Mit Planung gegen Planenschlitzer

Wie können wir verhindern, Opfer von Ladungsdieben zu werden? Bei dieser Frage denken viele Transportdienstleister zunächst ans Handfeste: Schlösser für die Aufliegertüren, Alarmanlage, Wegfahrsperre, Dieselzufuhrunterbrechung oder Kupplungssicherung. Auch Profis empfehlen solche Gegenmaßnahmen, um Langfingern das Leben schwer zu machen. "Wir raten grundsätzlich zum Einsatz von Koffer-LKW, solange nicht von der Seite beladen wird", sagt Michael Kaul von der Versicherungsagentur Schunck. Auch der Einsatz von Telematik-Trailern, die sich per Satellitennavigation (GPS) lokalisieren lassen, sei zu empfehlen. Diese Maßnahmen schrecken viele Diebe ab - allerdings haben sie ihren Preis. Dabei lässt sich so mancher Diebstahl ganz ohne Technik verhindern. Beispiel Disposition: Schon bei der Auftragsannahme sollten die Mitarbeiter immer fragen, was genau transportiert werden soll und wie hoch der Wert der Ladung ist. Erst wenn klar ist, worum es genau geht, sollte dem Verlader ein passendes Angebot gemacht werden. Und das beinhaltet bei wertvoller Fracht auch, dass zwei Fahrer eingesetzt werden, von denen einer immer beim Fahrzeug bleibt. "Will der Auftraggeber die Kosten dafür nicht tragen, sollte der Spediteur den Auftrag im Zweifel lieber ablehnen", meint Versicherungsmakler Kaul. Erst denken - dann lenken Punkt zwei auf der Abwehrliste betrifft die Tourenplanung. "Nichts darf dem Zufall überlassen werden", betont Markus Prinz, Bereichsleiter Sicherheit bei Time Shuttle. Die Spedition ist auf den Transport wertvoller Ladung wie Handys oder Pay-TV-Karten spezialisiert. Obwohl hier alle Fahrzeuge mit modernster Sicherheitstechnik ausgerüstet sind, investiert man viel Energie in die Routenplanung. Time Shuttle achtet darauf, dass LKW am Ende der erlaubten Fahrzeit immer einen bewachten Sicherheitsparkplatz erreichen. Die andernorts typische Ansage "fahr mal, so lange du kannst" gibt es nicht. Ein wichtiges Detail: Die Kosten für den Parkplatz trägt natürlich die Spedition. Andernfalls besteht für den Fahrer der Anreiz "auf der anderen Seite des Zaunes" zu parken, so Prinz. Der Rat, Sicherheitsparkplätze zu nutzen, kann nicht oft genug wiederholt werden, schließlich fanden im vergangenen Jahr 87 Prozent aller Diebstähle an unbewachten Orten statt, sagt eine Studie der Transported Asset Protection Association (Tapa). Unproblematisch ist das Thema nicht. Denn einerseits gibt es nicht genug bewachte Parkplätze entlang der Autobahn, andererseits sehen einige schwarze Schafe in der Transportwirtschaft die Gebühren als Zusatzgewinn an, den man beim Auftraggeber einstreichen kann - aber dann nicht bestimmungsgemäß ausgibt. Grundsätzlich gilt: Immer, wenn das Fahrzeug steht, wächst die Gefahr. Ein neuralgischer Punkt ist die Zeit vor der Abfahrt. Hier sollten Spediteure selbst jahrelang erprobte Abläufe überprüfen, um Diebstahlrisiken auszuschalten. Beispiel: In vielen Firmen ist es üblich, dass die LKW schon am Freitagnachmittag beladen werden, damit der Fahrer in der Nacht von Sonntag auf Montag starten kann. Das spart Zeit, gibt allerdings Dieben die Gelegenheit, übers Wochenende auf dem Betriebsgelände zuzuschlagen. Vorausgesetzt, der LKW parkt dort überhaupt, was längst nicht immer der Fall ist. Versicherungsmakler Kaul beobachtet, dass allzu häufig beladene Trailer neben Autobahnauffahrten abgestellt werden. "Das finden auch Diebe praktisch." Ein besonders kritischer Moment ist die Ankunft beim Kunden. Das musste auch Time Shuttle vor einigen Jahre erfahren: Damals wurde ein Fahrzeug