Notwendig oder überflüssig?

Das Thema Compliance nimmt die Unternehmensgruppe Elsen sehr ernst. "Wir haben auf Wunsch einiger Kunden den Code of Conduct des Bundesverbands Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME) unterschrieben", sagt Wolfgang Groß-Elsen, Geschäftsführer des Wittlicher Logistikunternehmens. "Jetzt müssen parallel zur Tagesarbeit für die einzelnen Tochterunternehmen besondere Richtlinien ausgearbeitet werden: Das zieht sich natürlich hin." Mit dieser Erfahrung steht die Elsen-Gruppe nicht alleine da. Wenn Verlader mit Logistikdienstleistern ins Geschäft kommen wollen, fordern sie immer häufiger Compliance-Regelungen, bestätigt Groß-Elsen. Der neue Partner soll nachweisen, dass er keine Mitarbeiter diskriminiert, faire Arbeitsbedingungen gewährleistet, den Umweltschutz achtet und Geschäftsgeheimnisse wahrt. Im Fokus steht naturgemäß das Thema Korruption. An einem Passus, welche Geschenke, Einladungen und sonstige "Zuwendungen" zulässig sind und welche nicht, kommt ein solches Regelwerk nicht vorbei. Viele Verlader schlagen daher die Übernahme von Code of Conduct-Regeln vor, die sie selbst oder Verbände formuliert haben. Klingt gut, aber oft sprechen solche Papiere nur allgemeine Empfehlungen aus, die für die einzelnen Mitarbeiter und Subunternehmer einer Logistikfirma konkretisiert werden müssen. "Für einen Logistikmanager, der einen neuen Auftrag akquirieren will, müssen andere Regelungen formuliert werden als für LKW-Fahrer, die mit vollen Fahrzeugen vor einer Grenzstation stehen", führt der Elsen-Geschäftsführer aus. Maßnahmen im Konfliktfall Risiko genau definieren, gewünschtes Mitarbeiterverhalten formulieren und Maßnahmen im Konfliktfall auflisten. Das ist demnach Aufgabe einer betrieblichen Compliance-Regelung. Sie kann sich dabei auf Verhaltensrichtlinien stützen, wie sie etwa der BME entworfen hat. Beim Thema Korruption formulieren diese Richtlinien scheinbar Selbstverständliches. So soll im Umgang mit Geschäftspartnern und staatlichen Institutionen das geltende Strafrecht eingehalten werden, die Gewährung und Annahme von "Geschenken, Zahlungen, Einladungen und Dienstleistungen" ist nicht erlaubt, wenn sie die Geschäftsbeziehung "unzulässig beeinflussen oder die professionelle Unabhängigkeit des Geschäftspartners gefährden". Ansonsten stellt es das BME-Papier dem Unterzeichner frei, genauere Kriterien zu formulieren, und rät zur Ernennung eines ständigen Ansprechpartners für Mitarbeiter in Konfliktsituationen. Wichtig dabei: "Solche Präzisierungen dürfen nicht im Widerspruch zu den Compliance-Regeln der Kunden stehen", mahnt BME-Experte Schröder genaue Abstimmungen an. Kleine Betriebe haben es seiner Erfahrung nach da leichter, weil sie weniger Risiken definieren müssen. Sie können sich dabei zum Beispiel auch auf den Leitfaden der Internationalen Handelskammer ICC stützen, die in 22 Szenarien typische Korruptionssituationen bei internationalen Geschäften schildert und Empfehlungen für deren Prävention und Handling gibt. Das Spektrum dieser Szenarien reicht von Ausschreibungen, die offenkundig einen Bewerber begünstigen, über Kundenwünsche nach Kooperationspartnern, die als korrupt gelten, und fragwürdige Gebühren für technisches Equipment bis hin zu Bestechungsangeboten von Lieferanten, die qualitativ minderwertige Produkte und Dienstleistungen ausliefern. Auch der Umgang mit Zoll- und Polizeibehörden ist Thema des ICC-Papiers. Für jedes Szenario werden Empfehlungen