Das große Abwägen

Logistikunternehmen mit eigenem Fuhrpark dürften nicht selten vor der Frage stehen, auf welche Art und Weise neue Fahrzeuge angeschafft werden. Ob Lkw aus Eigenmitteln oder mithilfe von Banken über Kredit gekauft oder ob nicht doch Mietkauf oder Leasing zur Fahrzeugbeschaffung bevorzugt werden, ist von Unternehmen zu Unternehmen sehr unterschiedlich. "Prinzipiell nutzen wir kein Herstellerleasing, für uns ist es attraktiver, die Fahrzeuge erst einmal zu kaufen", erklärt Matthias Gehrigk, Mitglied der Geschäftsleitung und Prokurist bei Greiwing - Logistics For You. Seine rund 200 Zugmaschinen und über 500 Spezialauflieger transportieren vor allem Schüttgut. "Die Fahrzeugbeschaffung wickeln wir sowohl über Eigenfinanzierung als auch über Kredite ab, nutzen aber auch Sale-and-Lease-Back, Letzteres in der Regel über die Leasinggesellschaften von Banken", erklärt Prokurist Gehrigk. Auch wenn Unternehmen wie Greiwing in erster Linie auf den Kauf setzen - klassisches Leasing ist und bleibt ein Milliardengeschäft. Stets neue Modelle fahren, die monatlichen Kosten immer im Blick haben oder auch die Nutzung von Full-Service-Angeboten von der Wartung bis hin zum Pannendienst - vor allem die Hersteller wissen die Vorteile zu vermarkten. Da schlägt dann auch mal jemand zu, der bei der Anschaffung bislang eher auf Kauf beziehungsweise Finanzierung setzte. So hat B+S Logistik und Dienstleistungen den Fuhrpark kürzlich um zehn geleaste Sattelzugmaschinen von MAN ergänzt. Das Unternehmen aus Bad Iburg bei Osnabrück ist neben der Kontraktlogistik und dem E-Commerce-Fulfillment auch in der Lager- und Transportlogistik aktiv und unterhält einen Fuhrpark mit rund 60 Fahrzeugen. "Das Angebot war so attraktiv, dass ich nicht drum herum gekommen bin", erzählt Geschäftsführer Stefan Brinkmann. Aber nicht nur mitunter günstige Herstellerangebote machen Leasing attraktiv. Auch aus bilanzieller Sicht spricht einiges dafür. Während bei Kauf und Mietkauf das Fahrzeug von Anfang an bilanziert, genutzt und in Raten abbezahlt wird, bleibt der neue Lkw beim Leasing über die gesamte Laufzeit Eigentum des Leasinganbieters. Der Leasingnehmer kann die Raten als laufende Kosten steuerlich geltend machen. Das muss aber auch ins unternehmerische Konzept passen: Beim Leasing entfällt schließlich die Möglichkeit, durch eigene Fahrzeuge Unternehmenswerte aufzubauen. Dieser Faktor ist offenbar nicht zu unterschätzen, denn Mietkauf liegt im Trend: "Der Kunde ist offenbar durchaus dem Eigentumsgedanken verpflichtet und will das Objekt in seiner Bilanz haben", sagt Günter Römhild, Geschäftsführer UTA Truck Lease. Die herstellerunabhängige Leasinggesellschaft hat eine Mietkaufquote von 60 Prozent, der Rest entfällt auf Teilamortisations-Verträge mit Andienungsrecht. Hier wird zu Beginn der Laufzeit der voraussichtliche Wert des Fahrzeugs nach Vertragsende kalkuliert. Sollte es dann weniger wert sein, muss der Leasing-Nehmer diese Differenz ausgleichen. Zudem hat der Leasing-Geber das Recht, dem Kunden das Fahrzeug zu dem noch nicht amortisierten Restwert zu überlassen (Andienungsrecht). Nachzahlungen an der Tagesordnung Die andere gängige Variante ist der Kilometervertrag, auch operatives Leasing genannt. Sie wird vor allem von den Leasingtöchtern der Hersteller angeboten. Wie der Name nahelegt, wird bei Kilometerverträgen die Gesamtlaufleistung festgelegt. Man sollte also schon im Vorfeld seine Kilometerleistung gut einschätzen können, denn fährt der Lkw mehr als kalkuliert, wird eine Ausgleichszahlung fällig. Dafür entfällt das Restwertrisiko. Nach Angaben des Bundesverbands Deutscher Leasing-Unternehmen (BDL) lag der Anteil der Kilometerverträge beim Nutzfahrzeugleasing 2016 bei knapp 30 Prozent. Matthias Gehrigk, dessen Zugmaschinen im Schnitt rund 120.000 Kilometer im Jahr fahren, gehört offenbar nicht zur Zielgruppe: "Wir machen das bewusst nicht, um auch eine gewisse Unabhängigkeit gegenüber den