vorm Tor des Kunden in Spanien von vier maskierten Männern überfallen. Solche massiven Attacken lassen sich zwar nie ganz verhindern, aber zumindest erschweren. Bei Time Shuttle etwa gilt die Regel, dass kein LKW früher als geplant den Hof verlässt, damit beim Kunden nachher keine Wartezeit entsteht. Zeichnet sich trotzdem eine verfrühte Ankunft ab, werden die Fahrer angewiesen, einen Zwischenstopp auf einem gesicherten Parkplatz einzulegen. Oft helfen die eigenen Mitarbeiter Eine unangenehme Wahrheit: Nicht selten bekommen Frachtdiebe Unterstützung von den Mitarbeitern der Speditionen oder dem Fahrpersonal; die Tapa schätzt, dass das in 70 Prozent der Fälle so ist. Allerdings handeln viele Innentäter, ohne es zu merken. Ein typisches Szenario: Der Fahrer langweilt sich während einer Pause und plaudert über Facebook ein bisschen mit den Kollegen. Dann ist eine Statusmeldung wie "Unterwegs nach München mit Handys" schnell abgesetzt. Auf solche Informationen warten Diebe. "Wir sensibilisieren die Fahrer dafür, dass mit Informationen vertraulich umgegangen wird - auch im Gespräch an der Raststätte", so Prinz. Er räumt aber ein, dass nicht alle Kräfte vom Online-Plausch abzubringen sind. "Manche sind unbelehrbar, von denen muss man sich trennen." Natürlich gibt es auch Innentäter, die bewusst mit Dieben gemeinsame Sache machen. Versicherungsmakler Kaul kennt diese Fälle: "Dann wird zum Beispiel die Plane genau da aufgeschnitten, wo der wertvollste Teil der Ware lagert." Wird so präzise zugegriffen, hat häufig jemand vom Fahrpersonal oder aus dem Lager den Dieben einen Tipp gegeben. Gegen Maulwürfe in der Belegschaft gebe es nur ein Gegenmittel - eine gute Bezahlung, so Kaul. Genau daran jedoch hapere es oft. "Das ist ein Dilemma: Die Frachtraten sind oft so niedrig, dass die Leute nicht besser bezahlt werden können. So steigt der Anreiz, sich illegal etwas nebenher zu verdienen." Grundsätzlich sind Spediteure gegen Diebstahl abgesichert: Wird zum Beispiel ein kompletter Zug entwendet, trägt die Kaskoversicherung die Kosten für das Fahrzeug, der Verlust der Ladung wird von der Verkehrshaftpflichtversicherung abgedeckt. Doch es gibt ein paar Haken: Zum einen richtet sich der erstattete Betrag nach dem Gewicht der Ware und ist gedeckelt. Wird zum Beispiel ein Trailer mit Handys geklaut, erhält der Spediteur weit weniger Geld erstattet, als die Ladung wert war. Zum anderen steigen für den Frachtführer nach einem Diebstahl die Versicherungsprämien. Besonders brenzlig wird die Lage, wenn dem Spediteur im Nachhinein vorgeworfen wird, fahrlässig gehandelt zu haben. In diesem Fall kann die Versicherung die Zahlung verweigern - und die Sache landet vor Gericht. Dann muss ein Richter entscheiden, ob wirklich Fahrlässigkeit vorlag, und das endete in der Vergangenheit teilweise mit bizarren Urteilen: In einem Fall etwa befanden es Richter schon für fahrlässig, wenn ein LKW-Fahrer in Rumänien anhält und nach dem Weg fragt - er wurde bei dem Stopp ausgeraubt. Um sich gegen finanzielle Verluste zu schützen, könnten die Verlader zusätzlich eine Warentransportversicherung abschließen. Doch in der Praxis geschieht das nicht immer. "Die Nachfrage sinkt sogar", sagt Schunck-Mann Kaul. Seine Beobachtung: Statt sich zu versichern, gehen große Verlader dazu über, den Spediteuren eine höhere Haftung in die Verträge zu schreiben. Im Schadensfall muss dann für Millionenbeträge geradegestanden werden. Speziell für kleine Firmen wird der Frachtdiebstahl so zum geschäftlichen Todesstoß.

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