"Mit dem TGE bestens positioniert"

MAN Financial Services, Rental, Euro-Leasing und im Zweifel noch Volkswagen Financial Services - klingt kompliziert. Wie gehören die Marken denn nun zusammen? Marco Reichwein: Wir agieren unter der Marke MAN Financial Services und bieten von der einfachen Finanzierung über Service-Produkte bis hin zur Miete alles aus einer Hand. Wir sind Teil der Volkswagen Financial Services AG, wo alle Finanzdienstleistungen des Volkswagen-Konzerns gebündelt werden. Im Marktauftritt agieren wir als Captive-Organisation der MAN unter der Marke MAN Financial Services. Wie gewährleisten Sie bei dieser Konstellation eine persönliche Kundenansprache? Alfons Fehlner: Als klassische Captive arbeiten wir viel mit unseren Lkw-, Van- und Busverkäufern, insbesondere im Finanzierungs- und Leasing-Bereich. Wir richten uns in der Kundenansprache nach einer klassischen Bedürfnispyramide. Diese reicht, betrachtet man sie von der Spitze her, von schwer planbar, unsicher, kurzfristig, flexibel und rein nutzungsgetrieben bis hin zu gut planbar, langfristig und eigentumsorientiert, je näher man der Basis kommt. Der Übergang ist hierbei stets fließend. Was bedeutet das für die Transportunternehmer und Spediteure konkret? Fehlner: Auf unser Geschäft übertragen bedeutet dies: Ganz an der Spitze steht der Short-Term-Rental-Bereich, daran anknüpfend die Mid- und Long-Term-Miete. Es schließt sich liquiditätsschonendes Kilometerleasing, kombinierbar mit allen MAN-Services und Dienstleistungen, an. Der Kunde setzt sich hierbei nicht den Risiken des Gebrauchtwagenmarktes aus, weil er kein Verwertungsrisiko trägt, da das Fahrzeug am Ende der Laufzeit an MAN zurückgeht. Legt der Kunde Wert auf Eigentumsübergang am Vertragsende und die Nutzung von Abschreibungen sowie die Möglichkeit zur Bildung von stillen Reserven, entscheidet er sich für Mietkauf- oder klassische Darlehenslösungen. Mit diesen schont er die Kreditlinien bei seinen Hausbanken und hält diese für andere Investitionen offen. Reichwein: Wichtig ist, dass wir mit unseren Produkten aufeinander aufbauen, und zwar in enger Zusammenarbeit über alle Vertriebskanäle der MAN hinweg. Erster Ansprechpartner und das Gesicht für den Kunden ist aber in der Regel der MAN-Verkäufer. Der Kunde erhält somit eine umfassende Beratung rund um seinen individuellen Fuhrparkbedarf. Gibt es Pläne, die Bereiche räumlich näher zusammenzurücken, zum Beispiel an den MAN-Hauptsitz in München? Reichwein: Diese Frage stellt sich bei uns derzeit nicht, wir verfolgen eine ganz klare Standortsicherung, was das Vermietgeschäft in Sittensen betrifft. Im Gegenteil: Wir sind dabei, dort ein Truck & Bus Competence Center aufzubauen, das in Zukunft sowohl internationaler agieren als auch mit einer höheren Produktvielfalt aufwarten wird. Fehlner: Zumal unsere Vertriebe schon jetzt dezentral arbeiten. In den MAN-Standorten deutschlandweit sitzt der Rental-Berater Tisch an Tisch mit dem Finanzierungs- und Leasingberater. Reichwein: Für den Kunden ist nicht der Standort des Headquarters ausschlaggebend, sondern die Kundennähe, die wir mit unserem dezentralen Vertrieb und unseren flächendeckenden Vermietdepots gewährleisten. Bieten Sie außer Verkauf und Vermietung weitere Dienstleistungen an? Reichwein: Mit der reinen Vermietung einer Sattelzugmaschine schaffen wir heute keine wirkliche Differenzierung vom Wettbewerb und finden uns schnell in Preiskämpfen wieder. Wir setzen uns über Service- und Zusatzprodukte vom Wettbewerb ab, die der Kunde benötigt, um sein