Neue Schwellenwerte bei Jahresabschlüssen

Die Unsicherheit innerhalb der Wirtschaft ist groß. Ab dem Geschäftsjahr 2016 gelten für bilanzierungspflichtige Kapital- und Personengesellschaften neue Regeln beim Jahres- und Konzernabschluss. Die Bilanzrichtlinie der Europäischen Union muss bis zum 20. Juli 2015 in nationales Recht umgesetzt sein. Sie soll Abschlüsse EU-weit vergleichbar machen.Gesetzentwurf wirft einige Fragen aufDas geplante Bilanzrichtlinien-Umsetzungsgesetz (BilRUG), das die Bundesregierung bereits im Januar dieses Jahres beschlossen hat und sich derzeit noch im Bundesrat befindet, wirft aber viele Fragen auf. Denn es verändert die Gewinn- und Verlustrechnung (G&V)."Die Posten 'außerordentliche Erträge und Aufwendungen' fallen weg und die Umsatzerlöse werden weiter gefasst als bisher", sagt Roland Kleemann, Präsidialmitglied der Bundessteuerberaterkammer (BStBK). Als Umsatzerlöse sind künftig nicht mehr nur Einnahmen aus der "gewöhnlichen Geschäftstätigkeit" zu verbuchen, die auf das typische Leistungsangebot des Unternehmens abstellen, sondern alle Erlöse aus dem Verkauf von Erzeugnissen, Waren oder Dienstleistungen."Damit zählen auch Mieteinnahmen, Erträge der Betriebskantine oder aus der Überlassung von Mitarbeitern, die bisher als sonstige betriebliche Erträge bilanziert wurden, zu den Umsatzerlösen", präzisiert Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Ulrich Viefers von der Kanzlei Wirtz, Walter, Schmitz. Da der Bilanzposten "außerordentliche Erträge" entfällt, sind zum Teil auch dort verbuchte Erlöse dem Umsatz zuzurechnen. Die Verschmelzung zweier Firmen oder der Verkauf eines Teilbetriebs müssten künftig als sonstige betriebliche Erträge erfasst werden.Unklar bleibt aber die genaue Abgrenzung: Welche Einnahmen sind künftig Umsatzerlöse und welche zählen zu sonstigen betrieblichen Erträgen? "Schadenersatzleistungen von Versicherungen oder Zahlungen aufgrund gewonnener Rechtsstreitigkeiten könnten als sonstige betriebliche Erträge gelten", nennt Viefers zwei Beispiele.Mitunter fällt Mehraufwand anFür selbstbuchende Unternehmen ergibt sich ein erheblicher Umstellungsbedarf. Nicht nur die Erlöse, sondern auch die dazugehörigen Aufwendungen müssen in der Gewinn- und Verlustrechnung umgegliedert werden. "Unternehmen sollten sich externe Hilfe holen, um die Konten richtig den Positionen in der G&V zuzuordnen", empfiehlt Jens Freiberg, Leiter der Zentralabteilung Rechnungslegung der Düsseldorfer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO. Firmen, die ihre sonstigen betrieblichen Erträge bisher nicht näher aufgeschlüsselt, sondern auf ein Sammelkonto gebucht haben, müssen zudem ihren Kontenplan überarbeiten. Etwas einfacher haben es Betriebe, die eine Buchhaltungssoftware nutzen, die eine automatische Zuordnung der Konten vornimmt.Roland Kleemann von der BStBK sieht noch ein weiteres Problem: "Durch die Ausweitung des G&V-Postens Umsatzerlöse leidet die betriebswirtschaftliche Aussagekraft der Abschlüsse." Sie verzerrt Umsatzkennzahlen und schränkt so den überbetrieblichen Vergleich ein. "Kapitalgeber, insbesondere Banken, werden verlangen, dass die Umsatzerlöse wieder aufgegliedert werden", vermutet er. "Das bedeutet mehr Aufwand für Unternehmen bei der Erläuterung und Dokumentation des Jahresabschlusses gegenüber Geldgebern und Anteilseignern", so der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer.Mittelstand profitiert von NeuordnungFür viele Unternehmen ergeben sich aber auch Vorteile. Denn der Gesetzgeber hat die Schwellenwerte angehoben, anhand derer er Betriebe als kleine, mittelgroße oder große Kapital- und Personengesellschaften einstuft. Da mit der Unternehmensgröße auch die Pflichten für die Aufstellung, Prüfung und Offenlegung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses zunehmen, profitieren besonders Mittelständler, die künftig als "klein" gelten (siehe Kasten).Dies ist der Fall, wenn zwei von drei Merkmalen an zwei aufeinanderfolgenden Bilanzstichtagen nicht überschritten werden: Kleine Gesellschaften dürfen eine Bilanzsumme von maximal sechs Millionen Euro ausweisen, Umsatzerlöse von bis zu zwölf Millionen Euro erwirtschaften und durchschnittlich