Problemfluss Elbe

Die Elbe ist in diesem Jahr ein Fluss der Gegensätze: Während der Hamburger Hafen nach drei Quartalen trotz verzögerter Elbvertiefung auf Rekordkurs liegt, hatten die Binnenschiffer an der Oberelbe lange Zeit mit Niedrigwasser zu kämpfen. Zu Jahresanfang sorgte der milde Winter für niedrige Wasserstände. Im Juni sackte der Pegel in Dresden zeitweise unter 80 Zentimeter, optimal waren die Bedingungen bis in den Frühherbst hinein nicht. Die Folgen lassen sich beispielhaft an den Umschlagzahlen für Getreide ablesen: Wurden 2013 in den sächsischen Binnenhäfen Dresden, Riesa und Torgau noch 17.100 Tonnen Getreide verladen, waren es in diesem Jahr bis Ende August nur 4200 Tonnen - davon 1200 Tonnen per Bahn. Viele Mengen waren zu diesem Stichtag noch nicht abtransportiert, aber im Hafenverbund Sächsische Binnenhäfen Oberelbe rechnet man damit, dass in diesem Jahr einiges an Getreide direkt der LKW Richtung Seehäfen gebracht hat. Es fehlt an Zukunftskonzepten Ähnlich ist die Situation in den tschechischen Binnenhäfen Decin und Lovosice. Im Jahr 2013 wurden 20.600 Tonnen Getreide per Binnenschiff und 10.250 Tonnen Getreide per Bahn und LKW transportiert. In diesem Jahr ist es genau umgekehrt. Bahn und LKW bekamen mit 19.400 Tonnen Getreide den Löwenanteil, für das Binnenschiff blieben 10.090 Tonnen. Auch im übertragenen Sinne sitzt die Binnenschifffahrt auf der Ober- und Mittelelbe auf dem Trockenen - und das nicht erst seit diesem Jahr. Spätestens seit dem Elbhochwasser im August 2002 suchen Politiker und Verbände einen Weg zwischen Ökonomie, Hochwasserschutz und Ökologie. Obwohl die Elbe als Wasserstraße von europäischer Bedeutung in das TEN-T Netz der EU aufgenommen ist, wurde sie bisher als einziger bedeutender deutscher Fluss noch nicht durch das Bundesverkehrsministerium (BMVI) kategorisiert. "Noch schlimmer als die Niedrigwasserproblematik sind fehlende Konzepte für die Zukunft der Wasserstraße Elbe", sagt Peter Ziegler, Geschäftsführer Hafenbetrieb Aken. Die Folge ist Unsicherheit bei den Beteiligten - und Investitionszurückhaltung. Auf kaum einer deutschen Wasserstraße ist der Schiffsraum so alt wie auf der Elbe. "Was auf dem Rhein abgewrackt wurde, könnte man auf der Elbe gut gebrauchen", brachte es Andreas Bogner, Sales Manager der Imperial Baris GmbH, beim 5. Seehafen-Kongress von Hafen Hamburg Marketing (HHM) und dem Umweltmanagement-Spezialisten Umco auf den Punkt. "Planbare Binnenschifffahrt auf der Elbe ist die Basis für nachhaltige Transportkonzepte, die zum Auffangen des Transportwachstums alternativlos sind", sagte Heiko Loroff, Geschäftsführer der Sächsischen Binnenhäfen Oberelbe, bei gleicher Gelegenheit. Nicht nur Niedrig- und Hochwasser behindern die Schifffahrt auf der Elbe. Auch Navigationshindernisse wie der Magdeburger Domfelsen kosten gerade Schubverbände viel Zeit und Geld. Schiffshebewerk ist zu kurz geraten Auch in den Kanalnetzen entlang der Elbe drückt der Schuh kräftig. Eigentlich bietet ab Magdeburg die Fahrt über den Mittellandkanal und den Elbe-Seiten-Kanal eine gute Alternative zur wasserstandsabhängigen Passage auf der Elbe. Auf der Strecke sind