV im Blickpunkt Neuer Anleger im Jahr 2013 Der Skandinavienkai in Lübeck-Travemünde ist das wichtigste Terminal der Lübecker Hafen-Gesellschaft (LHG). 2012 wurden hier 17,3 Millionen Tonnen Ladung umgeschlagen, vor allem LKW, Trailer, Container und Fahrzeuge. Das Terminal verfügt über neun Anleger, davon drei mit Doppelstock-Rampen. Ein weiterer Doppelstock-Anleger für Schiffe bis 240 Meter Länge soll im Oktober 2013 fertiggestellt werden. Das ebenfalls am Skandinavienkai beheimatete Kombiterminal Baltic Rail Gate wird gemeinsam von der LHG und der Frankfurter Kombiverkehr KG betrieben. Es verfügt aktuell über fünf zuglange Umschlaggleise à 600 Meter Länge, die von zwei Portalkränen bedient werden. Ein weiteres zuglanges Gleis befindet sich derzeit im Bau. 2012 wurden am Baltic Rail Gate laut Unternehmensangaben 62.000 LKW, Trailer und Container umgeschlagen. Die Kapazität wird aktuell mit 120.000 Ladeeinheiten oder 22 Zügen pro Tag angegeben. jfDie Serie Die OstseehäfenIn einer dreiteiligen Serie stellt die VerkehrsRundschau die drei großen Ostseehäfen vor: VR 9: Fähren beherrschen das Bild in Rostock VR 10: Wie Lübeck in der Ostsee punkten will VR 11: Kiel will den Kombinierten Verkehr ausbauen Verdi fordert höhere Löhne für die Hafenmitarbeiter und droht mit Streiks

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