Schluss mit billig

Im bundesweiten Schnitt arbeiten Subunternehmer, die im Auftrag von Speditions-, KEP- und Logistikdienstleistern tätig sind, nicht kostendeckend. Ihre aktuellen Durchschnittspreise liegen fünf bis zehn Prozent unter betriebswirtschaftlich korrekt ermittelten Vollkosten." Diese alarmierenden Zahlen veröffentlichten die beiden Professoren Peter Klaus und Andreas Otto. Sie stützen sich dabei auf Kostenanalysen, die sie für diverse marktführende Speditionsnetze und -kooperationen durchgeführt haben. Ausgelöst durch den rapide fortschreitenden Fahrermangel zeichne sich aber nun ein Wandel ab, sagt Klaus: "Das Zeitalter der Selbstausbeutung unter Kleinunternehmern neigt sich dem Ende zu. Wir sehen hier eine Trendumkehr." Klaus war lange Jahre Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Logistik, an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg sowie Leiter der heutigen Fraunhofer-Arbeitsgruppe für Supply Chain Services (SCS) in Nürnberg. Otto ist Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Controlling und Logistik, an der Universität Regensburg. "Heute schon bleiben Fahrzeuge stehen, weil die Unternehmer zu aktuellen Konditionen keine Fahrer mehr finden", sagt Klaus. "Wenn also Sendungen in Zukunft zuverlässig und pünktlich zugestellt werden sollen", appelliert der Experte an Verlader, "müssen die Fahrerentgelte, damit die Subunternehmerentgelte und letztlich auch die Transportpreise steigen." Für die Praxis heißt das: Speditions- und KEP-Dienste sollten für die nähere Zukunft einen Subunternehmer-Kosten-Zuschlag von jährlich 1,5 bis 2,5 Prozent einplanen, der über die allgemeinen Arbeitskostensteigerungen von derzeit jährlich 1,5 bis 2,5 Prozent hinausgeht. Schenker läutet Preisoffensive ein Als erster großer Branchenplayer prescht Schenker Deutschland vor und kündigt dieser Tage für den 1. Oktober 2017 höhere Preise an. Im Schnitt um bis zu sechs Prozent will die Deutsche-Bahn-Tochter ihre Preise im Landverkehr anheben und begründet das unter anderem mit dem steigenden Fachkräfte- und Fahrermangel insbesondere im Nahverkehr, aber auch mit höheren Personalkosten durch die neuen Bestimmungen zu den regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeiten sowie steigenden Löhnen. Transportunternehmer wie den Tank- und Silospediteur Georg Menell in Ronnenberg dürften die neuen Signale an der Preisfront freuen. Noch könne er selbst aber keine Bewegung bei den Frachtpreisen feststellen, betont Menell. Und dies gehe vielen seiner Branchenkollegen im Fernverkehr so. "Die Nachfrage ist gut; die Auslastung ist sehr gut. Was aber nicht im gleichen Maße steigt, sind die Frachtpreise. Die sind seit drei bis vier Jahren auf gleichem Niveau und sind für das Tank- und Silogeschäft zu niedrig", klagt der geschäftsführende Gesellschafter. Konkurrenz fährt für weniger Geld Er bezweifelt, dass es in dem Geschäft, in dem er tätig ist, überhaupt zu höheren Preisen kommt: "Wir haben aktuell im Fernverkehr im Tank- und Silosegment einen Verdrängungswettbewerb - angetrieben durch Transporteure, die billiger anbieten können, weil sie osteuropäische Fahrer beschäftigen", sagt Menell. Vor allem Kabotage-Verkehre auf langen Strecken würden heute durch Osteuropäer abgewickelt. Und dies drücke auf die Preise - nicht nur im Fernverkehr, sondern auch im Nahverkehr. Der Tank- und Silospediteur wird trotzdem jetzt mit seinen Kunden über höhere Preise sprechen. "Unsere Kostenspirale