Tagesgeschäft überhaupt abwickeln zu können. Das fängt bei einer Flotte auf höchstem technischen Niveau an und erstreckt sich über Versicherungslösungen, Truck- und Trailer-Telematiklösungen, Reifenprodukte bis hin zu proaktiven Schadens- und Reparaturmanagement und Pay-per-Use-Lösungen. Es gibt auf dem deutschen Lkw-Markt kein Produkt, das wir nicht gemeinsam anbieten können. Wir vertreten eine ganzheitliche Sicht auf den Kunden. Kaum ein Kunde nutzt ausschließlich Mietprodukte oder nur Leasingverträge. Der Mix macht's. Die Transport Logistic steht vor der Tür. Welche Neuheiten haben Sie im Messegepäck? Reichwein: Vor dem Hintergrund der Digitalisierung war für uns als MAN Financial Services klar, dass wir auch hier Mehrwerte bieten wollen. Zur Messe werden wir eine App launchen, mit der der Kunde gemeinsam mit dem Verkäufer Produkte konfigurieren kann, sei es im Bereich Miete, Leasing, Mietkauf oder Finanzierung. Diese App steht für die gesamte Bandbreite unseres Angebots - von den Fahrzeugen über Versicherungs- bis hin zu Serviceleistungen. Die Anwendung wird zum Start noch über den MAN-Vertrieb gesteuert, soll dem Kunden aber mittelfristig über eine Homepage direkt zugänglich gemacht werden. Dort kann er dann schließlich Angebote selbst konfigurieren und selbst abschließen. Mit welchen Services wollen Sie außerdem Akzente setzen? Reichwein: Ein wichtiger Pfeiler ist die MAN Card, die viel mehr ist als nur eine europaweit einsetzbare Tankkarte. Sie bietet zahlreiche Zahlungs- und Service-Mehrwerte für den Kunden. Dazu gehören die Abwicklung von Werkstattaufenthalten, wie zum Beispiel mit Servicefreigrenzen, Vorteilen im Schadensmanagement und weiteren Mehrwerten für unsere Rental-Kunden. Das Schönste ist: Die MAN Card ist für Kunden kostenlos. Fehlner: Die MAN Card bekommt der Finanzierungs- oder Leasing-Kunde bei Interesse mit einem gewissen Limit automatisch mitgenehmigt. Die Karte dient der Schnittstellen-Minimierung - das Motto lautet also auch hier: alles aus einer Hand. Wie hat sich das Mietgeschäft zuletzt entwickelt? Reichwein: Es ist im Großen und Ganzen stabil. Bei der Fahrzeugnachfrage sehen wir eine leichte Verschiebung weg von 7,5- zu 12-Tonnern. Wo wir allerdings sehr großes Potenzial sehen, ist im Transporterbereich. Mit dem neuem MAN TGE sind wir am Markt bestens positioniert. Dieses Produkt werden wir im immer wichtiger werdenden Verteiler-Verkehr optimal einsetzen können und vor allem im Rentalbereich schöne Angebote schnüren, damit der Kunde die letzte Meile erfolgreich gestalten kann. Der KEP-Markt ist also neue Zielgruppe? Reichwein: Wir können und wollen alle Kundensegmente bedienen, das wird nicht nur die KEP-Branche sein. Fest steht allerdings, dass wir ein klassischer B2B-Anbieter bleiben und nicht mit Wochenendmieten ins Endkundengeschäft gehen. Wir werden alle Segmente, in dem der Geschäftskunde einen Transporter braucht, abdecken. Dazu zählt sicher auch die aufstrebende KEP-Branche, die uns zwar schon vor einige Herausforderungen stellt. Aber dafür sind wir schließlich da, um den Kunden eine Lösung zu bieten. Auf welche Herausforderungen spielen Sie hier an? Reichwein: Die KEP-Branche hat ihrerseits mit starken Herausforderungen zu kämpfen. Meist haben wir hier Subunternehmer als Mieter, die kurzfristige Transportaufträge unter hohem zeitlichem Druck erfüllen müssen. Hieraus ergibt sich eine starke Beanspruchung der Fahrzeuge, gerade im innerstädtischen Verkehr. Dieser Problematik innerhalb der KEP-Branche muss man sich stellen. Daher wollen wir Lösungen