Mit Alternativtechnik schwerer

Zum 26. Mai traten die von der Europäischen Kommission am 29. April 2015 verabschiedeten neuen Regeln für Maße und Gewichte nach 2015/719/EU in Kraft. Bis 7. Mai 2016 müssen die Mitgliedstaaten die wesentlichen Punkte in nationales Recht überführen. Nach Ansicht von Roger Schwarz, Geschäftsführer der Transfrigoroute Deutschland, ist einiges ziemlich unklar formuliert. Als Beispiel nennt der Vertreter des Kühltransporte-Verbands das künftig erlaubte Mehrgewicht bei der Nutzung alternativer Antriebskonzepte. In der EU-Richtlinie heißt es: "bis zu einer Tonne", faktisch gehe es aber nur bis zu dem vom Hersteller dokumentierten Systemgewicht, so Schwarz. Der Hersteller eines Lkw mit zum Beispiel einem LNG-Motor müsse also dokumentieren, dass das Fahrzeug durch entsprechende Gasflaschen 700 Kilogramm mehr wiege. Nur dann dürfe der Nutzer 700 Kilo mehr zuladen. Ein weiteres Beispiel: Ein klassischer 7,49-Tonnen-Verteiler-Lkw mit Dieselantrieb wiegt mit Elektromotor 500 Kilo mehr. Der E-Laster darf dann mit 7,99 Tonnen unterwegs sein - ob das Fahrzeug damit aber ab Oktober auch mautpflichtig wird, ist derzeit noch ungeklärt. Ärgerlich ist die Beschränkung des erlaubten Mehrgewichtes auf zwei- und dreiachsige Fahrzeuge. Fahrzeugkombinationen, also Sattel- sowie Gliederzüge, sind dezidiert ausgenommen. Vor allem vor dem Hintergrund, dass einige Hersteller und Systemanbieter sich von der Hybridisierung von Fernverkehrsfahrzeugen einiges an Potenzial versprechen, eine kaum verständliche Einschränkung. Zudem gestattet die EU keine Erhöhung der Einzelachslasten. Übrigens: Gestattet ist ein Mehrgewicht bei Fahrzeugen, die "ganz oder teilweise mit einem alternativen Kraftstoff angetrieben werden". Faktisch gilt die Änderung damit also für Hybridfahrzeuge ebenso wie für Diesel-Lkw, die zum Beispiel zusätzlich mit LPG, Methangas oder anderen Gasen angetrieben werden - praxistaugliche Konzepte dazu existieren bereits. Die ebenfalls erlaubte Restwärmenutzung hat aktuell noch keinen praktischen Einsatz. 50 cm mehr für die Aerodynamik "Bei der zusätzlichen Länge erlaubt der Gesetzgeber 'mehr als 500 Millimeter' bei Einhaltung bestimmter Rahmenbedingungen', wenn es um aerodynamische Anbauten am Heck geht", berichtet Transfrigoroute-Chef Schwarz. Die maximale Zusatzlänge sei aber nicht direkt definiert, sondern an die Einhaltung aktuell gültiger Kurvenlaufeigenschaften gebunden. "Zudem müssen die Anbauten über eine Typgenehmigung verfügen - wobei die Kommission die Typgenehmigungsvorschriften im Hinblick auf die Änderungsrichtlinie überprüfen und gegebenenfalls bis Mai 2017 einen Änderungsvorschlag vorlegen muss", so Schwarz weiter. Auch die Fahrerhausabmessungen dürfen größer werden. Dies soll vor allem einer verbesserten Aerodynamik, dem Schutz anderer Verkehrsteilnehmer, einer Verbesserung der Sicht wie auch dem Fahrkomfort zugutekommen. "Unter Berücksichtigung aller Rahmenbedingungen rechnen wir dennoch nicht mit einer Umsetzung vor 2020", resümiert der Transfrigoroute-Geschäftsführer. Eine schnellere Umsetzung erfährt sicher eine weitere Änderung, weil sie den Unternehmern Vorteile bringt: So dürfen mit der neuen EU-Norm auch Aufbauten klimatisierter Fahrzeuge oder von Fahrzeugen beförderte klimatisierte Container oder Wechselaufbauten künftig 2,60 Meter Fahrzeugbreite erreichen. Bei der intermodalen Beförderung gestatte die EU beim Transport von 45-Fuß-Containern künftig 150 Millimeter Mehrlänge und damit 12.150 mm - gemessen vom Königszapfen bis zum Fahrzeugheck. "Weniger optimal empfinden wir, dass bei der Verwendung zweiachsiger Zugmaschinen in Kombination mit dreiachsigen Trailern nur noch 42 Tonnen Gesamtgewicht im Kombiverkehr erlaubt sind (gilt, wie alle dargestellten Änderungen, nur für dann neu zugelassene Kombinationen; Anm. d. Red.). Wer künftig