Schwierige Trennung

Harte Zeiten für Ihr kleines Transportunternehmen: Durch den plötzlichen Wegfall eines regelmäßigen Auftraggebers sind von Ihren zwölf Berufskraftfahrern mindestens zwei zu viel. Denn ab sofort sind nicht mehr genügend Transportaufträge vorhanden, um alle bezahlen zu können. Einer Ihrer Fahrer ist zwar schon "ewig" im Betrieb und ist bereits weit über 50 Jahre alt; mit ihm hatten Sie aber über die Jahre immer wieder kleinere Scharmützel, sodass Sie ihn auf jeden Fall zu den zwei Kündigungen rechnen. Doch ist das so einfach möglich? In der geschilderten Konstellation kommt für Arbeitgeber eine betriebsbedingte Kündigung in Betracht. Hierbei handelt es sich um eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses, deren Grund im Bereich des Unternehmens liegt und einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entgegensteht. Der Anlass ist also weder vom Arbeitnehmer noch von seinem Verhalten abhängig. Gesetz schreibt Sozialauswahl vor Kein Chef darf eine akute Krise allerdings zum Anlass nehmen, sich nach Gutdünken von unliebsamen Mitarbeitern zu trennen. Dafür sorgt das Kündigungsschutzgesetz. Es gilt für Unternehmen mit mehr als zehn Arbeitnehmern - und von solchen ist nachfolgend die Rede. Danach ist eine betriebsbedingte Kündigung, wenn dringende betriebliche Erfordernisse vorliegen, bei bestimmten Arbeitnehmern möglich. Der Arbeitgeber hat hierfür eine umfassende, komplizierte Auswahl nach sozialen Kriterien zu treffen. Doch zunächst muss für die betriebliche Kündigung überhaupt ein dringendes Erfordernis bestehen. Das bedeutet, dass es dem Arbeitgeber nicht möglich ist, der betrieblichen Situation durch weniger einschneidende Maßnahmen als durch eine Kündigung zu entsprechen. Die Ursachen für eine betriebsbedingte Kündigung können außerbetrieblich sein, etwa in einem Umsatzrückgang, der Veränderung der Marktsituation und einem erheblichen Auftragseinbruch liegen. Aber auch innerbetriebliche Ursachen kommen in Betracht: Zum Beispiel die Auslagerung oder Schließung von Betriebsabteilungen. Beruft sich ein Arbeitgeber auf außerbetriebliche Ursachen, vor allem auf einen Auftragseinbruch, so wird im Streitfall das Gericht genau nachprüfen, ob die behaupteten Umstände, die zur Anpassung des Personalbestands an das rückläufige Arbeitsaufkommen zwingen, tatsächlich vorliegen und auch künftig zu einem dauerhaften Rückgang des Beschäftigungsvolumens führen. Im vorliegenden Eingangsfall muss der Transportunternehmer daher nachvollziehbar darlegen, dass die Entlassung von einem oder zwei LKW-Fahrern als unternehmerische Maßnahme unumgänglich ist. Zuerst sind Alternativen zu prüfen Stets zu beachten ist, dass eine betriebsbedingte Kündigung immer das letzte Mittel ist, eine wirtschaftliche Zwangslage zu beseitigen. Es darf laut dem Bundesarbeitsgericht also keine Möglichkeit geben, den zu Kündigenden anderweitig vergleichbar zu beschäftigen, unter Umständen auch zu schlechteren Arbeitsbedingungen (Urteil vom 30. Mai 1978, Aktenzeichen: 2 AZR 630/76). Kann also ein Arbeitnehmer etwa auf einen anderen gleichwertigen freien Arbeitsplatz versetzt werden, so hat dies zu erfolgen. Denkbar ist auch die Einführung von Kurzarbeit oder Arbeitsstreckung (Abbau von Überstunden, Urlaubsgestaltungen, Umgestaltung auf Teilzeitarbeitsplatz). Ist es dem Arbeitgeber schließlich doch gelungen, plausibel die dringende Notwendigkeit einer Trennung von einem Mitarbeiter zu beweisen, so wartet auf ihn bereits die nächste Hürde: die bereits angesprochene Sozialauswahl zu treffen. Unter Berücksichtigung von vier, im Kündigungsschutzgesetz genannten Kriterien ist unter mehreren vergleichbaren Arbeitnehmern derjenige herauszufinden, den eine Kündigung am wenigsten hart trifft: Diese lauten Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten, Schwerbehinderung. Diese Sozialauswahl stellt in der Praxis an den Arbeitgeber hohe Anforderungen, bei denen die teilweise widersprüchliche Rechtsprechung der Arbeitsgerichte nicht besonders hilfreich ist. Wichtig: Sie ist auf vergleichbare Arbeitnehmer eines Betriebs beschränkt. Vergleichbar sind nur solche Arbeitnehmer, die auf der gleichen Hierarchiestufe stehen und die aufgrund