ausgesprochen, wann ein striktes Nein angesagt und wann eventuell einmal ein Auge zugedrückt werden kann. "Wir sehen unseren Leitfaden als Schulungs- und Trainingsinstrument für Unternehmen", sagt Oliver Wieck, Deutschland-Generalsekretär des ICC. Erst mit solchen praxisnahen Tipps haben Compliance-Regeln nachhaltige Wirkung, glauben Experten wie Christina Stecker, Partnerin der Beratungsfirma PWC. "In vielen Ländern zeigen die Behörden heute mehr Effizienz beim Kampf gegen zoll- und wettbewerbsrechtliche Verstöße als noch vor wenigen Jahren", sagt sie. Entsprechend müssten sich auch Logistikdienstleister auf diese Veränderungen einstellen, zum Beispiel, wenn sie in neue Länder expandieren wollen. Tipps vom Experten So schaffen Sie Transparenz Die Zeiten, in denen Unternehmen korrupte Handlungen als unvermeidliche Begleiterscheinung von Geschäftsabschlüssen im Ausland betrachteten, sind vorbei. Auf was Transport- und Speditionsbetriebe beim Gang ins Ausland daher achten sollten, sagt Sebastian Schröder, Leiter Recht & Compliance beim Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME) in Frankfurt/Main:Bevor Sie in neue Länder expandieren, sollten sie sich über die örtlichen Verhältnisse genau informieren und ihre Mitarbeiter und Subunternehmer darauf vorbereiten. Schaffen Sie Transparenz. Klären Sie eventuelle Probleme mit kundigen Juristen und formulieren Sie mit diesen Lösungen, die Sie anschließend offen kommunizieren.Schaffen Sie Regelungen für den Umgang mit unbekannten Geschäftspartnern.Holen Sie vor dem ersten Kontakt Informationen über Ihre Geschäftspartner ein. Fragen Sie diese nach dem ersten oder zweiten Kontakt offen danach, wie sie sich in bestimmten Situationen verhalten würden. Im Idealfall legt der Geschäftspartner eigene Compliance- oder Codeof-Conduct-Papiere vor. botSebastian Schröder, Leiter Recht & Compliance beim Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME) Praxislösung bei Elsen Logistics "Das Ganze ist für einen Mittelständler sehr aufwendig" "Das Thema Compliance wird für uns immer wichtiger", sagt Wolfgang Groß-Elsen, Geschäftsführer der mittelständischen Unternehmensgruppe Elsen mit Stammsitz in Wittlich. Zum einen werde dies in Ausschreibungen, insbesondere von großen amerikanischen Unternehmen, zunehmend von Dienstleistern gefordert - gerade in der Automobillogistik, führt er aus. Zum andern expandiere das Unternehmen Elsen sowohl im In- als auch im Ausland - auch deshalb sei ein gemeinsames Verhaltens-Regelwerk hilfreich, um etwaiger Wirtschaftskriminalität vorzubeugen, sagt der Geschäftsführer.Um dafür gerüstet zu sein, erarbeitet der Logistikdienstleister derzeit unternehmensspezifische Richtlinien. "Wir stehen damit aber noch am Anfang", betont er. Das Unternehmen stütze sich dabei auf den "Verhaltenskodex gegen Korruption, Kinderarbeit und Kartelle", den der Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME) entwickelt hat. "Dieser ist aber sehr stark auf Einkäufer zugeschnitten", meint Groß-Elsen. "Entsprechend müssen wir diesen an die Besonderheiten eines Logistikunternehmens anpassen."Das Ganze sei aber gerade für einen Mittelständler sehr aufwendig, allein um zum Beispiel die Arbeitszeiten der Fahrer nachzuhalten, nennt er ein konkretes Beispiel. Deshalb wird sich bei Elsen ein Compliance-Verantwortlicher um diese Aufgaben kümmern. "Eine Ganztags-Stelle wird das aber nicht sein, das können wir uns als Mittelständler nicht leisten", sagt er. eh