Berlin. Am erhofften Ertrag einer PKW-Maut in Deutschland werden neue Zweifel laut. Der mautkritische Autofahrerclub ADAC warnte am Mittwoch vor einem „Nullsummenspiel”. Selbst bei der vorgesehenen Vignettenpflicht auf allen deutschen Straßen und nicht nur auf Autobahnen drohten höhere Erhebungskosten, als Einnahmen von ausländischen Fahrern zu erzielen seien.
Vorbehalte gegen den von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) angepeilten Ertrag von 600 Millionen Euro hatte auch das Finanzministerium angemeldet. Rückendeckung erhielt Dobrindt indes vom SPD-geführten Wirtschaftsministerium. Ein Maut-Ausgleich von Inländern über die KFZ-Steuer sei europarechtlich vertretbar.
Der ADAC kritisierte, auch eine Maut auf sämtlichen Straßen bringe nach Abzug der Kosten „keine Mehreinnahmen für die Infrastruktur”. Laut einer vom Club in Auftrag gegebenen Studie ist mit Einnahmen von 298 Millionen Euro von ausländischen Fahrzeugen bis 3,5 Tonnen zu rechnen, davon 280 Millionen Euro von PKW. Dem stünden aber Kosten für Vertrieb, Erfassung und Kontrollen der Vignetten gegenüber, die der ADAC auf 300 Millionen Euro schätzt. Das Verkehrsministerium hatte die Systemkosten auf 260 Millionen Euro pro Jahr beziffert.
Die zu erwartenden Einnahmen lägen nur geringfügig höher als in einer früheren Berechnung für eine Maut allein auf Autobahnen, erläuterte der ADAC. Grund sei, dass durchreisende PKW-Fahrer aus dem Ausland meist die Autobahnen nutzten. Eine erste Studie hatte Einnahmen von 262 Millionen Euro von Pkws kalkuliert. Die Studie legt nun zugrunde, dass 7,1 Millionen Pkw aus Nachbarländern nach Deutschland einfahren.
Wirtschaftsministerium hält Maut-Konzept für umsetzbar
Das von SPD-Chef Sigmar Gabriel geführte Wirtschaftsministerium hält Dobrindts Konzept im Gegensatz zu anderen Ressorts für umsetzbar. Der Plan, für alle Autofahrer eine Maut einzuführen und die inländischen Halter durch eine entsprechende Senkung der Kraftfahrzeugsteuer zu entlasten, erscheine „im Grundsatz europarechtlich vertretbar”, heißt es in einer Stellungnahme vom 23. Juli.
Zu argumentieren sei damit, dass die Umstellung von einer Steuerfinanzierung des Straßennetzes auf eine teilweise Nutzerfinanzierung eine - einmalige - Entlastung inländischer Kfz-Halter bedinge. Weitere Wechselwirkungen zwischen Maut und KFZ-Steuer dürfe es aber nicht geben.
Gegen das geplante Vignettensystem gebe es „keine durchgreifenden Bedenken”, heißt es in dem der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Papier, über das am Mittwoch die „Süddeutsche Zeitung” berichtete. Die Staffelung nach Ökoklasse, Hubraum und Zulassungsjahr sowie das Angebot günstiger Kurzzeitvignetten erschienen geeignet, um einer übermäßigen Belastung ausländischer Fahrer vorzubeugen.
Linke fordert: „Lassen Sie den ganzen Quatsch mit der Maut”
Linke-Fraktionschef Gregor Gysi forderte die Regierung auf, die Pläne zu beerdigen. „Lassen Sie den ganzen Quatsch mit der Maut”, sagte er am Mittwoch in der Generaldebatte im Bundestag. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bekannte sich hingegen erneut zur Umsetzung des auf Drängen der CSU vereinbarten Projekts. Zum Erhalt der Verkehrswege würden mehr Mittel gebraucht. Diese sollten zum einen aus der LKW-Maut gewonnen werden. „Und auch die Einführung einer PKW-Maut gehört dazu.” (dpa)