Noch Luft nach oben

Sieben der zehn größten Containerhäfen weltweit, zwei von drei Top-Luftfracht-Terminals, das längste Schnellstraßennetz weltweit - die Volksrepublik China hält all diese Rekorde. Vor 40 Jahren vom internationalen Warenverkehr noch fast komplett abgeschnitten, haben sich die Chinesen in Sachen Welthandel rasant nach vorne gearbeitet. An Superlative muss man sich in China gewöhnen. Das mit 1,4 Milliarden Menschen bevölkerungsreichste Land der Erde, das in seiner Ausdehnung ungefähr den USA entspricht, hat sich mit zweistelligen jährlichen Wachstumsraten auf den Platz der zweitgrößten Volkswirtschaft vorgeschoben. Pro Kopf liegt die Wirtschaftsleistung mit 6800 US-Dollar im Jahr zwar noch knapp hinter europäischen Staaten wie Montenegro oder Bulgarien, doch Millionen Chinesen haben sich aus der Armut emporgearbeitet. Und der Trend zeigt weiter nach oben, auch wenn die Wachstumsraten in den vergangenen Jahren zurückgegangen sind und im laufenden Jahr bei "nur" sieben Prozent liegen dürften. Logistikkosten immens hoch In der Logistik indes spielt China bis heute nicht in der ersten Liga. "Aus diversen Gründen ist der chinesische Logistikmarkt immer noch sehr fragmentiert und schwankt das Qualitätsniveau von Stadt zu Stadt", sagt Thomas Reuter, Chief Operations Officer Luft- und Seefracht bei Dachser. Transport und Distribution sind nach wie vor oft mühsam und langwierig. Auf 18 Prozent des Bruttoinlandsprodukts addierten sich die Kosten für Transport und Logistik 2013. Das ist mehr als das Doppelte des Wertes in entwickelten Volkswirtschaften, liegt aber auch deutlich höher als in Brasilien oder Indien. Die Gründe: die riesige Landesfläche, aber auch eine überbordende Bürokratie. "Unterschiedliche Regularien in verschiedenen Provinzen sowie die stark fragmentierte Kompetenz innerhalb der chinesischen Zollbehörden sind weitere Hindernisse für den Aufbau durchgehender Verkehre", sagt Hans-E. Mahncke, Geschäftsführer von Mahncke Logistics und Consulting in Hongkong. So müssen Transportunternehmen in allen Provinzen, in denen sie Geschäfte machen, Niederlassungen unterhalten, um jeweils lokale Steuerbelege ausstellen zu können. Dass China in der Logistik noch lange nicht die Bedeutung hat wie in der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, verdeutlicht das Logistik-Ranking der Weltbank: Dort nimmt die Volksrepublik 2014 Platz 28 ein, zwei Positionen schlechter als 2012. Zwar haben sich die Kennziffern für Infrastruktur, internationalen Versand und Pünktlichkeit verbessert. Bei Geschwindigkeit und Effizienz der Zollabfertigung, logistischer Kompetenz und Waren-Tracking ist das Land jedoch zurückgefallen. Klotzen, nicht kleckern, scheint seit Jahren die Devise der Regierung bei Transportwegen. "China bewegt sich sehr schnell und zumindest unter dem Gesichtspunkt Infrastruktur holt es rasch auf", sagt Dachser-Experte Reuter. 2220 Milliarden Yuan (343 Milliarden Euro) wurden allein 2013 nach Angaben des Transportministeriums in deren Ausbau investiert, 6,4 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Kapazität des Hafenumschlags wurde laut den Analysten von Economist Intelligence Unit allein 2013 um 400 Millionen Tonnen ausgebaut. Politik hat die Schwäche erkannt Trotz des Investitionsbooms: Chinas Regierung ist sich der logistischen Schwächen bewusst. Premier Li Keqiang hat den Sektor zur Chefsache gemacht, im vergangenen Oktober wurde ein ambitionierter Fünf-Jahres-Plan zur Effizienzsteigerung veröffentlicht. Bis 2020 soll der Anteil der Logistikkosten an der gesamten Wirtschaftsleistung um zwei Prozentpunkte gesenkt werden. Zwölf Schwerpunktsektoren sollen ausdrücklich gefördert werden, darunter unter anderem multimodaler Transport, Ausbau der Verteilsysteme zwischen Stadt und Land und Logistik für Recycling. International klappt die logistische Anbindung hingegen. Chinas Häfen arbeiten effizient und regelmäßige Erweiterungen schaffen Platz auch für die größten Containerschiffe. Auch die Cargoabfertigung an vielen der internationalen Flughäfen gilt als Weltspitze. Schwieriger ist der Transport innerhalb des Landes. "Bisher kann keine Firma alle Teile des riesigen Landes abdecken", sagt Logistik-Berater Mahncke. Die Transportbranche ist extrem fragmentiert, Experten sprechen von über 700.000 Anbietern, viele davon Ein-Personen-Betriebe. Auf die 20 größten Anbieter entfallen nach Expertenschätzungen zwei Prozent Marktanteil. Großanbieter wie Sinotrans und China Post, mehrheitlich im Staatsbesitz, gelten als langsam und wenig innovativ. Für Ausländer ist der Marktzugang in diesem Bereich nach wie vor mühsam. Beispiel Paketzustellung: DHL hat sich angesichts der geringen Rentabilität 2011 aus dem nationalen Geschäft wieder zurückgezogen. Fedex und UPS verfügen nur über begrenzte Lizenzen. Bisher haben die internationalen Branchengrößen im innerchinesischen Markt laut einer Studie der Beratung Deloitte nur einen Marktanteil von 1,2 Prozent. Stark sind sie lediglich im Geschäft nach Übersee. Eine Perspektive in Bezug auf Professionalisierung bietet der extrem rasch wachsende Online-Handel. Das Geschäft übers Internet brummt in China fast noch mehr als anderswo. Der chinesische Online-Riese Alibaba hat allein am vergangenen Single's Day, dem 11. November, einem Shopping-Tag mit jeder Menge Sonderangeboten, 57 Milliarden Yuan umgesetzt. 278,5 Millionen Bestellungen sind dabei angefallen. Eine Reihe privater Expressdienste, allen voran SF Express aus Shenzhen, übernimmt vieler solcher Paketzustellungen. Logistiker entdecken das Ausland Lange galt der einheimische Markt als so groß, dass eine Expansion ins Ausland keine große Rolle spielte. Doch das ändert sich: Der Zusteller SF Express ist inzwischen unter anderem in den USA, Australien und Japan aktiv. Der Terminal-Arm der Reederei China Ocean Shipping (Cosco) managt seit einigen Jahren ein Terminal in Antwerpen. Seit 2008 betreiben die Chinesen auch eine Anlage im Hafen Piräus in Athen. Und die Chancen, bei der geplanten Privatisierung des Hafens zum Zuge zu kommen, sind nicht schlecht für Cosco. Es dürfte kaum das letzte große chinesische Logistik-Investment in Europa werden.

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