Paris. Wegen Geldmangel drohen zahlreiche der noch von der Vorgängerregierung unter Präsident Sarkozy geplanten und teilweise schon in die Wege geleiteten Infrastrukturprojekte im französischen Verkehrssektor fürs Erste auf Eis gelegt werden zu müssen. Die neue Regierung kündigte jetzt eine umfassende Revision der bisherigen Planungen an. Den Anlass dafür gab der private Bau- und Telekomkonzern Bouygues, der in der letzten Woche die bisherige Finanzplanung für das geplante Mammutprojekt eines Verbindungskanals zwischen dem Pariser Becken, der Seine und den nordöstlich davon gelegenen belgischen, niederländischen und deutschen Binnenschifffahrts-Verbindungen in Zweifel gezogen hat. Der auf 4,3 Milliarden Euro veranschlagte Seine-Nordeuropa-Kanal ist ein Vorhaben, das mit Mischfinanzierung durch öffentliche und private Mittel realisiert werden sollte.
Paris hat auf die Bouygues-Einlassung mit der Ankündigung reagiert, man werde die Bezahlbarkeit des Projekts durch eine spezielle Kommission prüfen lassen. Damit dürften zugleich die vom Umweltgipfel „Grenelle de l´environnement“ beschlossenen und auf den Weg gebrachten Infrastruktur-Entwicklungspläne für den Transportbereich insgesamt einer gründlichen Revision unterzogen werden. Angekündigt hatte dies der neue Verkehrsminister Frédéric Cuvillier schon kurz nach seinem Amtsantritt im Juli. Zahlreiche von den Planungen berührte Regional- und Kommunalpolitiker fürchten jetzt schmerzhafte Einschnitte in das „schéma national des infrastructures de transport (SNIT)“. Dies gilt ganz besonders auch für den weiteren Ausbau der Hochgeschwindigkeits-Bahnlinien.
Staatsbahn SNCF reagiert
Auch bei der Staatsbahn SNCF und ihrem Infrastrukturträger RFF herrschen inzwischen klar Realismus und Rotstift vor, zumal die Verschuldung des Sektors von Jahr zu Jahr um bald eineinhalb Milliarden Euro zunimmt. RFF-Chef Hubert de Mesnil gibt daher der Renovierung des bestehenden Bahnnetzes den Vorrang und hält dies für wirtschaftlich rentabler als die SNIT-Vorhaben.
SNCF-Chef Guillaume Pepy seinerseits will sich vorrangig um die Nahverkehrsverbindungen insbesondere im Pariser Raum kümmern. Beobachter schließen jetzt nicht aus, dass auch das gigantische Projekt zum Bau einer Hochgeschwindigkeits-Bahnstrecke für den Personen- und auch den Güterverkehr zwischen Lyon und Turin in Oberitalien bis auf Weiteres wieder in den Planungsschubladen verschwindet. Es sieht unter anderem den Bau eines über 50 Kilometer langen Bahntunnels zwischen Frankreich und Italien vor und ist bislang vor allem auf italienischer Seite auf heftige Proteste von Umweltgruppen gestoßen. (jb)