Neuer Mann, neuer Kurs

Ihr Vorgänger, Thomas Knecht, hat dem Unternehmen Hellmann Worldwide Logistics einen straffen Restrukturierungskurs verpasst. Soeben haben Sie ja das Geschäftsjahr 2018 abgeschlossen. Ist das Unternehmen jetzt wieder auf Kurs? Wir haben in 2018 ein sehr gutes Ergebnis abgeliefert, eines der besten der vergangenen 20 Jahre der Unternehmensgeschichte. Konkret lag unser Ergebnis vor Steuern EBT in 2018 bei 71 Millionen Euro, das ist mehr als drei Mal so viel wie in 2017. Trotz der Restrukturierung konnten wir zudem unseren Konzernumsatz auf 2,5 Milliarden Euro halten - hier spreche ich ausschließlich von den Konzerngesellschaften. Und wir haben eine gesunde Rohertrags-Steigerung um rund fünf Prozent auf 636 Millionen Euro. Das ist eine gute Leistung. Damit haben wir im vergangenen Jahr eine gute Ausgangsbasis geschaffen. Wir sind auf der Zielgeraden. Im Spätsommer sollten wir die Restrukturierung abgeschlossen haben. Sprich: Ihre neuen Mitarbeiter können jetzt mal durchatmen? Die Restrukturierung hat zweifelsohne sehr viel Kraft gekostet. Dennoch können wir uns jetzt ganz sicher nicht treiben lassen. Ganz im Gegenteil: Jetzt kommt eine Phase, in der wir den Fokus wieder verstärkt auf die strategische Weiterentwicklung, auch wieder auf Wachstum und die Erschließung neuer Geschäftspotenziale legen. Außerdem lässt es unser Marktumfeld nicht zu, dass wir uns treiben lassen. Stichworte sind hier die abschwächende Globalisierung, die Handelskriege, der zunehmende Protektionismus und Nationalismus, aber auch der Brexit. Wir fahren also auf Sicht und müssen sehr vorsichtig agieren, was Investitionen und Neueinstellungen betrifft. Sie sprachen eingangs von einem sehr guten Ergebnis. Welche Geschäftsbereiche waren da die großen Wachstumsbringer? Ganz klar die Seefracht. Da haben wir im vergangenen Jahr ein sehr gutes und starkes Seefracht-Ergebnis erzielt. Unser Volumen legte in dem Bereich auf Konzernebene um knapp sechs Prozent von 953.000 TEU auf 1,07 Millionen TEU in 2018 zu. Und die Frachtraten haben sich ebenfalls sehr gut entwickelt. Auch unsere Luftfracht hat sich in 2018 stabil entwickelt. Hier hat sich die Tonnage mit insgesamt 974.000 Tonnen in 2018 leicht verbessert. Wie hat sich Ihre Sparte Kontraktlogistik in 2018 entwickelt? Da hatte Hellmann ja im letzten Jahr mit BMW einen wichtigen Kunden verloren. Ich spreche vom regionalen Teilezentrum in Kleinaitingen, das Sie für BMW bewirtschaftet haben. Und auch andere Kunden sollen abgesprungen sein. Dieser Vertrag, von dem Sie sprechen, ist im letzten Jahr in beiderseitigem Einvernehmen vorzeitig beendet worden - das war auch von unserer Seite eine bewusste Entscheidung. Hintergrund ist, dass wir keine für beide Seiten zufriedenstellende Einigung über die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Vertrages erzielen konnten. In anderen Bereichen arbeiten wir aber nach wie vor sehr erfolgreich mit BMW. Auch von anderen Kunden haben wir uns in der Kontraktlogistik bewusst getrennt. Denn gerade in der Restrukturierungsphase lag unser Fokus nicht auf Volumen, sondern auf der Profitabilität. Gleichzeitig konnten wir hier auch Neukunden dazugewinnen und so den Umsatzverlust ausgleichen. De facto blieb unser Umsatz im Bereich Kontraktlogistik also im letzten Jahr stabil. Und unser Ziel ist es, diesen in den nächsten Jahren deutlich auszubauen. Im europäischen Landverkehr haben Sie in 2017 rote Zahlen geschrieben. Haben Sie da in 2018 die schwarze Null geschafft? Im europäischen Landverkehr haben wir uns in 2018 deutlich verbessert. Mengenmäßig blieben wir zwar auf dem Niveau von 2017, weil wir uns auch hier von schlecht zahlenden Kunden getrennt haben. Was sich aber auf unsere Ertragsentwicklung positiv niederschlug. Insgesamt konnten wir im globalen Landverkehr den Frachtumsatz um gut vier Prozent und gleichzeitig den Rohertrag um sieben Prozent steigern. Im EBIT sind wir nach einem Verlust in 2017 in 2018 wieder profitabel gewesen. Der