Scheuers 100-Tage-Bilanz

Mit einem veränderten Politikstil versucht Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer, der Verkehrspolitik ein moderneres Image zu geben. Statt altbackener Straßenpolitik setzt der CSU-Politiker auf eine zeitgemäße Mobilität, die den Klimaschutz stärker in den Vordergrund rückt: "Ich will, dass saubere Luft und gute Mobilität zum deutschen Exportschlager werden." Den frischen Wind haben das Logistikgewerbe und die Automobilindustrie rasch zu spüren bekommen. Amtsantritt mit Mauterhöhung Zwei Monate nach seinem Amtsantritt hat der Ressortchef dem Gewerbe eine deutlich erhöhte Lkw-Maut zugemutet. Ab Jahresbeginn 2019 werden den Unternehmen auch Luftverschmutzungskosten und Lärmbelastung berechnet, zum Verdruss der Verbände auch dem Euro-6-Lkw mit 1,1 Cent pro Kilometer. Bereits ab Sonntag werden alle Bundesstraßen für Lkw ab 7,5 Tonnen mautpflichtig. Das bringe bis 2022 rund 4,2 Milliarden Euro zusätzlich, freute sich Scheuer. Diese Mehreinnahmen sollen zweckgebunden in die Straßeninfrastruktur zurückfließen. Die Verbände haben gemeinsam an den Minister appelliert, Euro-6-Lkw nicht zur Deckung der externen Kosten heranzuziehen. Die angekündigte Mautbefreiung für Elektro-Lkw, die den Umstieg auf umweltfreundlichere Fahrzeuge unterstützen soll, fand im Gewerbe wenig Anklang. Bei seinen Antrittsbesuchen in den Verbänden verstand es Scheuer, diese erheblichen finanziellen Belastungen freundlich und verbindlich zu erläutern, anders als sein stets etwas dröge daherkommender Vorgänger Alexander Dobrindt (CSU). Vollmundig und öffentlichkeitswirksam Öffentlichkeitswirksam verkündete Scheuer kurz nach seiner Vereidigung, er sei "nicht der Buddy der Autobosse". Stichwort Dieselskandal. Zweimal zitierte der Ressortchef Daimler-Chef Dieter Zetsche ins Ministerium mit der Folge, dass europaweit 774.000 Dieselmodelle des Autobauers zurückgerufen werden. Und auch gegenüber VW schlug der Minister einen anderen Ton an. Fahrverbote lehnt er ab, hat die Verkehrsminister der Länder davon überzeugen können, die Standorte der Messstationen zu überprüfen. Europäische Vorgaben dürften in Deutschland nicht zu streng angewendet werden. Einen "historischen Durchbruch", mit dem die "bestmögliche Lösung für den Steuerzahler" erreicht worden sei, nannte Scheuer vollmundig die Einigung mit den Gesellschaftern des Betreibers Toll Collect im Mautschiedsverfahren. Wegen technischer Probleme konnte die Lkw-Maut 2005 erst mit zwei Jahren Verspätung starten. Der Bund hatte insgesamt 9,5 Milliarden Euro geltend gemacht, die Unternehmen Forderungen von rund 4,9 Milliarden Euro. Der Bund erhält nun 3,2 Milliarden Euro.Toll Collect gehört zu jeweils 45 Prozent der Telekom und Daimler, den Rest hält der französische Autobahnbetreiber Cofiroute. Und die Pkw-Maut, das Prestigeprojekt der CSU? Beschlossen ist die "Infrastrukturabgabe" längst, jetzt arbeite man an der technischen und organisatorischen Umsetzung, bleibt Scheuer im Ungefähren. Lieber spricht er in einer Journalistenrunde über die E-Mobilität. Da geht es ihm um die Alltagstauglichkeit. Gerade erst wurde bekannt, dass der Bund die Elektromobilität mit einer Kauf- und Abwrackprämie für leichte Nutzfahrzeuge bis 4,25 Tonnen fördern will. Frühere Senkung der Trassenpreise Einen Schlingerkurs fuhr Scheuer dagegen in Sachen Bahn-Trassenpreise. Von Dobrindt war deren Senkung bereits ab 2018 versprochen worden, doch Scheuer wollte diese auf 2019 verschieben. Da hatte er nicht mit den Koalitionsfraktionen gerechnet. Die Trassenpreise für den Schienengüterverkehr werden noch im laufenden Jahr um 175 Millionen Euro gesenkt, anders als im Regierungsentwurf vorgesehen. Ab 2019 sollen es dann 350 Millionen Euro sein. Die Opposition rüstet sich derweil für die Haushaltsdebatte in der kommenden Woche. Mit Blick auf den gerade vom Kabinett verabschiedeten Klimaschutzbericht, demzufolge Deutschland das CO2-Sparziel um voraussichtlich acht Prozent verfehlt, schimpft der Grünen-Verkehrsexperte Stephan Kühn: "Scheuer steht bei der Gestaltung der Verkehrswende auf der Bremse". Im Bundestag will der CSU-Politiker sein Zahlenwerk offensiv verteidigen - in der Hoffnung, trotz der Regierungskrise noch lange auf der Ministerbank sitzen zu können, nicht weit von seinem Parteichef Horst Seehofer, dem Innenminister.

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