kreieren, die dem Kunden dabei helfen, seine Transportaufträge optimal und profitabel auszuführen. Wann entert der MAN TGE die Mietflotte? Reichwein: Die Produktion läuft, prinzipiell können wir schon jetzt Angebote errechnen. Wir gehen davon aus, dass der MAN TGE Mitte dieses Jahres in die Mietflotte aufgenommen wird. Mit welchem Volumen gehen Sie raus? Reichwein: Für dieses Jahr planen wir zum Anlauf in einer Größenordnung von wenigen Hundert Fahrzeugen, für die Folgejahre peilen wir eine gut vierstellige Anzahl an Fahrzeugen an. MAN hat einen E-Verteiler-Lkw angekündigt. Wann kommt der in die Vermietung? Reichwein: Wir möchten natürlich am E-Mobilitätsmarkt partizipieren und haben definitiv vor, den E-Lkw in die Mietflotte aufzunehmen. Wann genau das der Fall sein wird, ist aber noch offen. Sie stehen im engen Kontakt zu Speditionen. Wie entwickelt sich deren Geschäft aktuell - was treibt und was bremst? Fehlner: Was unsere Kunden umtreibt, treibt uns natürlich auch um, weil wir die Bonität unserer Kunden beurteilen müssen. Das positive konjunkturelle Umfeld kommt uns sehr zugute. Wir verzeichnen historisch niedrige Risikokosten, das macht es für die Spediteure derzeit natürlich einfach, Investitionen zu tätigen. Auf der anderen Seite gibt es Aspekte, die durchaus einen erheblichen Hemmschuh darstellen. Da wäre zum einen das Thema Fahrermangel. Wir hören im Gespräch mit unseren Kunden immer häufiger, dass Investitionen nicht getätigt werden, weil qualifizierte Fahrer fehlen. Das zweite große Thema, das die Branche umtreibt, ist die Parkplatzsituation. Wir gehen davon aus, dass derzeit 1000 bis 1200 Parkplätze fehlen. Bis zu neun Prozent der reinen Lenkzeit geht für die Parkplatzsuche drauf. Das entspricht zusätzlichen Kosten von bis zu 3000 Euro im Jahr. Daher beschäftigen wir uns sehr intensiv mit dem Thema Parkplatz und Parkplatzsuche sowie mit der Bereitstellung von Sicherheitsparkplätzen. Sie wollen für Parkplätze sorgen? Fehlner: Wir loten die Frage aus, wie viel der Unternehmer bereit ist, für einen sicheren Parkplatz zu investieren. Uns schwebt ein Konzept vor, bei dem die Suche, Buchung und Bezahlung für einen Parkplatz über die MAN Card in Verbindung mit der On-Board-Unit, welche die Restlenkzeiten anzeigt, erfolgen könnte. Das ist definitiv eine Nische, die wir besetzen wollen - ohne uns allerdings in die Schaffung der Infrastruktur zu begeben. Reichwein: Gerade bei Risikotransporten, seien es Pharma-, Tabak- oder Elektronikartikel, die gerne als Diebesgut auserkoren werden, sind nicht nur gute Telematiklösungen, sondern auch eine sichere Parksituation extrem wichtig. Stichwort Niedrigzinsen: Wie wirken sich diese auf Ihr Geschäft aus? Beide (lachen): Die machen uns beiden jedenfalls keinen Spaß. Reichwein: Als Vermieter spüren wir natürlich, dass Kaufangebote bei nahezu null Zinsen für den Kunden attraktiver werden. Bei der reinen Miete mag das auch sinnvoll erscheinen, berücksichtigt man die Mehrwerte, sieht das allerdings anders aus. Ob Hoch- oder Niedrigzinsumfeld - wir setzen uns durch die Werthaltigkeit unserer Produkte ab, die wir unseren Kunden bieten. Fehlner: Wir befinden uns in einer etwas kuriosen Situation: Die Stunde der Captives schlägt erfahrungsgemäß in konjunkturell schwachen Zeiten, wenn die Hausbanken dazu tendieren, die Risikokosten zu minimieren, und die Kunden gerne zu herstellereigenen Absatzfinanzierern kommen, auch wenn sie etwas teurer erscheinen mögen. Wir haben nicht den direkten Zugriff auf den Kapitalmarkt, sondern bedienen uns