Landverkehr bleibt aber grundsätzlich ein Geschäft mit Niedrigmargen. Wenn man sich anschaut, welchen Umsatz wir da machen, welcher Einsatz nötig ist, und was unterm Strich hängen bleibt, ist das unbefriedigend. Das kann gerne mehr werden! An welchen konkreten Stellschrauben werden Sie dafür im Landverkehr drehen? Wir haben im Bereich der Landverkehre verschiedene Dimensionen, in denen wir noch besser werden können. Dies fängt bei internen Prozessen und Produktivitäten an. Unser Netz und die infrastrukturelle Stärkung unserer Standorte sind ein weiterer Faktor. Zudem arbeiten wir aktiv an unserem Produktmix innerhalb des Landverkehrs. Außerdem müssen wir auch im Landverkehr noch internationaler werden. Bislang kauft Hellmann seine Frachtführer vorwiegend lokal ein. Ihr vormaliger Arbeitgeber Kühne + Nagel macht das aus Kostengründen mittlerweile zentral. Steht das jetzt auch bei Ihnen an? Möglich wäre das. Das hat für uns jetzt aber nicht Priorität. Auf welche neuen Anforderungen müssen sich Ihre Transportpartner dann einstellen? 2019 steht da nichts Neues an. Wir haben in den letzten Jahren viel getan, etwa Gebiete neu zugeschnitten und die Stoppzahl im Nahverkehr erhöht, um nur einige Beispiele zu nennen. Wie Sie wissen, ist Nachhaltigkeit für Hellmann ein sehr zentrales Thema. Wir engagieren uns hier in vielen Bereichen und investieren in innovative Projekte, die auf nachhaltige Logistik zielen. So machen wir derzeit in Zusammenarbeit mit der BPW einen Feldversuch mit einem E-Lkw im Nahverkehr. Unser langfristiges Ziel ist es, solche Fahrzeuge regulär in unserer Flotte einzusetzen. Bis das aber so weit ist, muss die Technik noch weiter ausgereift werden. Apropos Stückgut: Ist Ihr nationales Stückgut inzwischen in Deutschland profitabel? Die letzten Jahre war das ja eines der großen Sorgenkinder von Hellmann. Die Situation ist immer noch nicht befriedigend. Wir haben in 2018 in unserem deutschen Bereich Road die Frachtumsätze im Vergleich zum Vorjahr zwar um 2,5 und den Rohertrag überproportional um drei Prozent steigern können. In Summe war Road in Deutschland aber in 2018 immer noch minimal defizitär. Wie wollen Sie das Ruder herumreißen? Das Stückgutgeschäft macht rund ein Drittel unseres Umsatzes aus, und das wird auch definitiv so bleiben. In Deutschland haben wir eine gute Flächenabdeckung. Und wir haben Pläne, das europäische Geschäft weiter auszubauen. Der Landverkehr ist für uns also sehr wichtig. Auch weil wir darüber Zugang zu sehr vielen Kunden in Europa haben. Ist Hellmann da über die Kooperation System Alliance noch gut aufgestellt? Zugegeben, in der Vergangenheit lief es in der System Alliance nicht immer ganz optimal. Und natürlich gab es während der Restrukturierungsphase auch Sorgen der Partner bezüglich der Verlässlichkeit von Hellmann. Das ist nachvollziehbar, war und ist aber unbegründet. Auf Verlässlichkeit kommt es in der Kooperation an. In der System Alliance haben wir derzeit eine überschaubare Anzahl von Partnern, mit denen wir das Stückgutgeschäft ausbauen wollen. Mit ihnen wollen wir in die Zukunft gehen. Gleichwohl sollen Sie mit VTL und Rhenus über eine engere Zusammenarbeit sprechen. Ist das so? VTL ist für uns nicht attraktiv. Wir sind mit unserem Volumen für dieses Netz zu groß. Aber natürlich führen wir auch Gespräche mit anderen Partnern - denn in dem Markt ist traditionell sehr viel Bewegung, sodass man stets einen Plan B haben sollte. Selbst bei stabilen Kooperationen wie IDS Logistik wissen die Partner auch nie, ob alles stets so bleibt. Denken Sie an Kühne + Nagel (Gesellschafter der IDS - die Red.), dem aktuell der Landverkehr wieder Spaß zu machen scheint. Wer weiß, ob sich daraus nicht wieder Appetit auf Expansion entwickelt: Das würde dann den ganzen deutschen Markt durcheinanderwirbeln. Unser eindeutiger Plan A ist aber, mit System Alliance weiterzuarbeiten. Mit welcher Strategie wollen Sie Hellmann überhaupt zur alten Größe führen? Natürlich wollen wir auch wieder wachsen, aber