dreht sich durch den massiven Fahrermangel immer schneller. So sind bei uns die Lohnkosten für Fahrer in den letzten fünf Jahren um über zehn Prozent gestiegen." Problem ist, dass nicht alle Kunden diese Mehrkosten mittragen: "Im Schnitt müssten wir unsere Preise umgerechnet auf Stundensätze und bezogen auf einzelne Kunden um zwei bis sechs Euro pro Stunde anheben." Menell ist kein Einzelfall. Egal mit wem man spricht: Die Transporteure bestätigen unisono: Die Mengen sind da und die Ladekapazitäten knapp wie nie, auch weil die Osteuropäer offenbar aufgrund des neuen Übernachtungsverbots im Lkw in Deutschland Kapazitäten aus dem Markt genommen haben. Das stellt zum Beispiel Josef Heiß fest, Geschäftsführer des Transport- und Logistikunternehmens BTK. Selbstausbeutung ist nicht verboten Und trotzdem tun sich viele Transportbetriebe schwer, Preise anzuheben. Auch und gerade weil es immer Anbieter gebe, heißt es, die die Preise zu unterbieten, um Aufträge zu erhalten. "Selbstausbeutung ist in Deutschland nicht verboten", sagt ein Unternehmer, der namentlich nicht genannt werden will. Und zum Teil ist die preisliche Misere auch hausgemacht: "Statt mehr Geld zu fordern, übernehmen viele Transporteure für ihre Kunden stillschweigend immer mehr Aufgaben, ohne ihre Preise nach oben anzupassen", weiß Achim Ludwig Otto, Seminarleiter und Trainer für Vertrieb (siehe auch Kasten unten). "Ein gutes Stück hat das auch mit dem mangelnden Selbstbewusstsein im Transportgewerbe zu tun", meint Trainer Otto, der selbst im Vertrieb von Speditionsbetrieben tätig war. Und in dieser Zeit hat er gelernt: "Entscheidend ist, dass ein Dienstleister nicht als Bittsteller in Preisgespräche geht. Ziel muss ein Gespräch auf Eins-zu-eins-Augenhöhe mit dem Kunden sein." Zumal diese auf ihre Dienstleister genauso angewiesen sind wie umgekehrt. Denn mit der Zuverlässigkeit des Transportservices steht und fällt die Qualität und damit das Renommee eines Herstellers oder Händlers. "Preisgespräche sind aber heute viel diffiziler und aufwendiger. Für jeden Kunden braucht es heute eine individuelle Preisstrategie und -taktik sowie eine gute Gesprächsvorbereitung." "Preisanpassungs-Gespräche kann man aber lernen", macht der Vertriebsexperte Dienstleistern Mut. Sein Rat: "Gehen Sie inkognito in die Höhle des Löwen - am besten zu Einkäufer-Schulungen der IHK. Dort lernen Sie die andere Seite kennen und erfahren, wie Einkäufer ticken." Gelernt habe er da: "Ziel der Einkäufer ist es stets, die Argumente ihrer Dienstleister zu verwässern, um sie so in die Ecke zu drängen und zu Niedrigpreisen zu bewegen." Aufgabe des Dienstleisters müsse es daher sein, dem Einkäufer Gründe zu liefern, mit denen dieser wiederum intern erklären könne, warum er den teureren Transportbetrieb präferiert. "A und O sind also die richtigen Argumente", betont Otto. "Sammeln Sie vor jedem Preisgespräche Argumente, warum Sie mehr Geld von Ihren Kunden brauchen. Am besten gemeinsam mit Ihrem Team. Und sammeln Sie Gründe, warum Ihr Kunde durch die Zusammenarbeit mit Ihnen Vorteile hat - Stichworte sind zum Beispiel eine niedrige Reklamationsquote, eine pünktliche Zustellung und/oder Servicevorteile gegenüber Mitbewerbern." Solche Informationen könne heute jede EDV liefern, sagt er. Diese Daten müssten nur regelmäßig erfasst und vorgehalten werden. Und natürlich sollte sich jeder Transporteur vorab etwaige Einwände seiner Kunden gegen die Preiserhöhung und Argumente