nicht mehr als 50 Mitarbeiter beschäftigen.Die Bundesregierung schätzt, dass 7030 Unternehmen damit künftig nicht mehr prüfungspflichtig sind, keinen Lagebericht mehr erstellen und weniger Angaben im Anhang machen müssen (siehe Kasten). "Kleine Unternehmen sparen sich die Kosten für die Jahresabschlussprüfung, da kein zusätzliches Testat des Wirtschaftsprüfers mehr notwendig ist", sagt Viefers. Bei Firmen mit einem Jahresumsatz von zehn Millionen Euro sind das zwischen 7500 und 15.000 Euro.Entscheidender dürfte für die Unternehmen jedoch sein, dass für sie erleichterte Vorschriften für den Umfang der Berichterstattung und die Veröffentlichung gelten. Die Transparenz nach außen wird deutlich eingeschränkt."Kleine Gesellschaften müssen nur eine verkürzte Bilanz und einen Anhang veröffentlichen, der Angaben zur Bilanz, nicht aber zur Gewinn- und Verlustrechnung enthält", berichtet der Wirtschaftsprüfer. "Damit sind keine Rückschlüsse auf die Erfolgskennzahlen des Unternehmens möglich."Anwendung erstmals für 2014 möglichFirmenchefs dürfen die neuen Größenklassen erstmals auf den Jahresabschluss 2014 anwenden, wenn sie möchten. Der Gesetzgeber hat ihnen ein Wahlrecht eingeräumt. "Allerdings gelten die neuen Schwellenwerte nur, wenn auch die neue Definition der Umsatzerlöse angewendet wird", stellt Wirtschaftprüfer Freiberg klar. "Damit werden die Erleichterungen wieder aufgezehrt."Unternehmer sollten genau prüfen, ob sie davon Gebrauch machen, denn die Ausweitung der Umsatzerlöse kann den gegenläufigen Effekt haben. Ehemals "kleine" Unternehmen werden "mittelgroß": Sie rutschen damit in die Prüfungspflicht, müssen einen Lagebericht veröffentlichen, mehr Angaben im Anhang machen und vor allem ihren Jahresabschluss inklusive Gewinn- und Verlustrechnung offenlegen."Zudem greift eine vorzeitige Anwendung in die laufende Buchführung ein", gibt Steuerberater Kleemann zu bedenken. Das geplante Wahlrecht für Unternehmen, die neuen Bilanzierungsregeln schon vorzeitig für das laufende Geschäftsjahr 2015 anzuwenden, hat der Gesetzgeber gleich gestrichen. Der Umstellungsaufwand für die Unternehmen ist zu hoch und auch die Finanzverwaltung ist noch weit davon entfernt, die Daten verarbeiten zu können.Das Bilanzrichtlinien-UmsetzungsgesetzDie wichtigsten Änderungen auf einen Blick- Ausweitung der Umsätze: Umsatzerlöse stammen nicht mehr nur aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit, sondern umfassen viele Einnahmen, die bisher unter die sonstigen oder außerordentlichen Erträge fielen. Sonstige direkt mit dem Umsatz verbundene Steuern sind abzuziehen.- Außerordentliche Erträge und Aufwendungen: Dieser Posten entfällt in der Gewinn- und Verlustrechnung. Dafür müssen mittelgroße und große Unternehmen im Anhang Angaben zum Betrag und der Art der Erträge machen, die von außerordentlicher Größenordnung und Bedeutung sind.- Berechnung der Bilanzsumme: Mittelgroße und große Unternehmen müssen die aktivierten latenten Steuern einbeziehen, nicht aber einen auf der Aktivseite ausgewiesenen Fehlbetrag.- Höhere Schwellenwerte zur Größeneinteilung von Unternehmen*: Werden die Werte überschritten, gilt die Firma als groß. Kapitalmarktorientierte Unternehmen werden immer als groß eingestuft.- Weniger Mindestangaben im Anhang: Für kleine Unternehmen entfällt eine Reihe von Angaben im Anhang, etwa zu Genussrechten, Wertpapieren oder der Gewinnverwendung.- Mehr Angaben im Anhang: Mittelgroße und große Kapitalgesellschaften müssen dagegen mehr Angaben im Anhang machen, zum Beispiel zur Art und zu den finanziellen Auswirkungen von wesentlichen Ereignissen nach dem Bilanzstichtag, die weder in der Bilanz noch in der Gewinn- und Verlustrechnung berücksichtigt sind, über latente Steuerschulden und zur Ergebnisverwendung.- Abschreibungszeitraum: Die Nutzungsdauer für selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände und entgeltlich erworbene Geschäfts- oder Firmenwerte wird auf zehn Jahre festgelegt, sofern sich diese nicht verlässlich bestimmen lässt. sh* Auch die Grenzwerte für die Konzernabschlusspflicht wurden leicht erhöht. Auf den Konzernabschluss wird hier nicht weiter eingegangen.

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