Reicht der kleine Diesel?

Der Einstieg in die Ducato-Welt beginnt bei 115 Pferdestärken. Das blieb auch nach dem jüngst von Fiat durchgeführten Facelift so. Das brachte vor allem eine überarbeitete Frontpartie und einen eher dezent überarbeiteten Innenraum. Antriebsseitig begnügten sich die Italiener dagegen damit, die bestehende Motorenpalette auf die Zwischenlösung Euro 5b+ zu heben, bevor 2016 die Euro-6-Norm für Transporter bis 3,5 Tonnen Gesamtgewicht obligatorisch wird. Wer den Einstiegsdiesel wählt, den Fiat sich aus seiner PKW-Abteilung entleiht, spart bei der Anschaffung immerhin mindestens 900 Euro zum nächst stärkeren 2,3-Liter-Selbstzünder mit 130 PS. Doch genügen die 115 PS und 280 Newtonmeter Drehmoment des "kleinen" 2,0-l-Multijet für die Ansprüche im rauen Transportalltag? Die Antwort muss "Jein" lauten. Solange die Touren überland oder durch die Stadt führen, genügt die Einstiegslösung völlig. Fiat-typisch gefällt der Common-Rail-Vierzylinder mit überdurchschnittlicher Elastizität und Laufruhe. Selbst das Durchrollen von Ortschaften mit 50 km/h im fünften Gang samt anschließendem Herausbeschleunigen gelingt auch bei beladenem Frachtabteil ohne Schaltvorgang. Anders sieht die Sache auf der Autobahn aus. Hier rächt sich die Tatsache, dass Fiat den Motor lediglich mit einem recht kurz gestuften Fünfganggetriebe liefern kann. Dass sich das eher unpräzise durch die Schaltgassen führen lässt, ist weniger das Problem. Vielmehr sorgt der fehlende sechste Gang für hohe Drehzahlen. 3000/min liegen bereits bei eher humanen 130 km/h an. Die Folge ist neben der dann ohrenbetäubenden Geräuschkulisse im Fahrerhaus vor allem ein erhöhter Autobahnverbrauch. Hohes Tempo mag der kleine Diesel nicht Zum Vergleich: Während der Testfahrt mit 700 Kilogramm Ballast im Frachtabteil verharrte der Bordcomputer überland bei niedrigen 7,0 l/100 km. Die 40 Kilometer lange Autobahnetappe reichte allerdings aus, den Durchschnittsverbrauch um über einen Liter pro 100 Kilometer ansteigen zu lassen. Ergibt am Ende einen Gesamtdurchschnittsverbrauch von 8,1 l/100 km für den Dreitonner auf der VR-Testrunde. Kein schlechter Wert zwar, dennoch wäre mit einer zusätzlichen Fahrstufe sicher mehr drin gewesen. Und auch den von Fiat angegebenen Normverbrauch von höchstens 6,8 l/100 km verfehlte der Testwagen weit. Wer nur selten die Autobahn ansteuert, für den ist der Einstigsdiesel aber durchaus eine wirtschaftliche Lösung. "Kilometerfresser" greifen aber besser zu den stärkeren Dieseln im Fiat-Angebot, die neben mehr Leistung auch stets eine sechste Fahrstufe mitbringen und darüber hinaus teilweise mit Motor-Start-Stopp-Anlage zu haben sind, die für den kleinen Motor nicht zur Disposition steht. Für alle Ducato-Modelle bestellbar ist dafür seit dem Facelift ein Spurhalteassistent samt integrierter Verkehrszeichenerkennung und Abblendautomatik. Das System warnt ab 65 km/h zuverlässig vor dem Verlassen der Spur. Lediglich auf engen Landstraßen empfiehlt es sich, den Wächter per Knopfdruck zu deaktivieren, um dem ständigen Gepiepse ein Ende zu bereiten. Ebenfalls zuverlässig funktioniert die Verkehrszeichenerkennung, auch wenn die Darstellung auf dem kleinen, monochromen Display unscheinbar ausfällt. Die fairen 400 Euro Aufpreis, die Fiat für sein Assistenzpaket verlangt, sind dennoch gut angelegtes Geld. Typisch Ducato: großer Frachtraum Ansonsten blieb es auch nach der Modellpflege bei den typischen Ducato-Attributen - positiv wie negativ: Große Fahrer tun sich weiterhin schwer, eine bequeme Sitzposition auf dem hoch montierten Fahrersitz zu finden. Die harte Federung teilt auch bei beladenem Frachtabteil kräftig aus, dafür liegt der Fiat aber auch wie das sprichwörtliche Brett auf der Straße. Und der Italiener bleibt der Lademeister seiner Klasse: Zehn Kubik passen in den nahezu rechteckigen Laderaum der getesteten L2H1-Version. Und auch die 835 Kilogramm des Testwagens gehen für einen Dreitonner dieser Größe in Ordnung, auch wenn die Fiat-Daten 320 Kilo mehr versprechen ... Attribute, die in Verbindung mit allen Ducato-Motoren gelten. Ein schlagendes Argument für den kleinen Diesel führte Fiat allerdings jüngst ins Feld: Den Ducato-Absatz will man nämlich mit dem neuen Sondermodell Easy ankurbeln. Und das ist lediglich mit 115 PS zu haben, ab günstigen 14.990 Euro. Womit die Preisdifferenz zu den größeren Motoren deutlich üppiger ausfiele.