zudem Wirtschaftszentren wie Wolfsburg und Braunschweig angebunden. Allerdings gibt es auch hier eine entscheidende Engstelle. Das 1975 eröffnete Schiffshebewerk in Scharnebeck ist wegen seiner Troglänge von nur 100 Metern beispielsweise für moderne Containerbinnenschiffe, die mindestens 120 Meter lang sind, nicht passierbar. Eine Lösung wäre der Bau eines zweiten Abstiegsbauwerks in Scharnebeck, für den sich auch die Wirtschaft unter Federführung der IHK Lüneburg Wolfsburg im neu gegründeten "Bündnis Elbe Seitenkanal" stark macht. Doch auch hier mauert die Politik. Der damalige Verkehrsminister Peter Ramsauer ließ bereits 2012 das Aus für das 250 Millionen Euro teure Projekt verkünden. Angesichts der Aufkommensprognosen des Hafens Hamburg stieß diese Entscheidung sowohl in der Hansestadt als auch im östlichen Niedersachsen auf Unverständnis. Hier werde ein umweltfreundlicher Verkehrsträger abgewürgt, lautete die Kritik. Unter Ramsauers Nachfolger Alexander Dobrindt (beide CSU) startet das Bündnis jetzt einen neuen Anlauf. Eine Hoffnung der Ausbaubefürworter: Mit einem Ausbau von Scharnebeck könnten moderne leistungsfähige Containerund Stückgutschiffe auf dem Elbe-Seitenkanal eingesetzt werden und die Bedeutung des Binnenschiffs im Seehafen-Hinterlandverkehr stärken. Bisher werden im Hamburger Hafen zwar immerhin 10,8 Millionen Tonnen (Stand 2013) von und auf Binnenschiffe umgeschlagen, aber nur 98.038 Standardcontainer. Das entspricht nicht einmal zwei Prozent des gesamten Containerumschlags. Paradoxerweise gelten die großen Seehafenterminals als Bremser in Sachen Hinterlandverkehr per Binnenschiff. Die kleinen Einheiten passen nicht recht in ihre Abläufe, die auf die Abfertigung von Großschiffen und Feedern ausgelegt sind. "Wir würden uns an den Terminals eine andere Wertschätzung wünschen", formuliert es Braunschweigs Hafenchef Jens Hohls diplomatisch. "Wir werden da als Seeschiff betrachtet - und zwar als sehr kleines". Zahlen müssen die Binnenschiffe jedoch ganz groß. Umschlagkosten von etwa 100 Euro pro Hub tragen dazu bei, dass das Binnenschiff hinter LKW und Bahn im Containerverkehr nur die dritte Geige spielt. Und einen dedizierten Binnenschiff- und Feederterminal wie in Rotterdam lehnt die Hamburg Port Autority (HPA) bislang ab. Elbe-Shuttle eine Alternative zum LKW? Dennoch gibt es Optimisten an der Elbe. Brunsbüttels Hafenchef Frank Schnabel wirbt für die Wiedereinführung eines Elbe-Shuttles, der zweimal wöchentlich die Unterelbehäfen Cuxhaven, Brunsbüttel, Stade und Glückstadt mit Hamburg verbinden soll. Neben Containern sind auch Massen- und Stückgut für den Elbe-Shuttle im Visier. In der Vergangenheit waren ähnliche Vorhaben vor allem an billigeren Angeboten der Straße gescheitert. Doch Schnabel hat den Augenblick für seine Initiative klug gewählt. Im Oktober hat der Ausbau der A 7 nördlich von Hamburg begonnen, der voraussichtlich massive Beeinträchtigungen des LKW-Verkehrs mit sich bringen wird. Eine zuverlässige Verbindung auf der Unterelbe, so das Kalkül, könnte durchaus Interesse bei den Verladern entlang der Elbe finden.

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