überlegen. Das macht zwar Arbeit, das weiß auch Otto. "Je dicker das Eis aber ist, das man baut, desto besser trägt es einen und das schafft Selbstvertrauen", macht er Mut, mehr Geld zu fordern. Taktisch richtig vorgehen Von pauschalen prozentualen Preiserhöhungen rät der Vertriebsexperte ab: "Es bringt nichts, 3,3 Prozent mehr Geld zu fordern - damit fordert man den Einkäufer zum Preisvergleich mit Mitbewerbern heraus." Taktisch klüger sei es, die Preiserhöhung zum Beispiel an die Entwicklung der Transportmengen zu koppeln, etwa über die Einführung eines saisonalen Zuschlags in Zeiten knappen Laderaums, wie es Expressdienst UPS tut (siehe Kasten Seite 27). Auch das Preismodell, das Transportunternehmer Willi Kellershohn nach dem Vorbild von Discount-Airlines einsetzt, um höhere Preise zu argumentieren, hat sich in der Praxis bewährt (siehe Kasten Seite 24). Entscheidend ist laut Otto: "Transportdienstleistern muss es gelingen, von ihren Kunden als Kaufmann wahrgenommen zu werden. Dafür müssen sie auch lernen, kaufmännischer zu agieren und ihre Forderungen mit Zahlen, Fakten und Argumenten zu untermauern", unterstreicht er. "Wenn ihnen das gelingt, wird es ein Preisgespräch auf Augenhöhe zwischen Einkäufern und Dienstleistern geben." Was aber, wenn ein Einkäufer partout nicht mitspielt, weil ihm der Vorstand das Ziel vorgab, die Preise um einen fixen Betrag zu senken? Dann hilft nur: "Prüfen Sie, ob Sie für Ihren Kunden andere, zusätzliche Aufgaben wie Lagerhaltung übernehmen können. So ,verwischen' Sie den einzelnen Preis und vermitteln dem Kunden Mehrwert", rät Horst Bayer, der lange als Einkaufschef in Industriefirmen tätig war und heute als Vertriebsberater im Trainer-Team von Peter Schreiber & Partner tätig ist. Beharre ein Einkäufer dennoch auf einem Preisabschlag, rät Bayer zum letzten Mittel: "Diskutieren Sie mit dem Kunden das Ausstiegsszenario." Allerdings benötige ein Spediteur dafür viel innere Stärke. Nur dann verstehe der Kunde, wie ernst es ihm sei - quasi als letzter Versuch für höhere Preise. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Transportpreise www.verkehrsrundschau.de/dossiers Airline-Modell Spedition Kellershohn: Kleiner Basispreis plus Gebühren Der Trend auf Kundenseite geht klar zu niedrigen Basispreisen", sagt Willi Kellershohn. Der Transportunternehmer aus dem oberbergischen Lindlar hat sich darauf eingestellt und bietet auf Wunsch Frachtraten an, die auf einem möglichst geringen Basiswert beruhen. Er richtet sich nach Entfernung, Gewicht sowie Wahrscheinlichkeit einer Rückladung. Alle über den reinen Transport hinausgehende Leistungen werden gesondert abgerechnet: zum Beispiel Zustellung zu einer bestimmten Uhrzeit, eine spätere Beladung und die Beförderung in 24 statt 48 Stunden. Der Spediteur folgt also - grob gesagt - dem Preismodell, mit dem auch die Discount-Fluglinien seit Jahren erfolgreich sind: niedriger Grundpreis plus Gebühren für alle zusätzlichen Leistungen.Doch auch abweichende Preismodelle bietet Kellershohn an. Kunden mit leichter Ware (Beispiel: Styropor) erhalten auf Wunsch einen Preis pro Ladungsmeter, bei schweren Gütern wird auf Kilobasis abgerechnet. Er hat sogar schon getestet, den Preis pro Ladungsgut zu erheben, im Fall eines Kunden pro transportierter Kaffeetasse."Das hat sich allerdings nicht durchgesetzt", schmunzelt Kellershohn. Aktuell sind im IT-System des Betriebs mehr als 50 verschiedene Preismodelle abgebildet. Auch