ihrer Tätigkeit - gegebenenfalls nach kurzer Anlernzeit - untereinander austauschbar sind. Im Eingangsfall sind das also alle LKW-Fahrer. Andere Mitarbeiter - etwa in der Disposition oder in der Buchhaltung - bleiben unberücksichtigt. Die Kriterien der Sozialauswahl sind grundsätzlich gleichwertig. Es interessieren zum Beispiel nicht die Vermögensverhältnisse des Kandidaten, nicht seine Leistungsmängel oder die Möglichkeit der Frühverrentung. Auch das etwas renitente Verhalten des Kraftfahrers im Eingangsfall muss sein Chef ausblenden. Zwar steht dem Arbeitgeber ein gewisser Ermessensspielraum zu. Hier ist aber Vorsicht geboten: Ein betriebsbedingt gekündigter Mitarbeiter erhebt fast immer Kündigungsschutzklage mit der Behauptung, die Sozialauswahl sei falsch gewesen. Die vier Aspekte, die es bei der Sozialauswahl zu beachten gilt, haben grundsätzlich das gleiche Gewicht. Arbeitgeber können aber festlegen, wie sie im Verhältnis zueinander zu bewerten sind. Das geht mittels Punkteschema (zum Beispiel für die Betriebszugehörigkeit: Beschäftigungsjahr multipliziert mal 1,5 Punkte). Am Ende erhält jeder Arbeitnehmer, der für eine betriebsbedingte Kündigung in Betracht kommt, einen bestimmten Wert; der Kandidat mit der niedrigsten Punktezahl ist der zu kündigende Mitarbeiter. Bei der Ausgestaltung solcher Punkteschemata können Arbeitgeber auf zahlreiche Entscheidungen zurückgreifen, die sich mit entsprechenden Vereinbarungen zur Durchführung der Sozialauswahl befasst haben. Betriebsrat hat Mitspracherecht Der Betriebsrat ist vor einer betriebsbedingten Kündigung zu hören. Ihm müssen die dringenden betrieblichen Erfordernisse dahinter mitgeteilt werden. Ferner sind ihm die wesentlichen Umstände der getroffenen Sozialauswahl darzulegen. Mitzubestimmen hat der Betriebsrat, wenn der Arbeitgeber die Sozialauswahl nach dem genannten Punkteschema durchführen möchte: Es ist dann eine Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat über die Gewichtung der vier Kriterien herbeizuführen. Zum Schluss sind noch einige Formalien zu beachten: Bei einer betriebsbedingten Kündigung kann der Arbeitgeber den betroffenen Arbeitnehmer im Kündigungsschreiben auf einen Abfindungsanspruch verweisen, sofern dieser die dreiwöchige Klagefrist gegen die ausgesprochene Kündigung verstreichen lässt. Unternimmt der Mitarbeiter also auf den Hinweis hin nichts gegen die Kündigung, so steht ihm im Gegenzug eine Abfindung in Höhe von 0,5 Monatsverdiensten für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses zu. Nur Schriftform ist wirksam Im Übrigen muss eine betriebsbedingte Kündigung schriftlich erfolgen. Mündliche Kündigungen sind selbst im Beisein von Zeugen nicht ausreichend und daher unwirksam. Fax, E-Mail oder gar SMS reichen ebenso wenig aus. Problematisch ist zudem der Zugang des entsprechenden Schreibens. An sich sollte man glauben, dass dieser nicht besonders schwierig ist. Doch die oft als Königsweg gepriesene Zustellung per Einschreiben ist eine unsichere Angelegenheit. Denn die Kündigung geht nur bei direkter Aushändigung durch die Post zu, nicht jedoch mit dem Hinterlassen eines Benachrichtigungsscheins im Briefkasten. Im Falle einer Benachrichtigung ist die Kündigung erst zugegangen, wenn der Empfänger das Schreiben bei der Post abholt. Wenn er dies trotz Mitteilung unterlässt, ist nur in Ausnahmen davon auszugehen, dass eine wirksame Zustellung stattgefunden hat. Kündigungszugang Im Zweifel lieber persönlich übergeben oder einwerfen Nur eine Kündigung, die dem Arbeitnehmer schriftlich zugegangen ist, ist wirksam. Todsicher funktioniert das folgendermaßen: Im Beisein eines Zeugen wird im Unternehmen das fertige Schreiben in ein Briefkuvert gegeben. Der Zeuge ist wichtig, da der Betroffene später behaupten könnte, ihm sei ein leerer Umschlag zugegangen. Der Personalverantwortliche fährt anschließend mit dem Zeugen zum Arbeitnehmer, übergibt ihm das Schreiben oder wirft es dort in dessen eindeutig gekennzeichneten Briefkasten ein. Zugegeben: Dieses Verfahren ist zwar umständlich und aufwendig, erscheint aber aufgrund der arbeitnehmerfreundlichen Rechtsprechung fast als unumgänglich, um den Zugang der Kündigung wasserdicht zu beweisen. kk