Scanner zum Anziehen

Ob Smartwatch oder Fitness-Armband - bei technikaffinen Verbrauchern sind Wearables bereits im Alltag angekommen. Auch Industrieunternehmen, insbesondere Autobauer, haben zuletzt damit begonnen, am Körper getragene IT in ihre Produktionsabläufe einzubinden - das Internet of Things (IoT) lässt grüßen. Der Vorteil von Wearables liegt buchstäblich auf der Hand: Mitarbeiter, die beide Hände frei haben, arbeiten effizienter, schließlich spart man sich unzählige Male den Griff zum Arbeitsgerät. Wearables wie smarte Brillen für Pick-by-Vision oder auch Ringscanner-Lösungen dürften in Industrie und Logistik erst der Anfang sein. "Im Verlauf der nächsten zwei bis fünf Jahre werden hochdisruptive Entwicklungen im Markt für Wearables erwartet", erklärt Frost & Sullivan-Analyst Ranjana Lakshmi Venkatesh Kuma im Rahmen der Studie "Wearable Technologies for Industrial Applications". Miniaturisierung und Fortschritte in der Materialentwicklung werden demnach die Grundlage für Wearables mit winzig kleinen Sensoren und elektronischen Komponenten schaffen, die Teil des menschlichen Körpers selbst sein könnten. Ganz so weit sind wir freilich noch nicht: Bislang werden Wearables - wie der Name schon sagt - an- oder übergezogen. So auch ProGlove, ein Handschuh-Scanner des gleichnamigen Start-ups in München. Zu den Referenzkunden des Unternehmens zählen neben Fahrzeugherstellern wie Audi und BMW oder Handelsunternehmen wie Penny auch Kunden aus dem Logistikbereich, darunter Loxxess. Der Dienstleister mit Sitz in Tegernsee bei München hat sich auf Outsourcing-Projekte spezialisiert, zu denen nicht nur Beschaffung und Warenverteilung, sondern auch Dienstleistungen in den Bereichen Customer Service, Produktveredelung und E-Commerce zählen. Am Standort im tschechischen Bor ist Loxxess vor allem auf Medienlogistik und Versandhandel spezialisiert. Für Vodafone beispielsweise kümmert sich der Dienstleister hier um die Lagerung und den Versand von technischen Geräten wie Modems, Receiver, WLAN-Sticks sowie Smartcards. Auch Kabelnetzbetreiber Tele Columbus legt die Logistik für seine Receiver und in die Hände von Loxxess. Mit Miethandschuhen angefangen Seit Jahresbeginn setzt der Logistiker bei der Endkontrolle vor Versand und bei der Retourenabwicklung die Handschuhscanner von ProGlove ein. "Für die rund dreimonatige Testphase hat uns der Hersteller einige Handschuhscanner auf Mietbasis zur Verfügung gestellt. Mittlerweile haben wir am Standort Bor eigene Exemplare angeschafft", erzählt Markus Mayr, Manager Lean Development Loxxess. Pro-Glove werde im Wechsel an verschiedenen Stationen eingesetzt, man lote noch aus, wo die Handschuhscanner den besten Effekt erzielen. Das ProGlove-System besteht aus dem Handschuhscanner selbst und einem Empfangsgerät für den PC. "Nach der einmaligen Einstellung der Barcode-Konfiguration ist das Gerät quasi als Plug-in-Lösung an jedem PC einsetzbar", berichtet Mayr. In der Praxis sehen die Arbeitsschritte eines mit ProGlove ausgerüsteten Mitarbeiters folgendermaßen aus: Das Retourenpaket wird geöffnet, Auftragsnummer und Produkt werden gescannt und im internen System weiterverarbeitet. Im Umkehrschluss stößt der Scanvorgang bei der Endkontrolle die Verarbeitung des Versandprozesses an. Ausgelöst wird der Scan-Vorgang über den Daumen, der Druck auf einen in Höhe des Zeigefingers integrierten Schalter ausübt. Zwischenfazit fällt gut aus Beim Kommissionieren wird der Handschuhscanner derzeit allerdings noch nicht eingesetzt. Hier setzt man weiterhin auf Mobile Datenerfassung mit Display, mit deren Hilfe auch Umlagerungen