innerhalb der Holding bei der Mutter. Mancher Kunde tendiert in diesen Zeiten mitunter zur günstigeren Finanzierungsvariante. Kurzum: Hinsichtlich der Risikokosten haben wir an der aktuellen Situation natürlich viel Freude, aber weniger Spaß, was die Neugeschäft- und Wettbewerbssituation anbelangt. Wie teilt sich das Geschäft zwischen den Säulen Miete, Leasing und Finanzierung aktuell auf? Reichwein: Unser Ziel ist, 20 Prozent des Absatzes der Marke als Mietprodukt darzustellen. Aktuell sind wir da noch ein kleines Stückchen von entfernt. Miete wird aber zunehmend mehr nachgefragt. Wir haben innerhalb unserer 12.500 Einheiten starken Mietflotte den Anteil an Trucks über die letzten drei Jahre mehr als verdoppelt. Dabei geht es aber nicht um Wachstum um jeden Preis, es muss auch profitabel sein. Fehlner: Wir haben uns eine Penetration von 55 bis 60 Prozent zum Ziel gesetzt, das heißt, zu den 20 Prozent der Mietkollegen kommen wir auf 35 bis 40 Prozent, die über Mietkäufe, Darlehen und Leasinglösungen finanziert werden. Wir haben aber nicht nur die Absatzunterstützungs-Funktion, sondern auch die Risikominimierungs-Funktion. Wir wollen ein profitables und qualitativ hochwertiges Geschäft und nicht auf Gedeih und Verderb wachsen. Wir sind allein in Deutschland mit 1,7 Milliarden Euro im Portfolio unterwegs, was reine Finanzierungen und Mietkäufe angeht. Davon halten sich Leasing und klassische Darlehensfinanzierung ungefähr die Waage. Welche Ziele setzen Sie sich für 2017? Reichwein: Um für den Rentalbereich zu sprechen, gehen wir weiterhin den Pfad des profitablen Wachstums. Neben Wachstum in den Bestandsmärkten Deutschland, Dänemark, Polen und Schweden setzen wir auf Internationalisierung. Im Laufe des Jahres werden wir auch in Frankreich mit unserem Vermietgeschäft starten und haben uns zum Ziel gesetzt, bis 2025 in allen wesentlichen europäischen Märkten mit den Mietlösungen von MAN Financial Services vertreten zu sein. Was mir aber besonders wichtig ist: Wir wollen weiterhin innovative Produkte entwickeln. Es geht darum, die Customer Journey für den Kunden und für dessen Kunden bestmöglich abzudecken und zu bedienen, sodass diese mit unseren Produkten ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöhen. Fehlner: Wir verkaufen mannigfaltige Transportlösungen, die dem Kunden helfen, seinem Auftrag gerecht zu werden. In Bayern gibt es ein Sprichwort: "Wer zahlt, schafft an." Das heißt, was der Kunde will, ist unsere oberste Prämisse. Wir betrachten uns als die "Möglichmacher". Mehr zum Thema im Dossier Lkw-Finanzierung www.verkehrsrundschau.de/dossiers Vita Marco Reichwein Marco Reichwein (46) ist seit Oktober 2013 CEO von Euro-Leasing/MAN Rental in Sittensen bei Hamburg. Reichwein absolvierte eine Ausbildung zum Industriekaufmann bei Procter & Gamble und studierte anschließend Wirtschaftswissenschaften an der Universität Gießen. Von 2002 bis 2013 war Reichwein in verschiedenen Positionen für den Captive-Dienstleister Volvo Financial Services tätig. Reichwein ist verheiratet und hat drei Kinder. mh Vita Alfons Fehlner Alfons Fehlner (51) ist seit 2008 Leiter Vertrieb Deutschland bei MAN Financial Services in München. Nach Ausbildung bei der Deutschen Bundesbank und Studium der European Business Studies in Großbritannien und Deutschland bekleidete Fehlner verschiedene Positionen im Vertrieb bei Finanzdienstleistern der Allianz, Deutsche Bank und der Société-Générale-Gruppe. Fehlner ist verheiratet und hat zwei Kinder. mh

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