Herstellern zu wahren", betont der Greiwing-Mann. "Wir kaufen in der Regel vom Hersteller mit einer Rücknahmegarantie. Zum Zeitpunkt der Abgabe entscheiden wir dann, ob wir die Zugmaschine an den Hersteller zurückgeben oder in Eigenregie verkaufen." Nicht nur die Abhängigkeit vom jeweiligen Hersteller wird von Experten gern ins Feld geführt. Es lauern weitere Fallstricke, auch beim vermeintlich günstigen Kilometerleasing: Nicht nur bei Überschreiten der vereinbarten Laufleistung, sondern auch durch leichte Schäden können bei Vertragsende schnell einige Tausend Euro an Nachzahlungen fällig werden. Stefan Brinkmann schrecken diese Rechnungen jedoch nicht ab: "Man sollte die Restwertproblematik beziehungsweise Nachzahlungen von Anfang an mit in die kaufmännische Entscheidung fürs Leasing miteinkalkulieren. Wenn die Preise es hergeben, rechnet sich Leasing unterm Strich auch unter Miteinbeziehung etwaiger Nachzahlungen durchaus", sagt der B+S-Geschäftsführer und spielt damit auf Sonderaktionen von Herstellern an. Alles in allem lautet seine Devise: "Ein gesunder Mix ist bilanztechnisch die sinnvolle Variante." Das Full-Service-Argument Ein Pfund, mit dem vor allem die Hersteller gerne wuchern, ist die Kopplung von Leasing- mit Full-Service-Verträgen. Diese Rundum-sorglos-Pakete beinhalten Wartung, Reparaturen oder auch Pannendienstnutzung. "Viele haben ihre eigene Werkstatt, wir nicht. Wenn uns ein Lkw irgendwo liegen bleibt, wollen wir abgesichert sein. Die Fahrzeuge können jederzeit zu einer Fachwerkstatt", so Brinkmanns Argumente für Full-Service-Verträge, die er übrigens auch für seine selbst finanzierten Lkw abschließt. Matthias Gehrigk dagegen kann auf ein eigenes Werkstattnetz zurückgreifen. "Wir haben Werkstätten an fünf Standorten, dazu kommen die üblichen Teilwartungsverträge mit den Herstellern." Aber auch wenn Schüttgutspezialist Greiwing seine Finanzierungs-Strategie auf Kauf ausrichtet - in Stein gemeißelt sei sie nicht: "Wir sind Logistiker, die versuchen flexibel auf die jeweilige Situation zu reagieren", resümiert Gehrigk. Mehr zum Thema im Dossier "Lkw-Finanzierung" www.verkehrsrundschau.de/dossiers Profi-Tipps Was Unternehmen beachten sollten - Während für Immobilien und Kontokorrent die Hausbank zuständig sein sollte, bieten sich bei Fahrzeugen Objektspezialisten an, seien es die Herstellertöchter oder auch ein unabhängiger Finanzierer.- Wer rein nutzungsorientiert arbeitet, also in erster Linie an einem Objekt interessiert ist, das über eine festgelegte Zeit eine bestimmte Kilometerleistung erbringen muss, sollte sich mit Kilometer-Leasingverträgen befassen. Allerdings sind hier etwaige (manchmal nicht unerhebliche) Nachzahlungen wegen Überschreitung der vereinbarten Laufleistung oder Schäden zu beachten.- Sobald ein Unternehmen Wert auf die Bildung stiller Reserven legt oder auch über Eigenvermarktung selbst Erträge erzielen will, sollte es klassische Finanzierungsformen wie Kredit und Mietkauf wählen. mh Info Die Finanzierungsformen - Bei der klassischen Finanzierung ist der Kreditnehmer ab der ersten Rate Eigentümer des Fahrzeugs, mit allen dazugehörenden Freiheiten. Die klassische Finanzierung ist unterm Strich günstiger als Leasing, vor allem bei Rabatten der Hersteller. Zudem können stille Reserven gebildet werden.- Beim Leasing bleibt das Fahrzeug über die gesamte Laufzeit Eigentum des jeweiligen Leasinganbieters. Die gängigsten Varianten sind Teilamortisations-Verträge und Kilometerleasing. Vorteilen wie Bilanzneutralität, Kostenkontrolle und Zugriff auf aktuelle Fahrzeugmodelle stehen Nachteile wie unter Umständen Restwertrisiko, etwaige Schadensnachzahlungen und der fehlende juristische Zugriff auf das Objekt entgegen.- Beim Mietkauf ist der Kauf des gemieteten Fahrzeugs Teil der vertraglichen Vereinbarung. Das Finanzamt behandelt ihn steuerlich wie einen Kauf auf Kredit. Das Nutzfahrzeug wird von Anfang an bilanziert, genutzt und in Raten abbezahlt. mh