weiterhin 44 Tonnen im Kombiverkehr fahren will, muss dreiachsige Sattelzugmaschinen in Kombination mit Zwei- oder Dreiachstrailern einsetzen", rechnet Schwarz vor. Ansonsten ändert sich bei den Achslasten nicht viel - um nicht zu sagen fast nichts: Nicht angetriebene Achsen dürfen weiterhin maximal zehn Tonnen Achslast auf die Straße bringen, Antriebsachsen 11,5 Tonnen. Die Doppelachse des Motorwagens darf ab einem Achsabstand von mindestens 1300 Millimetern 18 Tonnen Achslast haben, bei zwillingsbereifter Auslegung mit Luftfederung 19 Tonnen. Auch bei den Gewichten der Zugmaschine bleibt es bei 18 Tonnen (Zweiachser) respektive 25/26 Tonnen (Dreiachser). Die aktuelle Auflistung weist wieder einen Zweiachs-Trailer mit à zehn Tonnen Achslast aus, sofern der Achsabstand über 1800 Millimeter beträgt. Der 38-Tonnen-Zug mit vier Achsen könnte also weiterhin betrieben werden. Allerdings ist bis zur Umsetzung davon auszugehen, dass die eben erneuerten Mautregeln für Vierachskombinationen - samt Vorteil des 38 - gegenüber dem 40-Tonner zurückgenommen werden. Zum Mai 2021 möchte die EU außerdem eine Überwachung der Achslasten und Gesamtmassen. Die Umsetzung liegt bei den Mitgliedstaaten und soll über in der Infrastruktur verbaute, automatische Systeme oder durch in den Fahrzeugen verbaute, bordeigene Kontrollsysteme erfolgen. Die Datenübermittlung soll dabei über eine genormte Schnittstelle und aus dem fahrenden Fahrzeug an die zuständige Behörde wie auch den Fahrer übermittelt werden. Gewichtskontrolle im Vorbeifahren "Ein solches System", resümiert Schwarz, "ist geeignet die Bestrafung für Fahrer und Unternehmer zu verschärfen. Denn mit einem integrierten Wiegesystem geschieht jeder Verstoß mit Vorsatz, was zu höheren Strafen führt ...!" Zum Thema Achslasten erlaubte sich. Karlheinz Schmidt vom Speditionsverband BGL, angelehnt an die eben sanktionierten Mauttarife, eine seiner kritischen Anmerkungen: "Bei der neuen Mautregelung warte ich darauf, dass jemand mit gelifteter Achse Maut für einen Vierachser bezahlt. Dann hält ihn die BAG an. Wir vom BGL sind dann sehr gespannt, was passiert", so der Hauptgeschäftsführer. Frank Nordhoff vom Fahrzeughersteller Krone machte sich - angelehnt an die Achslastdiskussionen - Gedanken um die richtige Konfiguration einer Sattelkombination für Tiefkühltransporte (siehe Kasten Seite 53). Gerade bei der Entladung von Teilpartien kommt es häufig zu Überladungen der Antriebsachse, die in letzter Zeit häufiger geahndet werden. Schmidt merkte dazu an: "Den Fuhrunternehmern rate ich auch vor diesen Problematiken, die Konfiguration ihrer Fahrzeuge für die nächsten Jahre zu überdenken." Problematik Teilentladung beim Tiefkühler Bringt die dreiachsige Sattelzugmaschine die Lösung? Anlässlich der Transfrigroute -Veranstaltung im österreichischen Saalfelden kommentierten Karlheinz Schmidt, Hauptgeschäftsführer des Bundesverband Güterkraftverkehr und Logistik (BGL) sowie Frank Nordhoff vom Trailerhersteller Krone die kommenden Regeln. Während Schmidt vor allem dazu aufrief, bei kommenden Fahrzeuganschaffungen das Thema Zwei- oder Dreiachs-Sattelzugmaschine zu überdenken - "ich gehe davon aus, dass sich in den nächsten sechs, sieben Jahren die Verteilung der Kombinationen ändern wird" - erläuterte Nordhoff die Problematik bei der Teilentladung. Zwar sieht Nordhoff - abseits unpraktikabler Umladungen mit Ladelücken zwischen Front und Heck des Trailers - Vorteile in der dreiachsigen Sattelzugmaschine mit leichter und kleiner bereifter Vorlaufachse. Dass es nicht generell einer dreiachsigen Zugmaschine bedarf, stellt der Ingenieur aber ebenfalls klar: "Bei nicht ausgeschöpfter Nutzlast genügt eventuell auch ein Achslift auf der dritten Achse oder alternativ eine dynamische Radstandsregelung, wie das von Krone angebotene DWC (Dynamic Wheelbase Control)." gg