oder Korrekturen vorgenommen werden können, sagt Mayr. Sein Zwischenfazit für den aktuellen Einsatzzweck fällt gut aus: "Mit den Handschuhscannern erreichen wir eine Produktivitätssteigerung von zwölf bis 14 Prozent", so Mayr. Der Effektivitätsgedanke war aber nicht die alleinig treibende Kraft hinter der Einführung der Wearable-Lösung. "Wir haben den Handschuhscanner nicht aufgrund einer akuten Problemstellung eingeführt. Wir bei Loxxess haben uns auf die Fahnen geschrieben, technische Entwicklungen nicht nur zu beobachten, sondern auch aktiv auszuloten, ob die eine oder andere innovative Technologie auch für unsere Prozesse sinnvoll sein könnte", so Mayr. Diese Einstellung hätten übrigens auch viele der Loxxess-Mitarbeiter, sie seien neuen Technologien gegenüber grundsätzlich aufgeschlossen. "Wir hatten in der Testphase ein festes Team an Mitarbeitern, die mit ProGlove gearbeitet haben - andere Kollegen waren sehr gespannt darauf, den Handschuhscanner ebenfalls auszuprobieren. Das haben wir auch gerne zugelassen, um die Feedback-Basis weiter auszubauen", erinnert sich Mayr. Licht und Schatten Die Rückmeldungen der Mitarbeiter fielen im Großen und Ganzen positiv aus, sie freuen sich natürlich am meisten darüber, dass sie die Hände frei haben. "Positiv wahrgenommen wurde zudem das geringe Gewicht von ProGlove. Herkömmliche Kabel-, aber auch Bluetooth-Scanner sind deutlich schwerer als die Scaneinheit des Handschuhs", betont Mayr. Es habe aber auch Aspekte gegeben, die so manchen Mitarbeiter gestört haben. "In unserem Lager in Bor wird in der Regel ohne Handschuhe gearbeitet. Die Mitarbeiter sind das Tragen von Handschuhen bei der Arbeit also nicht gewohnt. Es handelt sich nun einmal um geschlossene Handschuhe und wenn es in der Halle warm ist, leidet auch der Tragekomfort", sagt Mayr. Darüber hinaus könne auch der Handschuh nicht verhindern, dass es beim Scannen zu monotonen Handbewegungen komme. "Ergonomisch ist der Handschuh völlig in Ordnung, mit der monotonen Bewegung ist momentan aber nicht jeder Mitarbeiter glücklich", so Mayr, der sich aber zuversichtlich zeigt, dass sich auch hier ein Gewöhnungseffekt einstellen wird. Ob diese oder eine vergleichbare Lösung allerdings flächendeckend über alle Loxxess-Standorte eingesetzt wird, stehe noch nicht fest. Ein Auge auf innovative Technologien wird Loxxess so oder so weiterhin haben. Diesen Sommer etwa wurde an einem Standort die Pick-by-Vision-Lösung von Picavi getestet, in der Kommissionierung kamen Datenbrillen vom Typ Google Glass und Vuzix M 300 zum Einsatz. "Die Ergebnisse des Tests waren sehr zufriedenstellend: Die Pickleistung stieg um über 20 Prozent", so Mayr. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Lager-IT www.verkehrsrundschau.de/dossiers Start-Up für die Industrie 4.0 Smarter Handschuh ProGlove entwickelt Wearables für die Industrie. Das Start-up wurde Ende 2014 von Thomas Kirchner (CEO), Jonas Girardet (CTO), Alexander Grots (Advisor) und Paul Günther (Product Engineer) gegründet, nachdem es den Wettbewerb "Make It Wearable" von Intel gewonnen hatte. Im vergangenen Jahr konnten sich die Münchner über die erste Finanzierungsrunde aus dem Silicon Valley freuen: Intel Capital, Gettylab und Bayern Kapital investierten insgesamt 2,2 Millionen Dollar in das Unternehmen. Das erste Produkt, der Handschuh-Scanner "Mark", soll als Plug & Play- Lösung (englisch für "anschließen und loslegen" für Effizienzsteigerungen sorgen: Unternehmensangaben zufolge können in einem Lager 2000 Minuten pro Tag eingespart werden. mh

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