Paketdrohnen

Paketdrohnen Wo sich Drohnen lohnen Die Unternehmen Amazon und Deutsche Post DHL experimentierten in der Vorweihnachtszeit mit Paketdrohnen. Ein reiner PR-Gag sei das, kritisieren Fachleute – und verweisen darauf, dass der Gesetzgeber kommerzielle Drohneneinsätze stark einschränkt. Interessante Einsatzgebiete gibt es trotzdem. Jeff Bezos, Gründer des E-Commerce-Riesen Amazon, weiß, wie Marketing funktioniert. Amazon werde innerhalb von fünf Jahren Drohnen bei der Paketzustellung einsetzen und den Zustellungsprozess „schneller“ und „grüner“ machen, teilte er in einem Interview mit dem US-amerikanischen Fernsehsender CBS den entzückten Zuschauern mit. Damit sicherte sich Bezos für einige Tage intensive und vor allem kostenlose Me-dienpräsenz – und zwar zu Beginn der heißen Phase des Christmas Shopping. Da wollte die Deutsche Post DHL natürlich nicht zurückstehen. Am 9. Dezember stieg der DHL-Paketkopter an einer Apotheke auf, um verschnupfte Mitarbeiter der auf der anderen Rheinseite gelegenen DHL-Unternehmenszentrale mit Erkältungsmedikamenten zu versorgen. Selbstverständlich unter reger Teilnahme der Medien – das Logistikevent schaffte es immerhin in die ZDF-Tagesthemen. Drohnen für 250 Euro aufwärts Fachleute schmunzelten über den PR-Gag – aber Teile der Öffentlichkeit waren beeindruckt. Schließlich hatten sie selbst im TV gesehen, wie ein unbemanntes Fluggerät mit einer Sendung einschwebte. Für diesen Effekt mussten allerdings weder Amazon noch DHL ihren eigenen Forschungs- und Entwicklungsetat allzu sehr plündern. Drohnen gibt es im spezialisierten Fachhandel für 250 Euro aufwärts. Die Parrot’s AR-Drone, ein empfehlenswerter Quadricopter, kostet rund 330 Euro und lässt sich bequem mit einem Tablet oder einem Smartphone lenken. Ein High-End-Gerät vom Typ Aibotix Aibot X6 kostet mehr als 20.000 Euro und wird beispielsweise bei Filmaufnahmen verwendet. Start-ups testeten Dönerkopter Die meisten Drohnen sind reine Sport- und Spaßgeräte, doch es gibt bereits jetzt kommerzielle Einsatzzwecke. Dazu zählt neben Filmarbeiten die technische Inspektion von Großanlagen. Durch den Einsatz von Sensorik lässt sich sogar der Bewässerungsstand von landwirtschaftlich genutzten Flächen ermitteln. Der Einsatz als Liefervehikel blieb in zumindest in Deutschland auf bisher einen Fall begrenzt. Offenbar studentisch geprägte Start-ups in Freiburg stellten den sogenannten Dönerkopter vor. Dieser sollte den Couchpotatos der südwestdeutschen Universitätsstadt den Weg zum Imbiss ersparen und leckere Stärkungen über den Luftweg an den Empfänger liefern. Der kommerzielle Durchbruch blieb aber aus mehreren Gründen aus – unter anderem deswegen, weil aus drei Metern Höhe abgeworfene Döner einen massiven Qualitätsverlust erleiden. Doch ob Dönerkopter, Amazon oder DHL: Wer in Deutschland Drohnen zu kommerziellen Zwecken einsetzen will, muss sich intensiv mit der Rechtslage auseinandersetzen – und die ist restriktiv. In Deutschland ist der Betrieb von unbemannten Luftfahrtsystemen (UAS) in Parapraph 15a der Luftverkehrs-Ordnung (LuftVO) geregelt und erlaubnispflichtig. Grundsätzlich verboten sind Drohnen mit einer Gesamtmasse von über 25 Kilogramm – wodurch sich ein eventueller Einsatz in der Zustellung auf kleinere oder sehr leichte Sendungen beschränkt. Keine Erlaubnis gibt es auch für unbemannte Luftfahrtgeräte, die außerhalb der Sichtweite des Steuerers agieren. Das bedeutet im Klartext: Jede Zustelldrohne müsste von einem Steuerer am Boden begleitet werden – das Todesurteil für jeden Rationalisierungsgedanken. Die Erteilung von Erlaubnissen ist Ländersache. Zuständig ist die jeweilige Landesluftfahrtbehörde, die nach „pflichtgemäßem“ Ermessen entscheidet. Möglich sind allgemeine Erlaubnisse, die bis zu zwei Jahre gelten können, oder einzelfallbezogene Erlaubnisse für jeden Aufstieg. In den meisten Bundesländern werden allgemeine Erlaubnisse für unbemannte Fluggeräte ausgestellt, die inklusive Nutzlast maximal fünf Kilogramm wiegen und über keinen Verbrennungsmotor verfügen. Für schwerere Flugobjekte und Drohnen mit Verbrennungsmotor gibt es nur einzelfallbezogene Erlaubnisse. Hohe Anzahl von Auflagen Wer eine Erlaubnis bekommt, muss sich an eine Vielzahl von Auflagen halten. Flughöhen von über 100 Metern sind nicht erlaubt, der Einsatz über Menschen oder gar über Menschenansammlungen ist verboten, was beispielsweise eine Zustellung in Städten und Ballungsräumen unmöglich macht. Zusammengefasst: Die aktuelle Rechtslage macht einen Drohneneinsatz in der Zustellung praktisch unmöglich. Nun lassen sich Gesetze und Verordnungen natürlich ändern. Aber selbst, wenn sich die Befürworter der Paketdrohne eines Tages durchsetzen könnten, blieben immer noch massenhaft technische Probleme offen. Zumindest für militärische