Im Netz des Bösen

Die Geschichte klingt nach Hollywood: Unbekannte brechen in die Büros der Antwerpener Hafenverwaltung ein. Sie stehlen nichts, sondern hinterlassen etwas - digitale Schnüffelgeräte. Die Wanzen werden als Mehrfachsteckdose getarnt und leiten Daten nach außen. Die Kriminellen rufen so aus der Ferne die Standorte der Container ab und stehlen gezielt Behälter vom Hafengelände - und zwar solche, in denen Komplizen zuvor Rauschgift versteckt haben. Ende 2013 legt die Polizei ihnen das Handwerk. 15 Personen werden festgenommen, darunter zwei professionelle Hacker. Die Logistik im Visier von Datendieben - das ist kein Einzelfall: 20 Prozent aller Unternehmen aus den Branchen Transport und Verkehr sind zwischen 2010 und 2012 Opfer von elektronischer Kriminalität geworden, ergab eine Umfrage der Wirtschaftsprüfer von KPMG. Auch das Argument "wir sind doch so klein" greift nicht: Fast jeder dritte Cyberangriff zielt auf ein mittelständisches Unternehmen (KMU) ab. Netz-Kriminalität gegen KMU boomt: Jährliche Wachstumsraten von fast 50 Prozent hat der Sicherheitskonzern Symantec ermittelt. Hacker machen alle Daten zu Geld Hacker können fast jede Datenbeute im Internet zu Geld machen - Kundendaten, Bestellinformationen, E-Mail-Adressen. "Auch eine Preiskalkulation kann interessant sein", erklärt Frank Rustemeyer von der Firma Hi-Solutions, die solche Angriffe aufklärt. Der Computerforensiker beobachtet, dass sich Industrieunternehmen über das Netz gegenseitig ausforschen: "Solche Angriffe kann man bei professionellen Hackern in Auftrag geben." Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) warnt ebenfalls vor Wirtschaftsspionage. "Spezialisierte Speditionen könnten bedroht sein", schätzt Uwe Jendricke vom BSI. Zum Beispiel Transportdienstleister, die für die Hightech-Branche arbeiten. Deren Kundenlisten oder Dispositionsdaten seien für Konkurrenten interessant, so Jendricke. Zudem könnten Angreifer versuchen, IT-Systeme lahmzulegen, etwa in der Lagerlogistik oder bei Frachtenbörsen - aus politischen Motiven oder um die Betreiber zu erpressen. Die meisten Cyberangriffe laufen allerdings unspektakulär ab. Oft handelt es sich um automatisierte Attacken, bei denen zum Beispiel manipulierte E-Mails wahllos verschickt werden. Wer deren Anhang anklickt, aktiviert eine Schadsoftware und überreicht den Hackern quasi die Fernsteuerung für seinen Rechner: So können sie Passwörter oder sogar Tastatureingaben mitlesen. Häufig wird der infizierte PC auch genutzt, um Schadprogramme zu verbreiten - das Gerät mutiert zum "Zombie-PC", wie Experten sagen. Gefährlicher sind gezielte Datenraubzüge nach dem Prinzip des Spearphishings. Dabei gucken sich Hacker eine Person aus, um sie als Maulwurf zu missbrauchen. Ein Beispiel: Kriminelle wollen in das System eines Logistikdienstleisters einbrechen. Dafür durchforsten sie - völlig legal - Plattformen wie Xing oder Linked-In nach einer Person, die bei dem Betrieb für IT-Sicherheit zuständig ist. Diese wird kontaktiert, wobei sich der Angreifer beispielsweise als Headhunter ausgibt, der einen Job bei der Konkurrenz anbietet - mit einem besseren Gehalt. Nicht jede gute Nachricht ist gut Weil die Nachricht so klingt, als kenne sich der Absender in der Branche aus, wird die Zielperson unvorsichtig. Sie klickt auf einen Link, den der vermeintliche Headhunter schickt. In diesem Moment schnappt die Falle zu: Auf der verlinkten Seite befindet sich ein Schadprogramm, das sich ohne Zutun des Nutzers auf dessen Rechner einnistet (Fachwort: Drive-by-Download). "So wird das System infiziert, ohne dass es der Benutzer merkt", erklärt Martin Dombrowski von der IT-Sicherheitsfirma Imperva. Dann haben die Kriminellen freie Bahn und können über den Rechner des IT-Profis tief ins Firmennetz einsteigen. Nicht ganz so zielgenau, aber genauso gefährlich sind sogenannte Waterholing-Attacken. Dabei suchen sich die Cyberkriminellen gut besuchte "Wasserstellen" einer Branche im Internet aus, wie zum Beispiel Fachforen. "Solche Seiten sind oft schlechter geschützt als die offiziellen Seiten von Konzernen", begründet Experte Dombrowski. Dann wird das Wasserloch so präpariert, dass die Besucher sich mit Schadcode infizieren - und so ein Guckloch in ihren Rechner öffnen. Besonders bösartig: Hacker können den übernommenen PC einsetzen, um im Namen der jeweiligen Firma andere Unternehmen der Branche zu kontaktieren. Solche Nachrichten werden besonders häufig geöffnet - verständlich, denn was weckt mehr Interesse als eine E-Mail von der Konkurrenz? Doch es muss nicht immer so kompliziert sein. Datenklau funktioniert auch ohne Internet. "Oft beginnt alles mit einem Missgeschick offline", sagt Stefan Sievers von Hiscox. Das Unternehmen versichert IT-Pannen. "Oft gelangen Daten in falsche Hände, weil jemand seinen Laptop am Flughafen vergessen hat oder in die Geschäftsräume eingebrochen wird", so Sievers. Ein weiterer Risikofaktor sind Innentäter, also Personen aus der eigenen Belegschaft, die zum Beispiel Kundendaten versehentlich an eine falsche E-Mail-Adresse schicken oder beim Jobwechsel Dateien mitnehmen. Der Schaden ist in jedem Fall enorm, denn laut Datenschutzgesetz muss das Unternehmen alle Personen, deren Informationen betroffen sind, über den Verlust informieren - theoretisch. "Das kostet viel Geld und kann den Ruf eines Unternehmens erheblich schädigen", betont Sievers. Es gibt also gute Gründe, sich mit Datensicherheit zu befassen, zumal das Thema dringlicher wird. "Lassen Sie sich nicht davon täuschen, dass gezielte Angriffe auf die IT-Systeme der Logistikwirtschaft in der Vergangenheit relativ unwahrscheinlich waren", betont Michael Lorth, Professor für Logistikconsulting an der Fachhochschule Köln. IT-Sicherheit gehöre auf die Agenda der Geschäftsführung, nicht zuletzt, weil die Bundesregierung im geplanten IT-Sicherheitsgesetz eine Meldepflicht für Cyberangriffe plant. "Das Gesetz wird kommen, wahrscheinlich bereits 2015", meint Lorth. Die Serie Logistik in GefahrDie große Serie der Verkehrs-Rundschau zu den neuen Bedrohungen der Transportkette- VR 12: Neue Gefahren für die Transportkette- VR 17: Compliance - Wie man mit Korruption umgeht- VR 20: Terror - Wo die Logistik besonders gefährdet ist- VR 25: Datensicherheit - Schutz gegen Cybercrime- VR 29: Frachtdiebstahl - Das richtige Risiko-Management- VR 32: Klimawandel - Schützen vor Sturm und Regen- VR 38: Einbruch - Schutz im Lager und beim Umschlag- VR 42: Soziale Unruhen - Von Streiks bis Revolution- VR 47: Krisenmanagement - Im Ernstfall richtig handeln