Scanias neues Summen

Jetzt also doch! Bereits vor einigen Jahren zeigte uns Motorenentwickler Nils-Gunnar Vågstedt einen Scania G mit Hybridmodul, das die Schweden damals noch in den Kofferaufbau packten. Vågstedt tat das als Versuchsaufbau ohne konkreten Serienbezug ab. Jetzt, wo alle anderen Lkw-Hersteller das Thema Hybrid ad acta gelegt haben, hat Vågstedt seinen "Versuch" fertig entwickelt und zwei Prototypen zu ersten Ausfahrten hingestellt. Und die machen ihre Sache nicht schlecht: Bei Bedarf rollen sie praktisch rein elektrisch fast lautlos an und holen sich dann bei Bedarf den Diesel dazu. Bei vollgeladenen Akkus, die laut Scania sieben Jahre halten sollen, kann man bis zu zwei Kilometer rein elektrisch zurücklegen, was vor allem bei der Innenstadtbelieferung mit häufigem Stoppandgo massiv Sprit sparen soll. Im Mittel nennt Scania rund 18 Prozent. Diesem Wert liegt eine Tour mit 72 Stopps und eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 34 km/h zugrunde. Und was muss der Fahrer dazu tun? Im Idealfall nichts: Prinzipiell arbeitet das System automatisch und wechselt nach Bedarf zwischen rein elektrischem, rein dieselndem, elektrisch unterstützendem und rekuperierenden Modus hin und her. Das wirkt anfangs vor allem im Gefälle, wenn man auf einmal ohne Dieselnageln "dahinsegelt", sehr befremdlich - Lenkund Bremskraft bleiben natürlich voll erhalten, den Zug an der Motorbremse oder zu starkes Rekuperieren quittiert der Wikinger mit dem Anwerfen des Diesels. Doch man gewöhnt sich schnell daran. Wer meint, durch heftiges Bremsen stark rekuperieren zu können, liegt allerdings falsch: Da die Batterie nur 1,2 Kilowattstunden nutzbare Leistung bietet, schaltet bei zu starken Bremsungen wieder der Verbrenner zu. Insofern ändert sich an der beim Diesel erlernten vorausschauenden Fahrweise nichts, was auch eine extra Fahrerschulung auf den Hybriden erübrigt. Es gibt noch ein paar Haken am Hybrid Dass die Speicherbatterie wirklich nur zur Unterstützung gedacht ist, merkt man an der Tatsache, dass sie schon auf dem drei Kilometer kurzen Vorführrundkurs voll ge- und entladen werden kann. Temperaturschwankungen sollen ihr nichts anhaben können, da sie im Winter auf die optimalen 38 Grad Betriebstemperatur geheizt und im Sommer notfalls dorthin heruntergekühlt wird: "Das ist eigentlich fast wie bei uns Menschen - die fühlt sich mit 38 Grad Temperatur am wohlsten", erklärt Vågstedt. So weit so gut. Weniger gut ist das Zusatzgewicht von 790 Kilogramm und der horrende Aufpreis von 55.000 Euro, den Scania für den Hybriden aufruft. Der lässt sich allenfalls mit zusätzlichen Nachtschichten, am besten in Gebieten, in denen Verbrenner tabu sind, oder bei extremen Stopandgo-Einsätzen ansatzweise amortisieren. Geliefert werden nur Fahrgestelle mit mindestens 3,9 Metern Radstand als 4x2, 6x2 oder 6x2*4. Extraniedrige Fahrgestelle bietet Scania nicht an. An Kabinen hat man die Wahl zwischen G und P, geschaltet wird immer per vollautomatisiertem Scania Opticruise E-GRS895; Retarder oder seitlich montierte Nebenabtriebe gibt es nicht. Den Hybriden, bei dem ein 174-PS-E-Motor mit 1050 Newtonmeter Drehmoment den 320-PS starken Neun-Liter-Fünfzylinder unterstützt, kann man ab dem dritten Quartal 2016 ordern, Vorbestellungen sind laut Scania nicht möglich. Mag sein, dass die Serienversion dann mit der neuen Kabine auffährt, von der mittlerweile eine ganze Testarmada in Södertälje parkt. Und in sieben Jahren? Da hofft Vågstedt, dass die Batterien sowohl leichter als auch billiger und leistungsfähiger sind. Alle Tests und Fahrberichte für Premium-Abonnenten www.verkehrsrundschau.de/testdatenbank Der CNG-Lkw in Aktion Scanias große CO2-Offensive In Skandinavien spielen alternative Kraftstoffe eine größere Rolle als in Deutschland. Entsprechend breit ist Scania hier aufgestellt. Dass die Biodiesel-Modelle (bis 580 PS) respektive HVO (hydriertes Pflanzenöl)-Versionen (bis 730 PS) so fahren wie die Standard-Diesel und dabei bis zu 90 Prozent CO2 sparen können, ist klar. Ethanol dürfte vor allem in Brasilien und einzelnen Euromärkten Thema sein. Einen Riesenschritt ging Scania bei den LNG- und CNG-Fahrzeugen, die hier mit Allison-Sechsgang-Automat gekoppelt wurden. Diese nach dem Otto-Prinzip arbeitende Kombination war einst für Drehzahlorgien und schwache Drehmomente berüchtigt. Doch mit Euro 6 gelang Scania hier tatsächlich ein Quantensprung: Die "Gaser" bieten jetzt eine fülligere Drehmomentkurve als die vergleichbaren Diesel mit fast gleichem Maximalwert und Allison portioniert diese Kraft seit Neuestem drehzahlschonend und souverän: Der Wandlerautomat lässt den OC09 bis auf knapp 1000 Touren absacken, bevor er zurückstuft. Ob man sich dessen Aufpreis gönnen mag, steht auf einem anderen Blatt - doch nach dem Fahren von diversen Ethanol- und CNG-Modellen steht fest: Sofern das Tankstellennetz stimmt, haben diese Techniken Zukunft! gs

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