Anwendungen bereits gelöst sind die Anforderungen an Reichweite und Traglast. US-Militärdrohnen vom Typ MQ 1B Predator haben eine Reichweite von 774 Kilometer und eine Nutzlast von 250 Kilogramm. Sie werden aber individuell von einem Expertenteam in der Luftwaffenbasis gelenkt. Für einen kommerziellen Einsatz im Gütertransport müssten Drohnen flottentauglich gemacht werden. Das bedeutet eine Automatisierung von Routing und Steuerung. Die Paketdrohnen müssten außerdem Hindernisse wie andere Drohnen, Segelflugzeuge und auch Vögel selbstständig erkennen und vermeiden können. Eine Mammutaufgabe für Entwickler und Wissenschaftler. Anwendungsfelder in der Logistik Gänzlich ungelöst ist auch die Frage der Zustellung: Der Gedanke, dass die Drohne an der Tür klingelt, das Paket übergibt und sich den Empfang quittieren lässt, dürfte allenfalls für Science-Fiction-Autoren eine realistische Option sein. Für Paketabwürfe vor der Haustür oder in den Garten wird voraussichtlich die Akzeptanz der Empfänger fehlen. Also wären spezielle Drop-Points zu entwickeln – hierfür gibt es vermutlich nicht mal Entwürfe. Trotz aller Hindernisse gibt es durchaus Anwendungsmöglichkeiten für Drohnen in der Logistik, die eine nähere Betrachtung verdienen – wenngleich nicht in der Massenzustellung von Paketen. Das Dortmunder Fraunhofer IML startet in diesen Tagen beispielsweise ein Projekt mit dem Namen „Inventairy“. Dort geht es unter anderem darum, ob Drohnen in Verbindung mit Autoidentifikationstechniken bei Bestandsaufnahmen in großen Lagern sinnvoll eingesetzt werden können. Auch für die Materialversorgung von Technikern, die an schwer erreichbaren Stellen, beispielsweise an Turbinen von Offshorewindanlagen, arbeiten müssen, ist der Einsatz von Fluggeräten eine interessante Option. Im Bereich der Zustellung sieht Ole Nordhoff, Leiter des Bereichs Marktentwicklung bei DHL Paket Deutschland, die größten Möglichkeiten bei der Zustellung eiliger Güter, zum Beispiel Medikamente, in dünn besiedelten Gebieten – sofern der Gesetzgeber den Weg für solche Dienstleistungen freigibt (siehe Interview). ❙❚■ Björn Helmke, Hamburg-Korrespondent Interview „Der Paketkopter ist nicht an ein Straßennetz gebunden“ In welchen Bereichen Deutsche Post DHL künftig Paketkopter für die Paketzustellung einsetzen will, sagt Ole Nordhoff, Leiter des Bereichs Marktentwicklung bei DHL Paket Deutschland. Herzlichen Glückwunsch! Mit dem Thema „Drohnen in der Paketzustellung“ haben Sie es vor Weihnachten sogar in die Tagesthemen geschafft und Deutsche Post DHL viel Werbung beschert. Darf ich annehmen, dass die Drohnen damit ihren Zweck erfüllt haben und wieder in der Schublade verschwinden? Ole Nordhoff: Nein, für uns war es in erster Linie ausschlaggebend, den Paketkopter in einem konkreten Anwendungsfall zu testen. Auch wenn wir mit unseren Forschungen noch weit am Anfang stehen, ist für uns wichtig, die Möglichkeiten dieser Technik auszuloten. So konnten wir zum Beispiel während des fünftägigen Pilotversuchs in Bonn wichtige Erkenntnisse gewinnen, wie sich der Paketkopter bei den verschiedenen Wetter- und Windbedingungen verhält. Die gesammelten Daten werten wir aus, um weitere mögliche Anwendungsfälle zu identifizieren. Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass Drohnen in der Paketzustellung in zehn Jahren zumindest eine gewisse Rolle spielen könnten? Sicherlich ist es nach aktuellem Stand noch ein wenig zu früh, um die Rolle dieser Technologie in der Zukunft abzuschätzen. Es ist noch eine Menge an technischer Weiterentwicklungsarbeit notwendig. Fest steht, dass der Paketkopter nicht an ein Straßennetz gebunden ist und für besonders eilige Sendungen ein relevantes Transportmittel sein könnte. Man denke zum Beispiel an die Zustellung von Medikamenten oder anderen sehr eiligen Gütern in dünn besiedelten Gebieten. Es geht also insbesondere darum, zusätzliche Anwendungsfälle auszuloten, die heute so noch nicht abgedeckt werden können. Die hervorragende Arbeit, die unsere Zustellerinnen und Zusteller im Regelbetrieb täglich leisten, kann durch Paketkopter natürlich nicht ersetzt werden. Welche technischen Herausforderungen müssen bewältigt werden? Um neue Lieferanwendungen in der Praxis möglich zu machen, ist die technologische Weiterentwicklung bezüglich Traglast und Reichweite sehr wichtig. Da mit einem Paketkopter bereits dieses Jahr Lasten von bis zu drei Kilogramm transportiert werden können, bin ich vom technischen Standpunkt aus sehr zuversichtlich. hel „Für besonders eilige Sendungen könnten Paketdrohnen ein relevantes Transportmittel sein“ Ole Nordhoff, Leiter Bereich Marktentwicklung DHL Paket Deutschland Die aktuelle Rechtslage macht den Drohneneinsatz in der Zustellung praktisch unmöglich

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