Schweiz kassiert

Schweiz kassiert über Gebühr ab Wer mit seinem LKW durch die Schweiz fährt, sollte die Belege gut aufbewahren. Denn eine neue Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die dort erhobene LSVA zu hoch ist. Infolgedessen werden die Behörden derzeit mit einer Flut von Einsprüchen überschwemmt. Kein anderes europäisches Land bittet die LKW so vehement zur Kasse wie die Schweiz. So kassieren die Eidgenossen eine Maut bereits von Fahrzeugen ab 3,5 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht aufwärts – und das auf allen Straßen, also nicht nur auf Autobahnen. Hinzu kommen außerordentlich hohe Sätze: Beispielsweise sind für einen 40-Tonner auf einer Entfernung von 300 Kilometern umgerechnet 167 Euro fällig. Mit 40 Euro für die gleiche Distanz mutet die deutsche LKW-Maut da eher wie ein Schnäppchen an. Aber wie sich jetzt herausstellt ist die Schweiz nicht nur teurer, sondern womöglich auch zu teuer: Gemäß einem Gutachten, dass der Schweizerische Nutzfahrzeugverband Astag, in Auftrag gegeben hat, verstößt die Höhe der Leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA) gegen geltendes Recht. Denn laut Bundesverfassung (BV) und Gesetz darf der Ertrag der LSVA die ungedeckten Wegekosten und die Kosten zulasten der Allgemeinheit nicht übersteigen. Grundlage der Beurteilung ist die Transportkostenrechnung (Trakos) des Bundes, die auch die externen Kosten einschließt. Der Bund hat in der Trakos bisher einen Kostendeckungsgrad von 93 Prozent ausgewiesen. In einer von der Astag in Auftrag gegebenen Studie der Progtrans wurde deshalb der Kostendeckungsgrad des Schwerverkehrs für die Folgejahre errechnet, und zwar exakt nach den offiziellen Methoden. Die Resultate sind gemäß Astag-Vize-direktor Hanspeter Tanner eindeutig. Demnach decke der Straßenschwerverkehr schon 2005 alle seine Kosten inklusive der externen. Für das laufende Jahr 2008 betrage der Kostendeckungsgrad 105 Prozent, und 2009 werde er auf 109 Prozent steigen. "Damit", so Tanner, "ist eindeutig erwiesen, dass die LSVA-Erhöhung für das Jahr 2008 rechtswidrig ist. Aus diesem Grund bekämpft die Astag zusammen mit ihren Mitgliedern diese Erhöhung mit dem Mittel der Einsprache gegen alle LSVA-Rechnungen 2008." Von den 4800 Mitgliedern der Astag, "sind bisher mehr als 3000 unserem Aufruf gefolgt und haben bei der Schweizerischen Oberzolldirektion gegen die bisher eingegangenen Rechnungen Einsprache erhoben", so Carlo Schmid, abtretender Astag-Präsident (s. auch Artikel Seite 40). Er präzisiert, dass es dabei "nicht gegen die LSVA geht, sondern einzig und allein gegen die Erhöhung". Die Astag will, zusammen mit zwei Firmen einen Musterprozess bis vor das Bundesgericht durchziehen, wie Schmid betonte. Deshalb sei es wich-tig, gegen jede Rechnung Einsprache zu erheben, denn "nur so besteht eine Chance auf Rückerstattung der zu viel bezahlten Gelder". Astag verklagt die Schweizer Behörden Der neue Astag-Präsident, Nationalrat Adrian Amstutz, sieht denn auch eine der Prioritäten für die nächsten Monate "beim Rechtsstreit um die LSVA-Erhöhung". Er zeigt sich optimistisch, "dass die Gerichte zu unseren Gunsten entscheiden werden". Zudem gibt es Anlass, die Berechnungsmethodik des Bundes in Zweifel zu ziehen, wie die Studie von Progtrans weiter zeigt. So gehen die Behörden in ihren Annahmen mittlerweile davon aus, dass die Staukosten als besondere Kategorie in Trakos noch zusätzlich zu integrieren wären. Sie haben deshalb in einer ersten Aktualisierung von Trakos 2003 im vergangenen Herbst sowohl den Schwerverkehrsanteil als auch die Staukosten erhöht. Damit soll offenbar eine Unterdeckung erreicht werden. Gemäß wissenschaftlichen Standards sind Staukosten jedoch keine eigene Kostenkategorie, sondern in den üblichen fünf Kostenkategorien, nämlich Zeit-, Betriebs-, Infrastruktur-, Unfall- und Umweltkosten, bereits enthalten. Eine Hinzufügung der Staukosten würde also eine teilweise unzulässige Doppelzählung bedeuten. Bei entsprechender Korrektur wäre der Kostendeckungsbeitrag des Straßenverkehrs nochmals höher. Nach Carlo Schmid ist es angesichts derartiger Unzulänglichkeiten mehr als fragwürdig, dass und vor allem wie der Bund nun seine eigene Methodik überarbeitet. Die Behörden würden neue Wege suchen, um die externen Kosten zwecks nachträglicher Legitimation der LSVA-Erhöhung 2008 in die Höhe zu treiben. ❙❚■ Hansrüdi Keller, freier Journalist

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