Berlin. Nach dem Brückenunglück in Genua kochen auch in Deutschland die Diskussionen über den Zustand der Verkehrsinfrastruktur wieder auf. Jetzt äußerten sich der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie und der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) über die deutschen Infrastruktur-Probleme und stellten Forderungen an die Politik.
Deutsche Bauindustrie kritisiert langwierige Verfahren
„Die tragischen Ereignisse in Genua sollten auch uns in Deutschland eine Mahnung sein, unsere Verkehrsinfrastruktur und besonders unsere Brücken jetzt so schnell wie möglich zu sanieren", erklärte der Präsident des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, Peter Hübner, am Donnerstag in Berlin. In Deutschland stünden zwar ausreichend Gelder zur Verfügung. „Aber wir brauchen zu lange, um die Gelder auch für Neubau beziehungsweise die Sanierung einzusetzen“, sagte Hübner.
„Autobahnbrücken zu erneuern ist dank sprudelnder Steuereinnahmen keine Frage des Geldes, es ist eine Frage der Zeit geworden“, sagte auch Holger Lösch, stellvertretender BDI-Hauptgeschäftsführer. Die immer höhere Komplexität europäischer und nationaler Vorgaben sorge für jahrelange Planfeststellungsverfahren.
Das vom Bundeskabinett verabschiedete Planungsbeschleunigungsgesetz ist laut Hübner zwar ein erster wichtiger Schritt. Viele Möglichkeiten, um Planen und Bauen noch weiter zu beschleunigen, seien jedoch nicht in den Gesetzesentwurf eingeflossen. „Es geht zum Teil sogar hinter die bestehende Rechtslage zurück", erklärte Hübner.
Zeitraubende Abstimmungen verhindern
„Um die schnellere Plangenehmigung anwenden zu können, sollten Ersatzneubauten von Straßenbrücken grundsätzlich nicht als Neubau, sondern als Instandsetzung aufgefasst werden. Der Vergabeprozess muss so gestaltet werden, dass die Vergabebehörden die Plangenehmigung auch rechtssicher einsetzen können", forderte Hübner. Auch der BDI fordert, die Stärkung vereinfachter Genehmigungsverfahren, insbesondere für Ersatzneubauten.
Gleichzeitig sollten laut Hübner verstärkt alternative Vertragsmodelle zum Zuge kommen, bei denen Planen und Bauen in einer Hand liegen. Damit verhindere man die heute so zeitraubenden Schnittstellenabstimmungen und gewinne wertvolle Zeit in der Abwicklung von Bauprojekten. Auch die im Gesetzestext vorgesehene Klagefrist von zehn statt wie bisher sechs Wochen steht einer Planungsbeschleunigung entgegen.
Deutsche Brücken sind in schlechtem Zustand
An Bundesfernstraßen gibt es laut Hübner 39.106 Brücken und 50.790 Teilbauwerke, deren Zustand sich zunehmend verschlechtert. Besonders bekannt seien die Fälle der Rheinbrücke an der BAB A1 bei Leverkusen, die Rader Hochbrücke an der BAB A7 und die Schiersteiner Brücke im Zuge der A643 über den Rhein. Seit dem Jahr 2000 hat sich - laut den Infrastrukturberichten des BMVI - der Bestand an Brückenfläche mit sehr gutem beziehungsweise gutem Zustand mehr als halbiert, während der Anteil an Brücken mit gerade noch ausreichendem Zustand um die Hälfte gestiegen ist.
Bei den kommunalen Brückenbauwerken sehe die Situation nicht anders aus: Über 10.000 kommunale Straßenbrücken müssen bis 2030 ersetzt werden. Das sind rund 15 Prozent der insgesamt 66.700 kommunalen Straßenbrücken in ganz Deutschland. Darüber hinaus befindet sich jede zweite Brücke in einem schlechten Zustand und muss dringend saniert werden. Dies gehe aus der Studie "Ersatzneubau Kommunale Straßenbrücken" des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu) hervor, die im Auftrag des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie (HDB), des Bundesverbandes Baustoffe - Steine und Erden (BBS) und der Wirtschaftsvereinigung Stahl (WV Stahl) erstellt wurde.
Brücke eingestürzt
In Genua war am Dienstag eine Autobahnbrücke zusammengebrochen. Mehrere Autos und Lastwagen sind beim Einsturz der A-10-Brücke in italienischen Hafenstadt in die Tiefe gestürzt. Laut Medienberichten gab es mindestens 40 Todesopfer.