Größe ist für mich im Moment nicht primär entscheidend. Unser Fokus liegt darauf, Hellmann strategisch und operativ nachhaltig weiterzuentwickeln. Eines der zentralen Themen ist die Modernisierung unserer IT. Hellmann hat bereits eine sehr starke IT. Wir verfügen europaweit über ein einheitliches IT-System im Landverkehr. Zudem haben wir weltweit ein IT-System für die See- und Luftfracht sowie ein unternehmensweites Finanzsystem. Nun gilt es, diese Systeme, die in die Jahre gekommen sind, mittelfristig zu erneuern. Wir wollen sie fit für die Digitalisierung machen. Daten, die einmal erfasst sind, sollen so durchgängig in allen Systemen zur Verfügung stehen. Welche Vorteile versprechen Sie sich da? Die neuen Systeme werden eine bessere Datensteuerung ermöglichen. Heute arbeiten wir oft zu dezentral. Künftig brauchen wir Möglichkeiten, um bestimmte Themen zentral steuern zu können. Nur so erreichen wir eine deutlich höhere Schlagzahl und Produktivität in unseren Prozessen. Vor allem im Backoffice-Bereich, aber auch in den Umschlagshallen. Wie sinnvoll ist vor diesem Hintergrund noch die Spartenorganisation, die Hellmann vor zwei Jahren eingeführt hat? In Deutschland wird diese so bestehen bleiben. Wir arbeiten aber in der Tat daran, unsere weltweite Organisationsstruktur zu optimieren. Jost und Klaus Hellmann hatten sich ja die Aufgaben und die Verantwortung für die weltweiten Landesgesellschaften aufgeteilt. Mit ihrem Ausscheiden aus der operativen Geschäftsführung haben wir ein zentrales Management und können so die Organisationsstruktur weltweit vereinheitlichen und Prozesse optimieren. Details kann ich in wenigen Monaten nennen. Welche Umsatzziele haben Sie sich für 2019 gesetzt? Für 2019 planen wir in der Tat vorsichtig. Unser Ziel sind vier Prozent mehr Umsatz. Nach der Restrukturierung wollen und müssen wir jetzt wieder wachsen. Das Stichwort lautet hier aber: gesundes Wachstum! Sind Zukäufe ein Thema? Nein, im Moment nicht. Wir sind international maximal an interessanten Nischen interessiert. Aber nicht im Landverkehr. Und in welchem Bereich sehen Sie dann das größte Wachstumspotenzial? Sehr viel Wachstumspotenzial sehen wir auf den Asien-Trade-Lanes, sowohl in der Seeals auch in der Luftfracht. Unser Fokus liegt auf dem Transpazifikmarkt zwischen Asien und Nordamerika. Zudem sehen wir Potenzial im Export von Europa nach Asien. Da waren wir bislang eher schwach. Und wir haben eine starke Südamerika-Sparte, mit der wir mehr machen wollen - auch von Nordamerika, Asien und Europa aus. Auf diesen Trade-Lanes gibt es etliche Potenziale, die wir heben können. Das ist jetzt unser Hauptaugenmerk. Da wollen wir unser Wachstum holen. Vita Reiner HeikenReiner Heiken ist seit Dezember 2018 CEO des Speditions- und Logistikunternehmens Hellmann Worldwide Logistics in Osnabrück. Der 56-Jährige löste damit Thomas Knecht ab, der seit Mitte 2016 das Unternehmen als CEO geführt hatte.Heiken ist studierter Nautiker und seit über 36 Jahren in der Logistikbranche tätig. Seine Karriere startete er bei Hapag Lloyd. Danach wechselte er zunächst in die Reederei H. W. Janssen und danach zu Senator Lines. Anschließend war Heiken insgesamt 19 Jahre lang bei Kühne + Nagel tätig, unter anderem als Mitglied des Vorstandes von KN Central Europe sowie bis 2016 als Deutschland-Chef von Kühne + Nagel. Von Dezember 2016 bis November 2018 war Heiken Europachef von DB Schenker. eh Daten & Fakten Hellmann Worldwide LogisticsHellmann Worldwide Logistics wurde 1879 in Osnabrück gegründet. Gesellschafter sind Jost Hellmann und sein Cousin Klaus Hellmann. Seit 1982 hatten sie das Unternehmen gemeinsam geführt. Klaus Hellmann wechselte 2016 in den Aufsichtsrat, Jost Hellmann schied Ende 2018 als COO aus.Seit 2015 durchlief das Unternehmen unter der Ägide des früheren Roland-Berger-Beraters Thomas Knecht, seit 2016 CEO, einen straffen Restrukturierungsprozess. Er schied im November 2018 bei Hellmann aus. Sein Nachfolger als CEO ist Reiner Heiken. eh