Frachtenbörsen

Frachtenbörsen Lust oder Last? Die Idee ist bestechend: Wer überzählige Ladung hat, stellt sie in Frachtenbörsen. Doch die Plattformen sind in der Transportbranche nicht unumstritten. Ist der Preis für eine bessere LKW-Auslastung tatsächlich ein höherer Preisdruck? Für die Zusammenarbeit mit Frachtenbörsen gilt bei vielen Speditions- und Logistikunternehmen ein fester Grundsatz: Ausschließlich Sendungen, die nicht von eigenen Fahrern und Subunternehmern gefahren werden, kommen auf Timocom, Teleroute und andere Platt-formen. So muss bei DB Schenker jede Ladung wenigstens zehn Minuten lang auf der hauseigenen Plattform Cargonet zu sehen sein, bevor sie auf fünf internationale Frachtenbörsen weitergeschaltet wird. „Jeden Tag kommen 15 bis 20 Prozent unserer Sendungen auf diese Portale“, erzählt Landtransporte-Manager Dirk Rathai. Beim Sonderfahrtenanbieter Intime gelten noch strengere Spielregeln. Ausschließlich im „absoluten Ausnahmefall“ (Geschäftsführer Armin Steiner), wenn Nachfragespitzen abgedeckt oder sehr abgelegene Strecken bedient werden müssen, schaltet das KEP- Unternehmen Frachtenbörsen ein. „Wir prüfen in jedem Fall, ob Fahrzeug und Fahrer unsere Qualitätsstandards erfüllen“, betont Steiner. Plattformen konkurrieren Angesichts dieser Ausgangslage sollten Frachtführer, die auf Frachtenbörsen Sendungen akquirieren, passable Preise aushandeln können. Da die meisten Sendungen overnight oder gar noch am selben Tag zugestellt werden müssen, müssten Speditionen und andere Versender an schnellen Auftragsvergaben und nicht an möglichst niedrigen Preisen interessiert sein, sollte man meinen. Die hohen Teilnehmerzahlen – die größten Frachtenbörsen melden bis zu 100.000 registrierte Nutzer – und die harte Konkurrenz der Plattformen untereinander verhindern aber offenbar genau solche Effekte. Mit Frachtenbörsen werde der Preisdruck vor allem im internationalen Geschäft noch höher, versichern manche Frachtführer. Bei vielen Touren fallen Kilometerpreise von lediglich rund einem Euro an, hat Peter Berger, Speditionsleiter des Rosenheimer Unternehmens BTK Befrachtungs- und Transportkontor, ausgerechnet. Hinzu kommt die Ungewissheit, ob die Auftraggeber pünktlich überweisen und sich an feste Abmachungen halten. „Wir hatten wiederholt mit Teilnehmern zu tun, die erst nach über 90 Tagen zahlten oder einen bereits erteilten Frachtauftrag innerhalb von zwei Stunden wieder zurückzogen, weil sie in der Zwischenzeit einen preiswerteren Bewerber gefunden haben“, zieht Speditionsleiter Berger eine durchmischte Bilanz. Aber auch große Versender registrieren einen wachsenden Preisdruck vor allem in Ländern, die mit der europäischen Wirtschaftskrise zu kämpfen haben. „Wir beobachten gerade in Italien und Spanien nachlassende Frachtpreise“, sagt Armin Blaschek, Fachbereichsleiter Produktionssysteme von Dachser. Das Logistikunternehmen kauft auf fünf europäischen Frachtenbörsen regelmäßig Laderäume ein. Erhebliche Preisschwankungen Die Frachtenbörsen selbst wehren sich vehement gegen die Behauptung, dass ihre Plattformen den Preisdruck im ohnehin hart umkämpften Transportmarkt erhöhen. Auftraggeber und Auftragnehmer handeln die Tarife in Eigenregie aus, argumentieren sie. „Jeder Teilnehmer hat es in der Hand, marktgerechte Preise durchzusetzen“, sagt zum Beispiel Anton Behringer, Geschäftsführer der Frachtenbörse Lkw-Online in Freiburg. Außerdem verweist der Marktkenner darauf, dass viele Transportunternehmen nicht nur als Auftragnehmer, sondern auch als Auftraggeber unterwegs sind – also selbst Frachtführer suchen. „Wer Frachten online stellt, profitiert auch von einem möglichen Preisdruck“, gibt Behringer zu bedenken. Vor allem osteuropäische Frachtführer stehen im Ruf, die Preise zu drücken. Viele haben sich nicht nur auf der polnischen Frachtenbörse Trans.eu und ihrem tschechischen Pendant Raaltrans, sondern auch auf den größten westeuropäischen Plattformen Timocom und Teleroute eingetragen. Mancher Versender gibt auch offen zu, dass er vor allem an diese Zielgruppe kostengünstige Kabotageangebote vergeben will (siehe Artikel Seite 23). Die Folgen bekommt die ganze Branche zu spüren. „Ohne die Frachtenbörsen wären die Transportpreise vermutlich höher“, urteilt der Schenker-Manager Rathai. Allerdings registriert er erhebliche Preisschwankungen unterm Jahr. Wenn Laderaum knapp ist, gehen die Preise nach oben. Andernfalls sinken sie sofort, was vor allem im Winter sichtbar wird. „Jedes Jahr klaffen die Preise um bis zu 15 Prozent auseinander“, beobachtet auch Thomas Brenner, Mitglied der Geschäftsleitung von Fahrner Logistics in Dornstetten. Das schwäbische Unternehmen arbeitet mit vier Frachtenbörsen zusammen. Andererseits können Frachtenbörsen dank ihrer Fracht- und Laderaumangebote Leerkilometer