Neues Gesicht in der Sprinter-Klasse

Ja, es gäbe ohne Weiteres noch Platz für einen zusätzlichen Hersteller in der 3,5-Tonnen-Klasse, ist sich Hyundai-Geschäftsführer Markus Schrick sicher: "Wir erwarten eine Steigerung des Gesamtmarktes von acht Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf knapp 100.000 Einheiten." Und von diesem Kuchen wollen sich die erfolgsverwöhnten Koreaner künftig ein Stück abschneiden und schicken dafür ihren brandneuen H 350 ins Rennen. Bei dessen Entwicklung wagten die Entwickler allerdings keinerlei Experimente, sondern orientierten sich an der alteingesessenen Konkurrenz. Ähnlichkeiten zu Sprinter, Master, Transit und Co. sind daher kein Zufall. Auch beim Laderaum schielte man zum Wettbewerb: 14 stabile Zurrösen sind im H 350 ebenso selbstverständlich wie die auffallend leichtgängige seitliche Schiebetür á la Ford Transit. Und natürlich gibt sie eine 1280 Millimeter breite Öffnung frei, durch die locker auch eine Europalette passt. Kastenwagen-Versionen in zwei Längen Bescheiden muss sich der Käufer dafür bei der Variantenvielfalt. Als Kastenwagen ist der Hyundai nur mit Hochdach und in zwei Längen zu haben. Maximal 10,5 oder 12,9 Kubik passen in den Frachtraum. Oder anders gesagt: Der kurze H 350 bietet 3,10 Meter Ladelänge, sein außen um 68 Zentimeter längerer Bruder bringt es innen auf 3,78 Meter. In ein paar Wochen will Hyundai zudem die Fahrgestellvarianten nachschieben. 2016 kommt zudem die Kombivariante mit 15 Sitzplätzen und auch die Einführung einer Doppelkabine schließt man in der Hyundai-Zentrale nicht aus. Bei allen H 350 fährt allerdings die hohe Ladekante mit, die dem Heckantriebskonzept des Koreaners geschuldet ist. Die überragt mit 69 Zentimetern den ebenfalls heckgetriebenen Mercedes Sprinter noch mal um 4,5 Zentimeter. Ohne den zusätzlichen Hecktritt für 130 Euro kaum überwindbar, weshalb dieses Extra unbedingt an Bord sein sollte. Ein alter Bekannter übernimmt indes den Vortrieb im H 350. Schließlich werkelt der CRDi-Vierzylinder auch im kleineren H1. Für den 3,5-Tonnen-Einsatz kombinierte Hyundai den Common-Railer allerdings - ebenfalls klassenüblich - mit einer langen Getriebeübersetzung. Das senkt bei höherem Tempo zwar Drehzahl (2050/ min bei 120 km/h) und Lärmpegel, dennoch erscheint das Geräuschniveau subjektiv etwas höher als in manchen Konkurrenten. Und es hat eben auch zur Folge, dass der Antrieb spürbar zurückhaltender zu Werke geht als im H1. Vor allem die schwächere Version mit 150 PS und 373 Newtonmeter Drehmoment fühlt sich träge an und verlangt beim Durchbeschleunigen Geduld. Seine dank 2,5 Liter Hubraum hohe Elastizität hat der Motor allerdings trotzdem nicht verloren. Selbst 1050 Touren sind kein Problem, weshalb Ortsdurchfahrten locker im sechsten Gang absolvierbar sind. Besser zur 170-PS-Version greifen Deutlich souveräner hatte die um 20 PS stärkere Einstellung den H 350 plus 570 Kilogramm Testballast im Griff. Obwohl sich auch die 170 PS nicht so vehement ins Zeug legen, wie man es angesichts der 422 Newtonmeter Drehmoment erwarten würde. Trotzdem empfehlen wir den Topmotor, zumal sich dessen Aufpreis mit 600 Euro im Rahmen hält. Auch weil man sich das Budget für die Motor-Start-Stopp-Anlage generell sparen kann, die spendiert Hyundai nämlich löblicherweise serienmäßig. Der in den Testwagen unauffällig, weil schnell und harmonisch agierende Motorabschalter soll den H 350 bis zu 0,4 l/100 km sparsamer machen. Bei unseren ersten Testfahrten verharrte der Bordcomputer trotzdem hartnäckig bei knapp zehn Litern pro 100 Kilometer. Wie weit man in der Realität an die Werksangabe von 8,1 l/100 km herankommt, wird aber erst der baldige Test über die VR-Runde zeigen. Schon jetzt steht dafür fest, dass der Griff zum asiatischen Produkt keinerlei Verzicht fordert. Das sichere Fahrwerk bietet gute Hausmannskost bei Komfort und Straßenlage, die Materialauswahl im Innenraum steht der des Mercedes Sprinter kaum nach, der Verstellbereich der langstreckentauglichen Sitze passt für alle Fahrerstaturen und der optional lieferbare Spurwächter warnt zuverlässig und erst beim tatsächlichen Überfahren der Linie. Was dem in der Türkei gebauten Koreaner aber noch fehlt, sind Euro 6 (kommt 2016) und ein längeres Serviceintervall. Und natürlich ein flächendeckendes Händlernetz. Lediglich 62 Servicepartner können den H 350 in Deutschland warten, knapp 100 sollen es bis 2017 werden. Bei denen kann der Kunde dann die dreijährige Garantie nutzen, die Hyundai auf alle H 350 gewährt. Vierstellige Verkaufszahlen peilen die Koreaner in Deutschland an. Schließlich wächst der "Kuchen" kontinuierlich.

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