Schweizer Visionen

Schweizer Visionen Parlament will externe Kosten einbeziehen: Die EU prüft ein neues Mautsystem, das der Schweizer Schwerverkehrsabgabe ähnlich ist. Ein Experten-Hearing in Brüssel brachte die Erleuchtung: Mit einer Einrechnung der externen LKW-Kosten in die Maut, die schon für Laster ab 3,5 Tonnen auf allen Straßen der EU-Mautländer erhoben würde, wären die Differenzen zwischen den Wegekostensystemen der Union und der Schweiz mit wenigen Ausnahmen beseitigt. Dies sagte der Präsident des Transportkomitees des Schweizer Bundesrates, Peter Bieri, auf der Dezember-Sitzung des Verkehrsausschusses des Europäischen Parlaments (EP) bei einer Anhörung von Sachverständigen zur Revision der Eurovignetten-Richtlinie. Zum Gesetzentwurf habe er über 500 Änderungsanträge erhalten, davon achtzig Prozent zu externen Kosten, sagte EP-Dossierexperte Saïd El Khadraoui. Er sprach sich für die Einbeziehung von Umwelt-, Stau-, Lärm- und CO2-Kosten aus. Unfallfolgekosten will der Belgier erst anlasten, wenn die Versicherungen angeglichen sind. In dieser Frage sei die Schweizer Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA) konsequenter, sagte Bieri. Sie lasse den Laster all seine "berechenbaren externen Kosten" zahlen: ungedeckte Unfallkosten, Kosten für Lärm, Luftgifte und Klimawandel sowie Kosten für Gesundheits-, Stau-, Natur-, Boden-, Gebäude- und Landschaftsschäden. Und – die Abgeordneten staunten – für Ernteausfälle. Für sie seien durch Studien verlässliche Angaben ermittelt worden, erläuterte Bieri. Sowohl das EU- als auch das Mautsystem in der Schweiz funktionierten nach dem Prinzip der Nichtdiskriminierung, wonach für In- wie Ausländer dieselbe Gebühr nach Gewicht, Fahrkilometern und Emissionsklasse gelte. So koste ein NordSüd-Schweiz-Transit von 300 Kilometern für einen 40-Tonner 180 bis 216 Euro. Die LSVA-Höhe habe bei ihrer Einführung 2001 dem Gewerbe Angst gemacht. "Unbegründet", wie man heute wisse, betonte Bieri. Die Abgabe habe Wirtschaft und Transporteuren nicht geschadet, sondern den LKW-Verkehr "effizienter und ökologischer" gemacht. Mit weniger Fahrten würden mehr Güter transportiert. Externe Kosten bleiben umstritten Tschechiens Vize-Verkehrsministerin Daniela Kovalcikova informierte darüber, dass die Jahreseinnahmen von 250 Millionen Euro aus der 2007 gestarteten Elektronik-Maut im Verkehrsbereich eingesetzt würden. Sie plädierte für die schrittweise Erhebung der externen Kosten. 14 EU-Länder würden Staukosten ablehnen. Auch in den Niederlanden sei keine der jahrelang erwogenen Varianten angenommen worden, mit denen Staus über den Preis bekämpft werden sollten, erklärte die Maut-Projektmanagerin des Verkehrsministeriums in Den Haag, Petrouschka Werther. Ab 2011 werde eine streckenbezogene Satelliten-Maut erhoben. Der Präsident des europäischen Spediteurverbandes Clecat, Jean-Claude Delen, lehnte das EU-Mautprojekt ab. Der LKW werde "über Gebühr belastet", es fehlten eine harmonisierte Kostenberechnung und die Zweckbindung der Einnahmen für den Verkehrssektor. Delen: "Wir fordern das Parlament auf, den Vorschlag zurückzuweisen." ❙❚■ Dieter Wahl, Korrespondent in Brüssel Die Schweiz als Vorbild für europäische Verkehrspolitik José Manuel Barroso (Bild), Präsident der EU-Kommission, hat Österreichs Ex-Verkehrsminister Werner Faymann in einer Glückwunschpostille zu dessen neuem Amt als Bundeskanzler versichert, er freue sich auf "eine enge Zusammenarbeit". Ein etwas delikater Zungenschlag, liegt doch der widerspenstige Wiener bei der Verteidigung des LKW-Inntalfahrverbots mit der Kommission bis heute im Dauerstreit. Ulrike Rodust, bislang SPD-Landtagsabgeordnete aus Schleswig-Holstein, hat im EP-Verkehrsausschuss die Nachfolge des verstorbenen EU-Abgeordneten Willi Piecyk aus Kiel angetreten. Die gelernte Industriekauffrau hat sieben Jahre im Ausschuss der Regionen (AdR) in Brüssel Erfahrungen in der Europa-Politik sammeln können. Vergleich der EU-Hauptstädte: Am sichersten ist der Straßenverkehr in Berlin mit 1,64 Verkehrstoten auf 100.000 Einwohner, in Paris (1,70) und in Helsinki (1,93). Das belegt eine Analyse des Europäischen Verkehrssicherheitsrates ETSC, der die Straßen Ljubljanas (Slowenien) mit einer Todesrate von 12,98 als die gefährlichsten einschätzt. +++ Die EU-Kommission hat polnische Staatsbeihilfen zum Bau von Logistikzentren und Terminals für den multimodalen Verkehr genehmigt. Der Höchstsatz zur Förderung des Projekts liegt für Infrastrukturmaßnahmen bei 50 Prozent. Die bis 30.6.2015 laufende Regelung hat ein Budget von 41,6 Millionen Euro. 11./12. Dezember: Die Kommission will die Staats- und Regierungschefs auf ihrem EU-Gipfel in Brüssel drängen, das 200 Milliarden Euro schwere Konjunkturpaket zu unterstützen und sich auf ein koordiniertes Vorgehen zu einigen. Dazu gehört eine "Initiative für umweltgerechte Kraftfahrzeuge". +++ Donnerstag, 1. Januar 2009: Tschechien übernimmt von Frankreich die EU-Ratspräsidentschaft und wird damit im ersten Halbjahr auch den Vorsitz im EU-Verkehrsministerrat führen.