vermeiden und damit die Fahrzeugkosten insgesamt senken, versprechen die Plattformen unisono. Allerdings macht gerade ihren deutschen Teilnehmern der hohe Außenhandelsüberschuss Deutschlands zu schaffen. So haben deutsche Transportdienstleister zunehmend Mühe, Rückladungen aus den benachbarten EU-Staaten zu organisieren und finden selbst auf Frachtbörsen nicht immer die passende Ladung. Zusätzlich wird dies durch geografische Hindernisse in einzelnen Ländern erschwert. So gilt Skandinavien aufgrund seiner großen Fläche und dünnen Besiedlung als besonders schwieriger Markt für Rückfrachten. „Für solche Sendungen müssen wir immer größere Umwege in Kauf nehmen“, erzählt Alexander Drack, Inhaber des Freilassinger Transportunternehmens Unit Transport. „Angesichts der ständig steigenden Kosten können wir uns Leerkilometer aber nicht leisten“, sagt er. Problemland Frankreich Ansonsten haben deutsche Frachtenbörsenteilnehmer mit den Gepflogenheiten mancher Nachbarländer zu kämpfen. Viele Spediteure und Verlader vergeben dort Frachten weiterhin vorzugsweise an einheimische Frachtführer und lassen ausländische Transportunternehmen nur dann zum Zuge kommen, wenn diese kräftige Preisnachlässe gewähren. Hier haben aber osteuropäische Frachtführer mehr Spielraum als ihre deutschen Kollegen. Vor allem Frankreich gilt als Problemmarkt. Bei Rückfahrten aus dem Nachbarland springen dem Vernehmen nach häufig nur Kilometerpreise von bis zu 0,60 Euro heraus. Als Konsequenz stellt manches Logistikunternehmen wie Dachser Laderaum nur noch auf der Plattform B2P ein, auf der fast ausschließlich französische Frachtführer gemeldet sind. Timocom wirbt mit Preiskalkulator Die Frachtenbörsen kennen diese Probleme und bieten mittlerweile unterschiedliche Lösungen, um ihre Nutzer bei ihrer Kostenkalkulation und Preisfindung zu unterstützen. Mit einem Preiskalkulator wirbt zum Beispiel die Frachtenbörse Timocom seit Sommer 2013. Teil ihrer Trackinglösung TC E-Map, die über spezifische Schnittstellen rund 70 Telematiklösungen anschließen kann, ist zum Beispiel ein Kalkulationstool. Anhand von Streckenkilometern, Mautgebühren und sonstigen Kostenfaktoren kann der Anwender damit einen Richtwert für den Transportpreis entwickeln. Einen anderen Weg geht die spanische Plattform Wtransnet: Sie setzt laut Wtransnet-Manager Xavier Moser auf strikte Qualitätskontrollen. In Zusammenarbeit mit dem französischen Kreditversicherer Coface wird auf Basis von internen Controllings und Kundenbeschwerden regelmäßig ermittelt, ob die Teilnehmer Zahlungsziele einhalten und wichtige Marktstandards erfüllen. Auf solche Reportings dürfte auch mancher Nutzer gespannt sein. Denn mit bloßen Auskünften über die Bonität gibt sich heute nicht mehr jedes Unternehmen zufrieden. „Wir müssen über mögliche Auftragnehmer einfach mehr wissen“, sagt zum Beispiel Intime-Chef Steiner. „Für uns ist es zum Beispiel auch wichtig, ob die Fahrer einwandfreie Fahrzeuge fahren, gesetzliche Regelungen über Lenk- und Ruhezeiten einhalten und Schulungen über Ladungssicherung und andere wichtige Themen besuchen.“ ❙❚■ Stefan Bottler, freier Journalist 15 bis 20 Prozent der Sendungen stellt DB Schenker täglich auf fünf internationale Frachtenbörsen Jeder Teilnehmer hat es in der Hand, marktgerechte Preise durchzusetzen UnternehmensPraxis Warum Baumaschinenhändler Kiesel Frachtenbörsen nutzt Das Baumaschinen-Handelsunternehmen Kiesel in Baienfurt setzt auf wechselnde Transportpartner. Deshalb sucht der Händler auf der im letzten Jahr gestarteten Plattform Clickapoint des Schweinfurter IT-Hauses GPS-over-IP regelmäßig Frachtführer. „Wir stellen hier unsere Angebote ein und verschicken diese zeitgleich an Partnerspeditionen“, erläutert Toni Kiesel, einer der beiden Geschäftsführer des Unternehmens, das Vorgehen. „Bei jedem Vorgang werden diese automatisch informiert.“ Ein besonderes Tool filtert für die Angebote entsprechend das benötigte Equipment aus. So werden zum Beispiel für viele Bagger extra schwere Einheiten benötigt. Solche Frachtenbörsen-Teilnehmer wie das Baumaschinen-Handelsunternehmen Kiesel bereiten indes manchen Speditionen Sorgen. „Wir registrieren einen Trend, dass Frachtenbörsen in unserem Geschäft mitmischen wollen“, sieht Dirk Rathei, Landtransporte-Manager bei DB Schenker, potenzielle Konkurrenten heranwachsen. Völlig neu ist das nicht. So haben einzelne Plattformen wie Lkw-Online und Trans.eu ihre Spotmärkte längst auch für Verlader geöffnet. Marktführer Timocom ist deshalb hellhörig geworden. In einer Kundenumfrage will das Unternehmen erkunden, ob seine Nutzer an einer solchen Lösung ebenfalls Interesse haben. bot Deutsche Transporteure haben zunehmend Mühe, Rückladungen aus dem EU-Ausland zu finden

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