mit Spotpreisen experimentiert der Transportunternehmer: Über eine eigene App namens Daycharter können die Kunden tagesaktuell eine Frachtrate abfragen."Sollten wir auf der jeweiligen Strecke tatsächlich noch Frachtkapazitäten haben, können wir einen Discountpreis anbieten", erklärt Kellershohn. Doch auch dieser Service wird bisher kaum angenommen.Standard ist dagegen Skonto sowie eine Rückvergütung am Ende des Jahres, wenn das Auftragsvolumen eines Kunden eine gewisse Schwelle überschreitet."Das steigert die Kundenbindung und wird eingepreist", so Geschäftsführer Kellershohn.Sofortpreise, wie sie Online-Spediteure im Internet anbieten, gibt es bei ihm nicht."Zu unseriös", urteilt der Transportunternehmer. Um einen vernünftigen Preis machen zu können, brauche man mehr Informationen als nur Start- und Zielpunkt. Eine Palette könne einen Meter hoch und leicht sein - oder zwei Meter hoch und im schlimmsten Fall mit ADR-Gut beladen. cg Checkliste So rüsten Sie sich für Preisgespräche Auf welche Fragen ein Transportbetrieb vor einem Preisgespräch und im Verlauf desselben mit Kunden achten sollte, sagt Achim Ludwig Otto, Seminarleiter und Trainer Vertrieb in Aschaffenburg-> Wie sieht Ihr Besuchsteam aus (wer, welche Abteilungen), das mit Kunden verhandelt?-> Wie ist grundsätzlich Ihre mentale Einstellung zu Preisgesprächen?-> Ermitteln Sie den "Wert" Ihres Kunden für Ihr Unternehmen (zum Beispiel Umsatz, Deckungsbeitrag, Zahlungsverhalten, Besonderheiten)-> Klären Sie, warum eine Preisanpassung aus Ihrer Sicht notwendig ist. Sammeln Sie Daten zu Kostentreibern, von denen Sie direkt und indirekt betroffen sind. Interne Kostentreiber sind zum Beispiel Personalkosten; externe Kostentreiber sind zum Beispiel Maut, Dieselpreise, veränderte Sendungsstrukturen des Kunden)-> Was hat Ihre Firma bisher getan, um die Preise für den Kunden stabil zu halten?-> Welche Kostenbereiche wurden bisher nicht an den Kunden weitergegeben?-> Mit welchen Einwänden des Kunden ist bei den Preisgesprächen zu rechnen?-> Mit welchen Argumenten wollen Sie diese Kundeneinwände entkräften? Sammeln Sie dafür konkrete Daten und Fakten. Wie hoch ist zum Beispiel die aktuelle Reklamationsquote, die der Kunde mit Ihrer Firma hat.-> Erstellen Sie ein kundenspezfisches Praxisbeispiel mit Echtdaten, das Ihrem Kunden detailliert die Kostenentwicklung auflistet - Stichwort:"offene Kalkulation"-> Ermitteln Sie zudem die Leistungen, die Ihre Firma für den Kunden erbracht hat, die auf keiner Rechnung stehen und zu der Sie nicht verpflichtet waren.-> Um Kundeneinwände zu entkräften, hilft es zudem zu wissen, wie er seine Leistungen gegenüber seinen eigenen Kunden abrechnet. Versuchen Sie seine eigenen Kostentreiber zu eruieren.-> Sammeln Sie Argumente, was Sie als Logistiker so einzigartig macht: Was zeichnet Sie gegenüber Mitbewerbern aus?-> Welche Werte, Mehrwerte und Zusatznutzen bietet Ihre Firma im Vergleich zu anderen Dienstleistern?-> Welche Gewinne und/oder Einsparungen hat Ihr Kunde durch Ihre Firma und Ihren Service?-> Sprechen Sie in Ihrem Gespräch alle Ebenen des Kunden an: die emotionale, materielle und finanzielle sowie die Service-Ebene-> Welche Lösungen/Sonderlösungen benötigt Ihr Kunde aktuell?-> Welche Lösungen/Sonderlösungen brauchen die Kunden Ihres Kunden?-> Wo gibt es logistische und operationell/ prozessbezogene Engpässe Ihres Auftraggebers und seiner Kunden?eh

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