Auf allen Vieren

Vier neue Modellreihen in 24 Monaten, wohl selten zuvor hat eine Nutzfahrzeugmarke derart schnell ihr komplettes Portfolio erneuert wie Ford. Man sei in 2013 die am schnellsten wachsende Nutzfahrzeugmarke in Europa gewesen und halte mit 10,7 Prozent einen Marktanteil wie seit fast zwanzig Jahren nicht mehr, verkündete stolz Barb Samardzich, resoluter Chief Operating Officer von Ford Europe. Nach Transit Custom, Transit Connect und dem kompakten Transit Courier (siehe Fahrbericht Kasten) kommt dieser Prozess mit dem "Original"-Transit, der ohne Namenszusatz auskommt und intern schlicht 2-t-Transit genannt wird, zu seinem Abschluss. 450 Varianten zwischen 3,1 und 4,7 Tonnen Gesamtgewicht sind laut Hersteller lieferbar. Dazu gehört auch eine 7,8 Meter lange Jumbo-Version mit satten 5,2 Metern Ladelänge sowie ein siebensitziger Doppelkabiner, der wahlweise als Kasten oder Fahrgestell bestellbar ist, und vor allem ein neuer, "ziviler" Allradantrieb. Anders als bisher und anders als bei hochbeinigen Wettbewerbern wie dem Mercedes Sprinter Allrad sieht man dem Transit AWD seinen Antrieb über alle vier Räder optisch nicht an. Das Fahrwerk basiert auf dem Heckantriebsmodell, liegt exakt auf dessen Höhenniveau und wurde ergänzt durch einen kompakt bauenden Vorderradantrieb. Die Regelung erfolgt modernerweise jetzt aber elektronisch und anders als beim ziemlich grob regelnden mechanischen Vorgängersystem ist jetzt auch das adaptive ESP voll integriert. Abhängig vom Angebot an Traktion leitet eine Kupplung die Kraft flexibel an die Vorderräder. Ist im zweiten der beiden Fahrmodi die integrierte Differanzialsperre aktiviert, fließen bis zu 100 Prozent des Drehmoments nach vorn, hilfreich etwa bei verschneiten Wegen im Winter oder auf sandigen Wegen. Bescheidenes Anfahrdrehmoment Das Ford-AWD-System arbeitete während einer ersten Fahrimpression auf einem hügeligen Forstweg unauffällig: Der Transit AWD zieht auch dort problemlos über die Kuppe, wo zumindest das Heckantriebsmodell Schwierigkeiten hatte. Probleme bereitet an solchen Stellen und insbesondere bei voller Beladung eher das bescheidene Anfahrdrehmoment und die überhaupt ziemlich maue Power respektive der mäßige Biss des in die Jahre gekommenen 2,2-Liter-Motors, Codename Puma. Die theoretisch erlaubten sieben Tonnen Gesamtzug-Gewicht will man dem Motor deshalb nicht wirklich zutrauen. Dass Ford an einem drehmomentstärkeren, neuen Motor arbeitet, der dann auch Euro 6 erfüllt, wollte man noch nicht offiziell bestätigen, dementieren die naheliegende Mutmaßung aber auch nicht. Als echten "Hardcore"-Allrad versteht Ford das AWD-System freilich nicht. Gedacht ist es eher für den Schlechtwegeeinsatz bei Energieversorgern, alpenländischen Kurierdiensten oder Hotelshuttlediensten. Die müssen dafür kaum Abstriche bei der Nutzlast machen: Nur 45 Kilo soll der zusätzliche Vorderradantrieb beanspruchen. Ebenso soll sich der Mehrverbrauch in Grenzen halten. Kräftig schlucken werden viele aber beim Aufpreis von 5000 Euro, der für den Allrad fällig wird. Mehr Relevanz als das Nischenmodell Allrad dürfte für die meisten Kunden der neue Service haben, den Ford auf der IAA ebenfalls vorstellte: Unter dem Label Transit 24 startet der Hersteller eine europaweite After-Sales-Offensive, die gewerblichen Nutzern dringende Reparaturen binnen 24 Stunden gewährleisten soll. Darüber hinaus sollen in den europaweit 750 spezialisierten Transit-Centern längere Spätabend-Öffnungszeiten, Ersatzfahrzeuge und diverse Annehmlichkeiten wie kostenloses WLAN die Werkstatt-Zeit des Transit sinnvoller füllen. Fahrbericht Ford Tourneo Courier 1,0-L-Ecoboost Die kleine Drehmaschine "Früher hätte man mit so einem Motor maximal ein Motorrad angetrieben", kommentiert trocken ein Ford-Werksmann. Nicht ohne anschließend mit schelmischer Vorfreude auf den Gesichtsausdruck des Fahrers zu achten, der erstaunt zur Kenntnis nimmt, wie flink sich das 1,0-Liter-Dreizylinder-Benzin-Motörchen unter der leider völlig unübersichtlichen Stummelhaube des neuen City-Vans in Bewegung setzt. Die Kombiversion mit fünffacher Bestuhlung und üppiger Ausstattung bringt es samt zwei Passagieren immerhin auf knapp 1500 Kilo. Umso mehr erstaunt, dass der bereits zum dritten Mal in Folge zum "Engine of the Year" gewählte Hubraumzwerg spontan antritt, enorm willig hochdreht und auch den Zwischenspurt ordentlich absolviert. Klar, so viel Dampf wie bei einem Diesel steht hier nicht zur Verfügung trotz raffinierter Turbotechnik mit extrem hohen Laderdrehzahlen. Das maximale Drehmoment der einzigen im Courier lieferbaren Ecoboost-Version mit 100 PS (in den Ford-PKW gibt es auch 125- und bald 140-PS-Varianten) beträgt formal überschaubare 170 Newtonmeter, die dafür bei frühen 1400/min anliegen. Aber wie sich das Aggregat in der Realität brummfrei und im obersten fünften Gang des wie bei Ford üblich knackig schaltbaren Getriebes über manche Landstraßen- oder erst recht Autobahnkuppe arbeitet oder nach Ortsdurchfahrten elastisch aus dem Drehzahlkeller kämpft, das nötigt doch einigen Respekt vor der Leistung des deutsch-britischen Ingenieurs-Teams ab. Kein Wunder, dass in jedem fünften Ford-Modell mittlerweile das kleine Herz schlägt. Das dank seines ordentlichen Drehmoments selten einmal zum Ausdrehen genötigt werden muss. Es sei denn, man will überholen oder dem enorm agil und messerscharf zu steuernden 4,16-Meter-Kleinsttransporter mal spaßweise die Sporen geben. Nur dann bemerkt man am etwas grimmigen, leicht unrunden Trommeln, dass nur drei Kolben in diesem leichten Grauguss-Block auf und ab rasen. Ansonsten bleibt der Motor dezent. Und tatsächlich bescheiden: Die 110 Kilometer, großteils bei konstanter Autobahnfahrt mit 120 km/h, absolvierte der Tourneo Courier mit knapp über 6 l/100 km. Nicht schlecht für einen Benziner. Und sicher eines der derzeit besten Beispiele für gelungenes Downsizing. Kann man nur hoffen, dass der große Transit motorisch vom Kleinen lernt. jr

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