Neue Regeln für Schadenersatzklagen

Für die Mitglieder des europaweiten Lkw-Kartells könnte neben den Rekordgeldbußen auch eine geplante Gesetzesänderung unangenehm werden. Bis Ende Dezember muss eine EU-Richtlinie umgesetzt werden, nach der Kartell-Geschädigte einfacher Schadenersatz bekommen könnten, wenn die Europäische Kommission oder die nationalen Kartellbehörden bereits wettbewerbsrechtliche Verstöße festgestellt haben. Betroffenen Unternehmen soll etwa ein Recht auf Akteneinsicht gewährt werden. "Häufig können Unternehmen nur schwer beweisen, dass gerade sie Opfer eines Kartells sind und in welcher Höhe sie einen Schaden erlitten haben", sagt der Würzburger Kartellrechtler Florian Bien. Da helfe die Änderung. Kartellmitglieder in der Beweispflicht Daneben wird künftig grundsätzlich vermutet, dass Preisabsprachen Schäden verursacht haben. Die Mitglieder des Kartells müssen das Gegenteil beweisen. Bisher war es andersherum. Zudem werde eine Verlängerung der Verjährungsfrist Geschädigten helfen, heißt es von der Monopolkommission, die den Gesetzgeber im Wettbewerbsrecht berät. Wichtig sei aus Sicht der Monopolkommission weiterhin, dass auch Muttergesellschaften der Kartell-Mitglieder haften, damit Unternehmen sich nicht durch eine Umstrukturierung der Verantwortung entziehen können. Bisher sei noch offen, ob dies so geregelt werde. Ein erster Umsetzungs-Entwurf des Bundeswirtschaftsministeriums liegt seit Anfang Juli vor. Die neuen Regeln seien nach Inkrafttreten auch auf laufende Schadenersatzklagen wegen des Lkw-Kartells um Daimler, Iveco, DAF und Volvo/Renault anwendbar. Mehrere Rechtsanwälte planen bereits unabhängig von der EU-Richtlinie, im Namen von Transporteuren, Spediteuren und Verladern die großen Nutzfahrzeughersteller in Europa auf Schadenersatz zu verklagen. Wer Geld zurückverlangen möchte, muss seinen Schadenersatzanspruch gemäß Artikel 33 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) innerhalb der nächsten eineinhalb Jahre schriftlich bei den Fahrzeuganbietern geltend machen oder im Zweifel einklagen, falls diese eine Erstattung verweigern. Für die Kartell-Geschädigten hat die geplante Gesetzesänderung allerdings auch Haken, wie Juraprofessor Bien erklärt. So gilt das neue Recht auf Akteneinsicht nicht für Erklärungen von Kronzeugen sowie Einigungen zwischen einem Unternehmen und der Kartellbehörde. Im Fall des Lkw-Kartells war die Münchner Volkswagen-Tochter MAN Kronzeuge, gab also den entscheidenden Hinweis für die Ermittlungen. Alle anderen einigten sich mit der EU-Kommission. Die Wettbewerbsrechtsreform dürfte Klägern also vor allem gegenüber der schwedischen VW-Tochter Scania weiterhelfen, die als einzige einen Vergleich ablehnte. Kartellrechtler Bien erwartet insgesamt allerdings, dass eine Klage für kleinere Spediteure auch bei der Gesetzesänderung zu aufwendig bleibt. Das 1997 gegründete Lkw-Kartell war nach Angaben der europäischen Wettbewerbshüter 14 Jahre lang aktiv, es gab Absprachen auf der höchsten Führungsebene. Erst überraschende Untersuchungen durch die EU-Kommission setzten der Zusammenarbeit 2011 ein Ende. Nun müssen die betroffenen Nutzfahrzeughersteller mit einer Rekordstrafe von knapp 2,93 Milliarden Euro büßen. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier "Lkw-Kauf" www.verkehrsrundschau.de/dossiers

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